Abschied vom Leser
Die Muse schweigt. Mit
jungfraulichen Wangen, Erroten im verschamten Angesicht, Tritt sie vor
dich, ihr Urteil zu empfangen; Sie achtet es, doch furchtet sie es
nicht. Des guten Beifall wunscht sie zu erlangen, Den Wahrheit ruhrt,
den Flimmer nicht besticht; Nur wem ein Herz, empfanglich fur das
Schone, Im Busen schlagt, ist wert, dass er sie krone.
Nicht
langer wollen diese Lieder leben, Als bis ihr Klang ein fuhlend Herz
erfreut, Mit schonern Phantasien es umgeben, Zu hoheren Gefuhlen es
geweiht; Zur fernen Nachwelt wollen sie nicht schweben, Sie tonten,
sie verhallen in der Zeit. Des Augenblickes Lust hat sie geboren, Sie
fliehen fort im leichten Tanz der Horen.
Der Lenz erwacht, auf den
erwarmten Triften Schießt frohes Leben jugendlich hervor, Die Staude
wurzt die Luft mit Nektarduften, Den Himmel fullt ein muntrer
Sangerchor. Und jung und alt ergeht sich in den Luften Und freuet sich
und schwelgt mit Aug und Ohr. Der Lenz entflieht! Die Blume schießt in
Samen, Und keine bleibt von allen, welche
kamen.
Amalia
Schon wie Engel voll Walhallas
Wonne, Schon vor allen Junglingen war er, Himmlisch mild sein Blick,
wie Maiensonne, Ruckgestrahlt vom blauen Spiegelmeer. Seine
Kusse--paradiesisch Fuhlen! Wie zwo Flammen sich ergreifen,
wie Harfentone in einander spielen Zu der himmelvollen
Harmonie-- Sturzten, flogen, schmolzen Geist und Geist
zusammen, Lippen, Wangen brannten, zitterten, Seele rann in
Seele--Erd' und Himmel schwammen Wie zerronnen um die Liebenden! Er
ist hin--vergebens, ach! vergebens Stohnet ihm der bange Seufzer
nach! Er ist hin, und alle Lust des Lebens Wimmert hin in ein
verlornes Ach!
An den Fruhling
Willkommen schoner
Jungling! Du Wonne der Natur! Mit deinem
Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur!
Ei! Ei! Da bist du
wieder! Und bist so lieb und schon! Und freun wir uns so
herzlich, Entgegen dir zu gehen. Denkst auch noch an mein
Madchen? Ei, lieber, denke doch! Dort liebte mich das
Madchen, Und 's Madchen liebt mich noch!
Furs Madchen manches
Blumchen Erbat ich mir von dir-- Ich komm und bitte wieder, Und
du?--du gibst es mir?
Willkommen schoner Jungling! Du Wonne der
Natur! Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der
Flur!
An die Astronomen
Schwatzet mir nicht so
viel von Nebelflecken und Sonnen! Ist die Natur nur groß, weil sie zu
zahlen euch gibt? Euer Gegenstand ist der erhabenste freilich im
Raume; Aber, Freunde, im Raum wohnt das Erhabene nicht.
An
einen Moralisten
Was zurnst du unsrer frohen Jugendweise Und
lehrst, daß Lieben Tandeln sei? Du starrest in des Winters Eise Und
schmalest auf den goldnen Mai.
Einst, als du noch das Nymphenvolk
bekriegtest, Ein Held des Karnevals den deutschen Wirbel flogst, Ein
Himmelreich in beiden Armen wiegtest Und Nektarduft von Madchenlippen
sogst--
Ha Seladon! wenn damals aus den Achsen Gewichen war der
Erde schwerer Ball, Im Liebesknaul mit Julien verwachsen Du hattest
uberhort den Fall!
O denk zuruck nach deinen Rosentagen Und lerne:
die Philosophie Schlagt um, wie unsre Pulse anders schlagen; Zu
Gottern schaffst du Menschen nie.
Wohl, wenn ins Eis des klugelnden
Verstandes Das warme Blut ein bißchen muntrer springt! Laß den
Bewohnern eines bessern Landes, Was nie dem Sterblichen
gelingt.
Zwingt doch der irdische Gefahrte Den gottgebornen Geist
in Kerkermauren ein, Er wehrt mir, daß ich Engel werde, Ich will ihm
folgen, Mensch zu sein.
Bittschrift
Dumm ist mein
Kopf und schwer wie Blei, Die Tobaksdose ledig, Mein Magen leer--der
Himmel sei Dem Trauerspiele gnadig.
Ich kratze mit dem
Federkiel Auf den gewalkten Lumpen; Wer kann Empfindung und
Gefuhl Aus hohlem Herzen pumpen?
Feu'r soll ich gießen aufs
Papier Mit angefrornem Finger?-- O Phobus, hassest du
Geschmier, So warm auch deine Sanger.
Die Wasche klatscht vor
meiner Tur, Es scharrt die Kuchenzofe. Und mich--mich ruft das
Flugeltier Nach Konig Philipps Hofe.
Ich steige mutig auf das
Roß; In wenigen Sekunden Seh ich Madrid--Am Konigsschloß Hab ich
es angebunden.
Ich eile durch die Galerie Und--siehe
da!--belausche Die junge Furstin Eboli In sußem
Liebesrausche.
Jetzt sinkt sie an des Prinzen Brust Mit
wonnevollem Schauer, In i h r e n Augen Gotterlust, Doch in den s e i
n e n Trauer.
Schon ruft das schone Weib Triumph, Schon hor
ich--Tod und Holle! Was hor ich?--einen nassen Strumpf Geworfen in die
Welle.
Und weg ist Traum und Feerei-- Prinzessin, Gott
befohlen! Der Teufel soll die Dichterei Beim Hemdenwaschen
holen.
Das Geheimnis
Sie konnte mir kein Wortchen
sagen, Zu viele Lauscher waren wach; Den Blick nur durft ich
schuchtern fragen, Und wohl verstand ich, was er sprach. Leis komm ich
her in deine Stille, Du schon belaubtes Buchenzelt, Verbirg in deiner
grunen Hulle Die Liebenden dem Aug der Welt.
Von ferne mit
verworrnem Sausen Arbeitet der geschaft'ge Tag, Und durch der Stimmen
hohles Brausen Erkenn ich schwerer Hammer Schlag. So sauer ringt die
kargen Lose Der Mensch dem harten Himmel ab, Doch leicht erworben, aus
dem Schoße Der Gotter fallt das Gluck herab.
Daß ja die Menschen
nie es horen, Wie treue Lieb uns still begluckt! Sie konnen nur die
Freude storen, Weil Freude nie sie selbst entzuckt. Die Welt wird nie
das Gluck erlauben, Als Beute wird es nur gehascht, Entwenden mußt
du's oder rauben, Eh dich die Mißgunst uberrascht.
Leis auf den
Zehen kommt's geschlichen, Die Stille liebt es und die Nacht, Mit
schnellen Fußen ist's entwichen, Wo des Verraters Auge wacht. O
schlinge dich, du sanfte Quelle, Ein breiter Strom um uns herum, Und
drohend mit emporter Welle Verteidige dies Heiligtum!
Das
Gluck der Weisheit
Entzweit mit einem Favoriten, Flog einst
Fortun der Weisheit zu: "Ich will dir meine Schatze bieten, Sei meine
Freundin du!
Mit meinen reichsten, schonsten Gaben Beschenkt ich
ihn so mutterlich, Und sieh, er will noch immer haben Und nennt noch
geizig mich.
Komm, Schwester, laß uns Freundschaft schließen, Du
marterst dich an deinem Pflug; In deinen Schoß will ich sie
gießen, Hier ist fur dich und mich genug."
Sophia lachelt diesen
Worten Und wischt den Schweiß vom Angesicht: Dort eilt dein Freund,
sich zu ermorden, Versohnet euch!--ich brauch dich
nicht."
Das Lied von der Glocke
Vivos
voco. Mortuos plango. Fulgura frango.
Fest gemauert in der
Erden Steht die Form, aus Lehm gebrannt. Heute muß die Glocke
werden, Frisch, Gesellen! seid zur Hand. Von der Stirne
heiß Rinnen muß der Schweiß, Soll das Werk den Meister
loben, Doch der Segen kommt von oben. Zum Werke, das wir ernst
bereiten, Geziemt sich wohl ein ernstes Wort; Wenn gute Reden sie
begleiten, Dann fließt die Arbeit munter fort. So laßt uns jetzt mit
Fleiß betrachten, Was durch die schwache Kraft entspringt, Den
schlechten Mann muß man verachten, Der nie bedacht, was er
vollbringt. Das ists ja, was den Menschen zieret Und dazu ward ihm der
Verstand, Daß er im innern Herzen spuret, Was er erschafft mit seiner
Hand.
Nehmet Holz vom Fichtenstamme, Doch recht trocken laßt es
sein, Daß die eingepreßte Flamme Schlage zu dem Schwalch
hinein. Kocht des Kupfers Brei, Schnell das Zinn herbei, Daß die
zahe Glockenspeise Fließe nach der rechten Weise.
Was in des
Dammes tiefer Grube Die Hand mit Feuers Hilfe baut, Hoch auf des
Turmes Glockenstube Da wird es von uns zeugen laut. Noch dauern wirds
in spaten Tagen Und ruhren vieler Menschen Ohr, Und wird mit dem
Betrubten klagen, Und stimmen zu der Andacht Chor. Was unten tief dem
Erdensohne Das wechselnde Verhangnis bringt, Das schlagt an die
metallne Krone, Die es erbaulich weiter klingt.
Weiße Blasen seh
ich springen, Wohl! die Massen sind im Fluß. Laßt's mit Aschensalz
durchdringen, Das befordert schnell den Guß. Auch von Schaume
rein Muß die Mischung sein, Daß vom reinlichen Metalle Rein und
voll die Stimme schalle.
Denn mit der Freude Feierklange Begrußt
sie das geliebte Kind Auf seines Lebens erstem Gange, Den es in
Schlafes Arm beginnt; Ihm ruhen noch im Zeitenschoße Die schwarzen und
die heitern Lose, Der Mutterliebe zarte Sorgen Bewachen seinen goldnen
Morgen-- Die Jahre fliehen pfeilgeschwind. Vom Madchen reißt sich
stolz der Knabe, Er sturmt ins Leben wild hinaus, Durchmißt die Welt
am Wanderstabe, Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus, Und herrlich, in
der Jugend Prangen, Wie ein Gebild aus Himmels Hohn, Mit zuchtigen,
verschamten Wangen Sieht er die Jungfrau vor sich stehn. Da faßt ein
namenloses Sehnen Des Junglings Herz, er irrt allein, Aus seinen Augen
brechen Tranen, Er flieht der Bruder wilden Reihn. Errotend folgt er
ihren Spuren, Und ist von ihrem Gruß begluckt; Das Schonste sucht er
auf den Fluren, Womit er seine Liebe schmuckt. O! zarte Sehnsucht,
sußes Hoffen, Der ersten Liebe goldne Zeit, Das Auge sieht den Himmel
offen, Es schwelgt das Herz in Seligkeit, O! daß sie ewig grunen
bliebe, Die schone Zeit der jungen Liebe!
Wie sich schon die
Pfeifen braunen! Dieses Stabchen tauch ich ein, Sehn wir's uberglast
erscheinen Wirds zum Gusse zeitig sein. Jetzt, Gesellen,
frisch! Pruft mir das Gemisch, Ob das Sprode mit dem Weichen Sich
vereint zum guten Zeichen.
Denn wo das Strenge mit dem Zarten, Wo
Starkes sich und Mildes paarten, Da gibt es einen guten Klang. Drum
prufe, wer sich ewig bindet, Ob sich das Herz zum Herzen findet! Der
Wahn ist kurz, die Reu ist lang. Lieblich in der Braute Locken Spielt
der jungfrauliche Kranz, Wenn die hellen Kirchenglocken Laden zu des
Festes Glanz. Ach! des Lebens schonste Feier Endigt auch den
Lebensmai, Mit dem Gurtel, mit dem Schleier Reißt der schone Wahn
entzwei. Die Leidenschaft flieht, Die Liebe muß bleiben, Die
Blume verbluht, Die Frucht muß treiben. Der Mann muß hinaus Ins
feindliche Leben, Muß wirken und streben Und pflanzen und
schaffen, Erlisten, erraffen, Muß wetten und wagen Das Gluck zu
erjagen. Da stromet herbei die unendliche Gabe, Es fullt sich der
Speicher mit kostlicher Habe, Die Raume wachsen, es dehnt sich das
Haus. Und drinnen waltet Die zuchtige Hausfrau, Die Mutter der
Kinder, Und herrschet weise Im hauslichen Kreise, Und lehret die
Madchen, Und wehret den Knaben, Und reget ohn Ende Die fleißigen
Hande, Und mehrt den Gewinn Mit ordnendem Sinn. Und fullet mit
Schatzen die duftenden Laden, Und dreht um die schnurrende Spindel den
Faden, Und sammelt im reinlich geglatteten Schrein Die schimmernde
Wolle, den schneeigten Lein, Und fuget zum Guten den Glanz und den
Schimmer, Und ruhet nimmer. Und der Vater mit frohem Blick Von
des Hauses weitschauendem Giebel Uberzahlet sein bluhend Gluck, Siehet
der Pfosten ragende Baume, Und der Scheunen gefullte Raume Und die
Speicher, vom Segen gebogen, Und des Kornes bewegte Wogen, Ruhmt sich
mit stolzem Mund: Fest wie der Erde Grund Gegen des Unglucks
Macht Steht mfr des Hauses Pracht!-- Doch mit des Geschickes
Machten Ist kein ew'ger Bund zu flechten, Und das Ungluck schreitet
schnell.
Wohl! Nun kann der Guß beginnen, Schon gezacket ist der
Bruch. Doch, bevor wir's lassen rinnen, Betet einen frommen
Spruch! Stoßt den Zapfen aus! Gott bewahr das Haus. Raudlend in
des Henkels Bogen Schießts mit feuerbraunen Wogen.
Wohltatig ist
des Feuers Macht, Wenn sie der Mensch bezahmt, bewacht, Und was er
bildet, was er schafft, Das dankt er dieser; Doch furchtbar wird die
Himmelskraft, Wenn sie der Fessel sich entrafft, Einhertritt auf der
eignen Spur Die freie Tochter der Natur. Wehe, wenn sie
losgelassen Wachsend ohne Widerstand Durch die volkbelebten
Gassen Walzt den ungeheuren Brand! Denn die Elemente hassen Das
Gebild der Menschenhand. Aus der Wolke Quillt der Segen, Stromt
der Regen, Aus der Wolke, ohne Wahl, Zuckt der Strahl! Hort ihr's
wimmern hoch vom Turm! Das ist Sturm! Rot wie Blut Ist der
Himmel, Das ist nicht des Tages Glut! Welch Getummel Straßen
auf! Dampf wallt auf! Flackernd steigt die Feuersaule, Durch der
Straßen lange Zeile Wachst es fort mit Windeseile, Kochend wie aus
Ofens Rachen Gluhn die Lufte, Balken krachen, Pfosten sturzen, Fenster
klirren, Kinder jammern, Mutter irren, Tiere wimmern Unter
Trummern, Alles rennet, rettet, fluchtet, Taghell ist die Nacht
gelichtet, Durch der Hande lange Kette Um die Wette Fliegt der
Eimer, hoch im Bogen Sprutzen Quellen, Wasserwogen. Heulend kommt der
Sturm geflogen, Der die Flamme brausend sucht, Prasselnd in die durre
Frucht Fallt sie, in des Speichers Raume, In der Sparren durre
Baume, Und als wollte sie im Wehen Mit sich fort der Erde
Wucht Reißen, in gewaltger Flucht, Wachst sie in des Himmels
Hohen Riesengroß! Hoffnungslos Weicht der Mensch der
Gotterstarke, Mußig sieht er seine Werke Und bewundernd
untergehn. Leergebrannt Ist die Statte, Wilder Sturme rauhes
Bette, In den oden Fensterhohlen Wohnt das Grauen, Und des
Himmels Wolken schauen Hoch hinein. Einen Blick Nach dem
Grabe Seiner Habe Sendet noch der Mensch zuruck-- Greift frohlich
dann zum Wanderstabe, Was Feuers Wut ihm auch geraubt, Ein sußer Trost
ist ihm geblieben, Er zahlt die Haupter seiner Lieben Und sieh! ihm
fehlt kein teures Haupt.
In die Erd ist's aufgenommen, Glucklich
ist die Form gefullt, Wirds auch schon zu Tage kommen, Daß es Fleiß
und Kunst vergilt? Wenn der Guß mißlang? Wenn die Form
zersprang? Ach, vielleicht indem wir hoffen Hat uns Unheil schon
getroffen.
Dem dunkeln Schoß der heilgen Erde Vertrauen wir der
Hande Tat, Vertraut der Samann seine Saat Und hofft, daß sie entkeimen
werde Zum Segen, nach des Himmels Rat. Noch kostlicheren Samen
bergen Wir traurend in der Erde Schoß, Und hoffen, daß er aus den
Sargen Erbluhen soll zu schonerm Los. Von dem Dome Schwer und
bang Tont die Glocke Grabgesang. Ernst begleiten ihre
Trauerschlage Einen Wandrer auf dem letzten Wege. Ach! die Gattin
ists, die teure, Ach! es ist die treue Mutter, Die der schwarze Furst
der Schatten Wegfuhrt aus dem Arm des Gatten, Aus der zarten Kinder
Schar, Die si.e bluhend ihm gebar, Die sie an der treuen
Brust Wachsen sah mit Mutterlust-- Ach! des Hauses zarte
Bande Sind gelost auf immerdar, Denn sie wohnt im
Scha.ttenlande, Die des Hauses Mutter war, Denn es fehlt ihr treues
Walten, Ihre Sorge wacht nicht mehr, An verwaister Statte
schalten Wird die Fremde, liebeleer.
Bis die Glocke sich
verkuhlet Laßt die strenge Arbeit ruhn, Wie im Laub der Vogel
spielet Mag sich jeder gutlich tun. Winkt der Sterne Licht, Ledig
aller Pflicht Hort der Bursch die Vesper schlagen, Meister muß sich
immer plagen.
Munter fordert seine Schritte Fern im wilden Forst
der Wandrer Nach der lieben Heimathutte. Blockend ziehen heim die
Schafe, Und der Rinder Breitgestirnte glatte Scharen Kommen
brullend, Die gewohnten Stalle fullend. Schwer herein Schwankt
der Wagen, Kornbeladen, Bunt von Farben Auf den Garben Liegt
der Kranz, Und das junge Volk der Schnitter Fliegt zum
Tanz. Markt und Straße werden stiller, Um des Lichts gesellge
Flamme Sammeln sich die Hausbewohner, Und das Stadttor schließt sich
knarrend. Schwarz bedecket Sich die Erde, Doch den sichern Burger
schrecket Nicht die Nacht, Die den Bosen graßlich wecket, Denn
das Auge des Gesetzes wacht. Heilge Ordnung,
segenreiche Himmelstochter, die das Gleiche Frei und leicht und
freudig bindet, Die der Stadte Bau gegrundet, Die herein von den
Gefilden Rief den ungesellgen Wilden, Eintrat in der Menschen
Hutten, Sie gewohnt' zu sanften Sitten Und das teuerste der
Bande Wob, den Trieb zum Vaterlande!
Tausend fleißge Hande
regen, Helfen sich in munterm Bund Und in feurigem Bewegen Werden
alle Krafte kund. Meister ruhrt sich und Geselle In der Freiheit
heilgem Schutz. Jeder freut sich seiner Stelle, Bietet dem Verachter
Trutz. Arbeit ist des Burgers Zierde, Segen ist der Muhe
Preis, Ehrt den Konig seine Wurde, Ehret uns der Hande
Fleiß.
Holder Friede, Suße Eintracht, Weilet,
weilet Freundlich uber dieser Stadt! Moge nie der Tag
erscheinen, Wo des rauhen Krieges Horden Dieses stille Tal
durchtoben, Wo der Himmel, Den des Abends sanfte Rote Lieblich
malt, Von der Dorfer, von der Stadte Wildem Brande schrecklich
strahlt!
Nun zerbrecht mir das Gebaude, Seine Absicht hats
erfullt, Daß sich Herz und Auge weide An dem wohlgelungnen
Bild. Schwingt den Hammer, schwingt, Bis der Mantel springt, Wenn
die Glock soll auferstehen Muß die Form in Stucken gehen.
Der
Meister kann die Form zerbrechen Mit weiser Hand, zur rechten
Zeit, Doch wehe, wenn in Flammenbachen Das gluhnde Erz sich selbst
befreit! Blindwutend mit des Donners Krachen Zersprengt es das
geborstne Haus, Und wie aus offnem Hollenrachen Speit es Verderben
zundend aus; Wo rohe Krafte sinnlos walten, Da kann sich kein Gebild
gestalten, Wenn sich die Volker selbst befrein, Da kann die Wohlfahrt
nicht gedeihn.
Weh, wenn sich in dem Schoß der Stadte Der
Feuerzunder still gehauft, Das Volk, zerreißend seine Kette, Zur
Eigenhilfe schrecklich greift! Da zerret an der Glocke Strangen Der
Aufruhr, daß sie heulend schallt, Und nur geweiht zu
Friedensklangen Die Losung anstimmt zur Gewalt.
Freiheit und
Gleichheit! hort man schallen, Der ruh'ge Burger greift zur Wehr; Die
Straßen fullen sich, die Hallen, Und Wurgerbanden ziehn umher, Da
werden Weiber zu Hyanen Und treiben mit Entsetzen Scherz, Noch
zuckend, mit des Panthers Zahnen, Zerreißen sie des Feindes
Herz. Nichts Heiliges ist mehr, es losen Sich alle Bande frommer
Scheu, Der Gute raumt den Platz dem Bosen, Und alle Laster walten
frei. Gefahrlich ists den Leu zu wecken, Verderblich ist des Tigers
Zahn, Jedoch der schrecklichste der Schrecken Das ist der Mensch in
seinem Wahn. Weh denen, die dem Ewigblinden Des Lichtes Himmelsfackel
leihn! Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zunden Und aschert Stadt
und Lander ein.
Freude hat mir Gott gegeben! Sehet! wie ein
goldner Stern Aus der Hulse, blank und eben, Schalt sich der metallne
Kern. Von dem Helm zum Kranz Spielts wie Sonnenglanz, Auch des
Wappens nette Schilder Loben den erfahrnen
Bilder.
Herein! herein! Gesellen alle, schließt den
Reihen, Daß wir die Glocke taufend weihen, Concordia soll ihr Name
sein, Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine Versammle sie die liebende
Gemeine. Und dies sei fortan ihr Beruf, Wozu der Meister sie erschuf
: Hoch uberm niedern Erdenleben Soll sie in blauem
Himmelszelt Die Nachbarin des Donners schweben Und grenzen an die
Sternenwelt, Soll eine Stimme sein von oben, Wie der Gestirne helle
Schar, Die ihren Schopfer wandelnd loben Und fuhren das bekranzte
Jahr. Nur ewigen und ernsten Dingen Sei ihr metallner Mund
geweiht, Und stundlich mit den schnellen Schwingen Beruhr im Fluge sie
die Zeit, Dem Schicksal leihe sie die Zunge, Selbst herzlos, ohne
Mitgefuhl, Begleite sie mit ihrem Schwunge Des Lebens wechselvolles
Spiel. Und wie der Klang im Ohr vergehet, Der machtig tonend ihr
entschallt, So lehre sie, daß nichts bestehet, Daß alles Irdische
verhallt.
Jetzo mit der Kraft des Stranges Wiegt die Glock mir aus
der Gruft, Daß sie in das Reich des Klanges Steige, in die
Himmelsluft. Ziehet, ziehet, hebt! Sie bewegt sich,
schwebt, Freude dieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst
Gelaute.
Das Madchen aus der Fremde
In einem Tal
bei armen Hirten Erschien mit jedem jungen Jahr, Sobald die ersten
Lerchen schwirrten, Ein Madchen, schon und wunderbar.
Sie war
nicht in dem Tal geboren, Man wußte nicht, woher sie kam, Und schnell
war ihre Spur verloren, Sobald das Madchen Abschied
nahm.
Beseligend war ihre Nahe, Und alle Herzen wurden
weit, Doch eine Wurde, eine Hohe Entfernte die
Vertraulichkeit.
Sie brachte Blumen mit und Fruchte, Gereift auf
einer andern Flur, In einem andern Sonnenlichte, In einer glucklichern
Natur.
Und teilte jedem eine Gabe, Dem Fruchte, jenem Blumen
aus, Der Jungling und der Greis am Stabe, Ein jeder ging beschenkt
nach Haus.
Willkommen waren alle Gaste, Doch nahte sich ein
liebend Paar, Dem reichte sie der Gaben beste, Der Blumen
allerschonste dar.
Das Madchen von Orleans
Das
edle Bild der Menschheit zu verhohnen, Im tiefsten Staube walzte dich der
Spott; Krieg fuhrt der Witz auf ewig mit den Schonen, Er glaubt nicht
an den Engel und den Gott; Dem Herzen will er seine Schatze
rauben, Den Wahn bekriegt er und verletzt den Glauben.
Doch, wie
du selbst aus kindlichem Geschlechte, Selbst eine fromme Schaferin wie
du, Reicht dir die Dichtkunst ihre Gotterrechte, Schwingt sich mit dir
den ew'gen Sternen zu. Mit einer Glorie hat sie dich umgeben; Dich
schuf das Herz, du wirst unsterblich leben.
Es liebt die Welt, das
Strahlende zu schwarzen Und das Erhabne in den Staub zu ziehn; Doch
furchte nicht! Es gibt noch schone Herzen, Die fur das Hohe, Herrliche
entgluhn. Den lauten Markt mag Momus unterhalten, Ein edler Sinn liebt
edlere Gestalten.
Das Spiel des Lebens
Wollt ihr
in meinen Kasten sehn? Des Lebens Spiel, die Welt im kleinen, Gleich
soll sie eurem Aug erscheinen; Nur mußt ihr nicht zu nahe stehn, Ihr
mußt sie bei der Liebe Kerzen Und nur bei Amors Fackel
sehn.
Schaut her! Nie wird die Buhne leer: Dort bringen sie das
Kind getragen, Der Knabe hupft, der Jungling sturmt einher, Es kampft
der Mann, und alles will er wagen.
Ein jeglicher versucht sein
Gluck, Doch schmal nur ist die Bahn zum Rennen: Der Wagen rollt, die
Achsen brennen, Der Held dringt kuhn voran, der Schwachling bleibt
zuruck, Der Stolze fallt mit lacherlichem Falle, Der Kluge uberholt
sie alle.
Die Frauen seht ihr an den Schranken stehn, Mit holdem
Blick, mit schonen Handen Den Dank dem Sieger
auszuspenden.
Das verschleierte Bild zu Sais
Ein
Jungling, den des Wissens heißer Durst Nach Sais in Agypten trieb, der
Priester Geheime Weisheit zu erlernen, hatte Schon manchen Grad mit
schnellem Geist durcheilt, Stets riß ihn seine Forschbegierde
weiter, Und kaum besanftigte der Hierophant Den ungeduldig
Strebenden. "Was hab ich, Wenn ich nicht alles habe?" sprach der
Jungling, "Gibts etwa hier ein Weniger und Mehr? Ist deine Wahrheit
wie der Sinne Gluck Nur eine Summe, die man großer, kleiner Besitzen
kann und immer doch besitzt? Ist sie nicht eine einzge,
ungeteilte? Nimm einen Ton aus einer Harmonie, Nimm eine Farbe aus dem
Regenbogen, Und alles, was dir bleibt, ist nichts, solang Das schone
All der Tone fehlt und Farben."
Indem sie einst so sprachen, standen
sie In einer einsamen Rotonde still, Wo ein verschleiert Bild von
Riesengroße Dem Jungling in die Augen fiel. Verwundert Blickt er den
Fuhrer an und spricht: "Was ists, Das hinter diesem Schleier sich
verbirgt?" "Die Wahrheit", ist die Antwort.--"Wie?" ruft jener, "Nach
Wahrheit streb ich ja allein, und diese Gerade ist es, die man mir
verhullt?"
"Das mache mit der Gottheit aus", versetzt Der
Hierophant. "Kein Sterblicher, sagt sie, Ruckt diesen Schleier, bis ich
selbst ihn hebe. Und wer mit ungeweihter, schuldger Hand Den heiligen,
verbotnen fruher hebt, Der, spricht die Gottheit--"--"Nun?"-- "Der
sieht die Wahrheit."
"Ein seltsamer Orakelspruch! Du selbst, Du
hattest also niemals ihn gehoben?" "Ich? Wahrlich nicht! Und war auch nie
dazu Versucht."--"Das fass ich nicht. Wenn von der Wahrheit Nur diese
dunne Scheidewand mich trennte--" "Und ein Gesetz", fallt ihm sein Fuhrer
ein. "Gewichtiger, mein Sohn, als du es meinst, Ist dieser dunne
Flor--fur deine Hand Zwar leicht, doch zentnerschwer fur dein
Gewissen."
Der Jungling ging gedankenvoll nach Hause, Ihm raubt
des Wissens brennende Begier Den Schlaf, er walzt sich gluhend auf dem
Lager Und rafft sich auf um Mitternacht. Zum Tempel Fuhrt
unfreiwillig ihn der scheue Tritt. Leicht ward es ihm, die Mauer zu
ersteigen, Und mitten in das Innre der Rotonde Tragt ein beherzter
Sprung den Wagenden.
Hier steht er nun, und grauenvoll umfangt Den
Einsamen die lebenlose Stille, Die nur der Tritte hohler Widerhall In
den geheimen Gruften unterbricht Von oben durch der Kuppel Offnung
wirft Der Mond den bleichen, silberblauen Schein, Und furchtbar wie
ein gegenwartger Gott Erglanzt durch des Gewolbes Finsternisse In
ihrem langen Schleier die Gestalt.
Er tritt hinan mit ungewissem
Schritt, Schon will die freche Hand das Heilige beruhren, Da zuckt es
heiß und kuhl durch sein Gebein Und stoßt ihn weg mit unsichtbarem
Arme. Unglucklicher, was willst du tun? So ruft In seinem Innern eine
treue Stimme. Versuchen den Allheiligen willst du? Kein Sterblicher,
sprach des Orakels Mund, Ruckt diesen Schleier, bis ich selbst ihn
hebe. Doch setzte nicht derselbe Mund hinzu: Wer diesen Schleier hebt,
soll Wahrheit schauen? "Sei hinter ihm, was will! Ich heb ihn
auf." (Er rufts mit lauter Stimm.) "Ich will sie
schauen." Schauen! Gellt ihm ein langes Echo spottend
nach.
Er sprichts und hat den Schleier aufgedeckt. Nun, fragt ihr,
und was zeigte sich ihm hier? Ich weiß es nicht. Besinnungslos und
bleich, So fanden ihn am andern Tag die Priester Am Fußgestell der
Isis ausgestreckt. Was er allda gesehen und erfahren, Hat seine Zunge
nie bekannt. Auf ewig War seines Lebens Heiterkeit dahin, Ihn riß ein
tiefer Gram zum fruhen Grabe. "Weh dem", dies war sein warnungsvolles
Wort, Wenn ungestume Frager in ihn drangen, "Weh dem, der zu der
Wahrheit geht durch Schuld, Sie wird ihm nimmermehr erfreulich
sein."
Der Abend (Nach einem Gemalde)
Senke,
strahlender Gott--die Fluren dursten Nach erquickendem Tau, der Mensch
verschmachtet, Matter ziehen die Rosse-- Senke den Wagen
hinab!
Siehe, wer aus des Meers kristallner Woge Lieblich lachelnd
dir winkt! Erkennt dein Herz sie? Rascher fliegen die Rosse, Tethys,
die gottliche, winkt.
Schnell vom Wagen herab in ihre Arme Springt
der Fuhrer, den Zaum ergreift Kupido, Stille halten die Rosse, Trinken
die kuhlende Flut.
An den Himmel herauf mit leisen Schritten Kommt
die duftende Nacht; ihr folgt die suße Liebe. Ruhet und
liebet! Phobus, der liebende, ruht.
Die Antiken zu
Paris
Was der Griechen Kunst erschaffen, Mag der Franke mit
den Waffen Fuhren nach der Seine Strand, Und in prangenden
Museen Zeig er seine Siegstrophaen Dem erstaunten
Vaterland!
Ewig werden sie ihm schweigen, Nie von den Gestellen
steigen In des Lebens frischen Reihn. Der allein besitzt die
Musen, Der sie tragt im warmen Busen, Dem Vandalen sind sie
Stein.
Die schonste Erscheinung
Sahest du nie die
Schonheit im Augenblick des Leidens, Niemals hast du die Schonheit
gesehn. Sahst du die Freude nie in einem schonen Gesichte, Niemals
hast du die Freude gesehn!
Die Weltweisen
Der
Satz, durch welchen alles Ding Bestand und Form empfangen, Der Kloben,
woran Zeus den Ring Der Welt, die sonst in Scherben ging, Vorsichtig
aufgehangen, Den nenn ich einen großen Geist, Der mir ergrundet, wie
er heißt, Wenn ich ihm nicht drauf helfe-- Er heißt: Zehn ist nicht
Zwolfe.
Der Schnee macht kalt, das Feuer brennt, Der Mensch geht
auf zwei Fußen, Die Sonne scheint am Firmament, Das kann, wer auch
nicht Logik kennt, Durch seine Sinne wissen. Doch wer Metaphysik
studiert, Der weiß, daß, wer verbrennt, nicht friert, Weiß, daß das
Nasse feuchtet Und daß das Helle leuchtet.
Homerus singt sein
Hochgedicht, Der Held besteht Gefahren, Der brave Mann tut seine
Pflicht Und tat sie, ich verhehl es nicht, Eh noch Weltweise
waren; Doch hat Genie und Herz vollbracht, Was Lock' und Des Cartes
nie gedacht, Sogleich wird auch von diesen Die Moglichkeit
bewiesen.
Im Leben gilt der Starke Recht, Dem Schwachen trotzt der
Kuhne, Wer nicht gebieten kann, ist Knecht; Sonst geht es ganz
ertraglich schlecht Auf dieser Erdenbuhne. Doch wie es ware, fing der
Plan Der Welt nur erst von vorne an, Ist in
Moralsystemen Ausfuhrlich zu vernehmen.
"Der Mensch bedarf des
Menschen sehr Zu seinem großen Ziele, Nur in dem Ganzen wirket
er, Viel Tropfen geben erst das Meer, Viel Wasser treibt die
Muhle. Drum flieht der wilden Wolfe Stand Und knupft des Staates
daurend Band." So lehren vom Katheder Herr Puffendorf und
Feder.
Doch weil, was ein Professor spricht, Nicht gleich zu allen
dringet, So ubt N a t u r die Mutterpflicht Und sorgt, daß nie die
Kette bricht Und daß der Reif nie springet. Einstweilen, bis den Bau
der Welt Philosophie zusammenhalt, Erhalt s i e das
Getriebe Durch Hunger und durch
Liebe.
Epigramme
Unsterblichkeit Vor dem Tod
erschrickst du? Du wunschest unsterblich zu leben? Leb im
Ganzen! Wenn du lange dahin bist, es bleibt.
Theophanie Zeigt
sich der Gluckliche mir, ich vergesse die Gotter des Himmels; Aber sie
stehen vor mir, wenn ich den Leidenden seh.
Das Kind in der
Wiege Glucklicher Saugling! Dir ist ein unendlicher Raum noch die
Wiege, Werde Mann, und dir wird eng die unendliche Welt.
Der
beste Staat "Woran erkenn ich den besten Staat?" Woran du die beste
Frau kennst! daran, mein Freund, daß man von beiden nicht
spricht.
Das Unwandelbare "Unaufhaltsam enteilet die
Zeit." Sie sucht das Bestand'ge. Sei getreu, und du legst ewige
Fesseln ihr an.
Zeus zu Herkules Nicht aus meinem Nektar hast
du dir Gottheit getrunken; Deine Gotterkraft war's, die dir den Nektar
errang.
Forum des Weibes
Frauen, richtet mir nie
des Mannes einzelne Taten; Aber uber den Mann sprechet das richtige Wort. |
|
댓글 없음:
댓글 쓰기