2014년 12월 21일 일요일

Michelangelo Gedichte und Briefe 1

Michelangelo Gedichte und Briefe 1

Michelangelo Gedichte und Briefe
       In Auswahl herausgegeben von R. A. Guardini
: Michelangelo Buonarroti

Michelangelo hat fast nur Personlichkeitsgedichte geschrieben. Was er in
jenem Madrigal uber sein bildnerisches Schaffen aussprach,

  Mich deucht, stets bild' ich mich,
  Und meine doch _ihr_ Antlitz zu gestalten,

hatte er auch von seinem Dichten -- er mehr als irgend einer -- sagen
konnen. Mit wenig Ausnahmen erzahlen seine Verse, auch wenn er von anderen
spricht, nur von _seinem_ Empfinden, _seinem_ Kampfen, von den Werten und
Idealen, die _er_ suchte und in den geliebten Menschen verkorpert sah. Er
war, zumal in reiferem Alter, stets mit sich allein, stets ein Mensch, der
einsam mit der eigenen Seele zu ringen, sein edleres Selbst gegen
Leidenschaften zu behaupten hatte, deren Wucht seine Schopfungen ahnen
lassen; und so liessen ihn die Spannungen in seinem Innern nicht zur Ruhe
dessen kommen, der ein Geschautes schildert.

Er wusste in seinen Dichtungen fast nur unmittelbar von sich zu sprechen
oder sehnsuchtig die Menschen anzuschauen, anzurufen, in denen er den
Frieden und die Schonheit zu sehen glaubte. Und es will scheinen, als sei
es ihm auch in seiner Liebe nicht gelungen, sich wirklich an den Anderen zu
verlieren, wirklich diesen, wie er war, zu sehen, als habe er auch in ihr
den Genossen eigentlich nicht gefunden. Selbst in den Gedichten an
Vittoria, von der er doch am ehesten hoffen durfte, sie gehe mit ihm den
gleichen Weg, konnten Gedanken wie diese auftauchen:

  Sage mir, Liebe, ob ich die heissersehnte
  Schonheit wirklich hier sehe, oder ob drinnen
  In meiner Seele sie lebt, und ich der Herrin
  Antlitz anschauend verklare?

Es ist wie eine Ahnung, dass er auch in den geliebten Menschen nur
Schonheiten sehe, die _er_ ihnen erst verliehen, dass er nur von den
Bildern seiner eigenen Vollkommenheitssehnsucht spreche, wenn er ihre
Hoheit verehre.

Michelangelos eigene ringende Seele, mehr enthalten seine Dichtungen nicht.

Dieser Gedanke liegt der Anordnung zugrunde. Sie fasst die Gedichte
zusammen, denen in der Seele ihres Schopfers gleiche Voraussetzungen
entsprechen, Grundkrafte, Anlagen seines Wesens, Ziele, die er erstrebte,
Werte, die er bejahte und in denen er sein letztes Genugen fand. Die
Ordnung dieser Gruppen untereinander versucht von der Wertung auszugehen,
die Michelangelo selbst an ihrem Inhalt vollzogen hat, indem sie ihn an dem
Bilde des Menschen misst, den er in sich zu verwirklichen strebte.

Ist dies gelungen, dann bilden die Gedichte eine Reihe, die von relativ
Ausserlichem ausgehend immer mehr zu dem vordringt, was Michelangelo als
sein Wertvollstes und Eigenstes beurteilte.

Dass bei diesem Versuch die Gefahr der Subjektivitat nahe sei, habe ich mir
nicht verhehlt; aber hier schien die beste Moglichkeit zu liegen, aus einer
blossen Aneinanderreihung ein innerlich verbundenes Ganzes zu machen.

Die Briefe sind chronologisch geordnet. Aus der grossen Zahl mussten sehr
wenige ausgewahlt werden. Es sind besonders solche, in denen das
eigenartige Verhaltnis des Meisters zur Familie, sein stetes Sorgen und
bereitwilliges Helfen, dann auch seine Stellung zu Freunden und
Auftraggebern zum Ausdruck kommt.

Als Anhang sind die wenigen erhaltenen Briefe Vittorias an ihn beigefugt.

Die Ubersetzungen der Gedichte sind teils schon vorliegende altere, deren
Wiederdruck von den Herren Verlegern in liebenswurdiger Weise gestattet
wurde, teils Neuubertragungen von _Bettina Jacobson_.[1] Die Briefe wurden
vom Herausgeber samtlich neu ubersetzt. Der Auswahl gehen einige Kapitel
aus Ascanio Condivis "Leben Michelangelos" voraus, die etwa zehn Jahre vor
seinem Tode unter seinen Augen entstand: eine einfache Fassung, der sich
"die geschnittenen Steine" der Dichtungen vielleicht zu klarerem Schimmer
einfugen.

Die wiedergegebenen alteren Ubertragungen stammen aus:

Michelangelos Gedichte, ubersetzt von Sophie Hasenclever, Leipzig, Durr
1875.

Ubersetzungen von Hermann Grimm in: Grimm, Leben Michelangelos, Berlin,
Spemann.

Ubersetzungen von Bodenstedt in: Nord und Sud. Bd. 34.

Ubersetzungen von Karl Witte in: Romanische Studien 1871.

Ubersetzungen von Hans Grasberger in: Le Rime di Michelangelo 1872.

                                                         _R. A. Guardini._


"Michelangelo beschrankte sich in seiner Jugend nicht auf Skulptur und
Malerei, sondern er widmete sich auch allen verwandten und ahnlichen
Kunsten; und das tat er mit solchem Eifer, dass er sich fur einige Zeit
fast vollig der Gemeinschaft der Menschen entzog und nur mit ganz wenigen
Umgang pflegte. Dies brachte ihn in den Ruf eines hochmutigen oder
seltsamen und phantastischen Menschen, und doch waren beide Fehler ihm
gleich fremd. Es war die Liebe zur Tuchtigkeit und die treue Hingabe an die
edlen Kunste, die ihn -- wie es vielen ausgezeichneten Mannern geschah --
einsam machten und ihn nur in deren Dienste Genuge und Ergotzung finden
liessen. Darum war ihm die Geselligkeit keine Freude, ja verhasst, denn sie
storte ihn in seiner Gedankenarbeit; war er doch, wie jener grosse Scipio
zu sagen pflegte, nie weniger allein, als wenn er allein war.

Doch suchte er gerne die Freundschaft derer, die ihm in tuchtigen und
weisen Gesprachen irgendwelche nutzliche Frucht boten, oder in deren Seele
ein Strahl des Aussergewohnlichen aufblitzte ... Eine besondere und grosse
Liebe verband ihn mit der Marchesana von Pescara, deren hoher Geist ihn
gefangen hielt, und die ihm mit ausserordentlicher Liebe vergalt. Von ihr
bewahrt er noch viele Briefe, voll von reiner und susser Liebe, wie sie aus
so edlem Herzen kommen mussten, und er hat an sie viele gar kunstvolle
Sonette gerichtet, in denen eine innige Sehnsucht lebt. Sie verliess oft
Viterbo oder andere Orte, wohin sie sich zur geistigen Sammlung oder zum
Sommeraufenthalt zuruckgezogen hatte, und kam nach Rom, einzig um
Michelangelo zu sehen; und er trug zu ihr solche Liebe, dass ich ihn einst
sagen horte, er habe nur den Schmerz, dass er sie nicht, als sie aus diesem
Leben schied, auf die Stirn oder den Mund kusste, wie er ihre Hand gekusst
hatte. Und der Gedanke an ihren Tod liess ihn oft im Schmerz gleichsam
erstarren.

Wie er die Gesprache mit gelehrten Menschen sehr liebte, so fand er auch
Ergotzen am Lesen der Schriftsteller, ob sie nun in Prosa oder in Versen
schrieben, und besonders tragt er Verehrung fur Dante, dessen wunderbares
Genie ihn anzieht, und dessen Werke er fast ganz in treuem Gedachtnis
bewahrt. Den Petrarca schatzt er vielleicht fast eben so hoch. Doch
begnugte er sich nicht damit, sie zu lesen, sondern fand auch seine Lust
daran, selbst zu dichten, und manche seiner Sonette legen fur die grosse
Kraft seiner Erfindung und seinen reinen Geschmack gutes Zeugnis ab ...
Aber all dies trieb er nur zu seinem Ergotzen und masste sich keinerlei
Sachkenntnis darin an, setzte sich selbst vielmehr stets herab und betonte
seine Unerfahrenheit in solcherlei Kunsten.

Mit gleichem Eifer und gleicher Aufmerksamkeit las er die heiligen
Schriften des Alten und Neuen Testaments und suchte mit stetem Bemuhen in
ihren Sinn einzudringen. Gleicherweise studierte er die Werke Savonarolas,
zu dem er stets grosse Zuneigung hatte, und noch bewahrt er im Gedachtnis
den lebendigen Klang seiner Stimme.

Auch liebt er die Schonheit des Korpers, ist er doch am tiefsten mit ihrem
Wesen vertraut. Ja er liebt sie so sehr, dass sinnliche Menschen, die nur
in unlauterer und unehrenhafter Weise die Schonheit zu lieben vermogen,
Schlimmes von ihm dachten und sagten. Und doch wurde Alcibiades, der
uberaus schone Jungling, von Sokrates mit der keuschesten Liebe umfasst und
er pflegte zu sagen, so oft er an dessen Seite geruht habe, sei er nie
anders als wie ein Sohn von der Seite des Vaters aufgestanden. Ich habe oft
Michelangelo uber die Liebe reden und sich unterhalten horen, habe aber
stets, auch von den ubrigen, die dabei waren, vernommen, dass er nicht
anders uber die Liebe spreche, als wie bei Plato geschrieben steht. Ich
weiss ja nun nicht, was Plato uber diesen Gegenstand sagt; das aber weiss
ich gewiss, dass ich lange seinen vertrauten Umgang genoss und aus seinem
Munde stets nur Worte von strengster Lauterkeit vernahm, die in jedem
Jungling alle ungeordneten und zugellosen Wunsche niedergezwungen und
ausgerottet hatten. Und dass sein Geist hassliche Gedanken nicht duldete,
kann man auch daraus erkennen, dass er stets nicht nur die
Menschenschonheit liebte, sondern alles Schone, ein schones Pferd und einen
schonen Hund, die Schonheit einer Landschaft, eines Berges, eines Waldes,
jede schone Gegend und jegliches schone und in seiner Art seltne Ding mit
tiefer und wunderbarer Verehrung anschaute. So entnahm er uberall der Natur
das Schone, wie die Bienen aus den Bluten den Honig sammeln, und legte es
in seinen Werken nieder. Das haben aber alle die getan, die sich in der
Kunst eines grosseren Rufes erfreuten. Jener Meister des Altertums begnugte
sich, um die Venus zu bilden, nicht damit, nur _eine_ Jungfrau zu sehen,
sondern er wollte viele anschauen. Und indem er so von jeder das Schonste
und Vollendetste nahm, schuf er daraus die Gottin. Und so viel steht fest:
wer sich einbildet, er werde auf anderem, als auf diesem Wege, der allein
zur rechten Anschauung fuhrt, Grosses in der Kunst leisten, der tauscht
sich in verhangnisvoller Weise.

In seinem ganzen Leben beobachtete Michelangelo eine grosse Massigkeit und
bediente sich, zumal wenn er arbeitete, mehr aus Notdurft als zum Genusse
der Speise. Meist begnugte er sich dann mit einem Stuck Brot, das er ass,
ohne die Arbeit zu unterbrechen ... Oft horte ich ihn sagen: "Ascanio, wenn
ich auch noch so reich war, stets habe ich arm gelebt." Und wie er nie viel
ass, so schlief er auch wenig; pflegte er doch selbst zu sagen, der
Schlummer habe ihm nie gut getan, habe ihm vielmehr fast immer, wenn er
langer geschlafen habe, Kopfschmerzen verursacht. Als er noch von
kraftigerer Gesundheit war, schlief er ofter in Kleidern und Stiefeln --
dieser bediente er sich, weil er stets am Krampf litt und noch aus anderen
Grunden -- und manchmal liessen sie sich so schwer ausziehen, dass mit den
Stiefeln auch die Haut mitging, so wie es bei der Schlange geschieht, wenn
sie sich hautet.

Nie geizte er nach Geld, noch strebte er danach, Reichtumer aufzuhaufen;
vielmehr war er zufrieden, wenn er genug besass, um ruhig leben zu
konnen ... Viele seiner Werke hat er verschenkt und hatte doch durch ihren
Verkauf unermessliche Summen losen konnen ... Er war aber nicht nur mit
seinen Werken freigebig, sondern hat auch oft einem armen, doch tuchtigen
jungen Menschen, der sich den Kunsten oder der Wissenschaft widmete, mit
seiner Borse geholfen; ich kann das bezeugen, denn mir selbst ist so von
ihm geschehen. Nie war er neidisch auf die Erfolge anderer in seiner Kunst,
und das mehr aus naturlicher Herzensgute, als weil er von sich selbst eine
hohe Meinung hatte. Er lobte das Gute in allen, selbst in Raffael von
Urbino, mit dem er doch, wie ich oben schrieb, im Felde der Malerei manchen
Kampf ausgefochten hat. Nur horte ich ihn sagen, Raffael habe seine Kunst
nicht von der Natur erhalten, sondern sie sich durch langes Studium
erworben ...

Er besitzt ein ausserordentlich treues Gedachtnis, so dass er, der doch,
wie man sehen kann, Tausende von Gestalten gemalt hat, nie auch nur zwei
bildete, die sich ahnlich gesehen, oder die gleiche Haltung eingenommen
hatten. Ich horte ihn sagen, dass er keine Linie ziehe, ohne zu wissen, ob
er sie bereits einmal gezogen habe; und wenn dies geschehen ist, lasst er
sie nie stehen, falls das Werk fur die Offentlichkeit bestimmt ist. Auch
besitzt er eine ungeheure Kraft gestaltender Phantasie, und daher kommt es
vor allem, dass er stets so unzufrieden mit seinen Werken ist, und sie
stets herabsetzt, denn noch nie schien es ihm, als sei es seiner Hand
gelungen, das Bild zu formen, wie es in seinem Innern aufstieg. Und aus den
gleichen Grunden ist er schuchtern, wie es die sind, die sich in Musse
einem beschauenden Leben hingeben. Nur wenn ihm oder anderen Unrecht
zugefugt wird, oder man seine Rechte verletzt, flammt er in gerechtem Zorne
auf. Dann aber ist die Wucht seiner Abwehr grosser, als bei denen, die man
fur mutig halt ..."

                                    Ascanio Condivi, Leben Michelangelos,
                                                               Kap. 62-68.

       *       *       *       *       *





DICHTUNGEN.

AN FLORENZ.


  Nur dich erfreut mein Gram! Sieh, welch Erbarmen
  Die holden Frau'n bewegt, dass Qual und Sterben
  Zu suss du noch erachtest fur mich Armen.

  Wo ist nun Mitleid? Wen zum Schutzer werben
  Vor Weibes Grimm, wenn Manner sich vernichten,
  In Hass und Kampf sich sturzen ins Verderben?

  Du, Amor, sollst wie immer heut auch richten!
  Und reiche nur den Bogen ihren Handen;
  Bin schuldig ich, dann mag sie mich vernichten.

  Der, welcher schmachtet zwischen Kerkerwanden,
  Der, den zum Tod man schleift in wilder Hetze,
  An welch ein Tribunal soll der sich wenden?

  Was nutzen ihm und mir Recht und Gesetze?
  Doch sag', warum lehrt dich mein Lieben hassen?
  Wer fasst es, dass dich Fleh'n in Wut versetze?

  Dem Schatten gleicht dein Reiz, in dem erblassen
  Die dir sich nah'n; das Herz, das liebewarme,
  Muss schauernd sein Verderben hier umfassen.

  Ihr stolzen, stets zum Mord bereiten Arme,
  Ihr Augen, spottend der im Netz Verstrickten,
  Ihr Hande, hohnisch deutend auf uns Arme,

  Ihr Gaben all, verliehen der Begluckten
  Zu hohem Ruhm, nicht schuf euch Gottes Wille,
  Um Tod und Schmach zu bringen uns Entzuckten!

  Ihr sollt im Spiegel eurer Schonheitsfulle
  Den Glanz uns ahnen lassen jener Spharen,
  Die noch uns birgt des Staubes Schleierhulle.

  Die ird'sche Schonheit soll uns glauben lehren
  An ew'ge Schonheit, gottliche Vollendung;
  Und du lebst nur zu toten, zu verheeren!

  Ein Himmelsbote, spottend seiner Sendung,
  Verdient den Untergang noch mehr als jene,
  Die ihm gefolgt in menschlicher Verblendung.

  Die Liebe zeigt dein Ende mir, du Schone,
  Dass meine Warnung deinen Stolz vernichtet
  Und dir ins Auge lockt die Reuetrane.

  O fuhle doch der Welt dich auch verpflichtet,
  Fur die so schon geschaffen du; gefallen
  Lass dir die Lieder, dir zum Ruhm gedichtet.

  Die Tugend nutzt sich selbst nicht nur, nein allen,
  Dem Himmel gleich, der Licht am meisten spendet,
  Wo sich am dunkelsten die Schatten ballen,

  Du aber hast dich geizig abgewendet;
  Wir sterben, du bleibst ungestraft auf Erden;
  Nun seht ihr, dass nicht hier das Dasein endet,

  Und dass Gerechtigkeit geubt muss werden
  In andern Welten. Weh, dass treue Dienste
  Man lohnt durch Qual und todliche Gefahrden!
  ----

1.                             Sophie Hasenclever.




AUF DIE "NACHT" DES BUONARROTI VON GIOVANNI STROZZI.


  "Die Nacht, die wir in tiefem Schlummer sehen,
  Ein Engel schuf sie hier aus diesem Stein,
  Und weil sie schlaft, muss sie lebendig sein,
  Geh, wecke sie, sie wird dir Rede stehen."




  ENTGEGNUNG MICHELANGELOS.


  "Schlaf ist mein Gluck; so lange Schmach und Kummer
  Auf Erden dauern, besser Stein zu bleiben,
  Nicht sehn, nicht horen bei so schnodem Treiben.
  Sprich leise drum und stor' nicht meinen Schlummer."

2.                             Sophie Hasenclever.




FLORENZ UND DIE VERBANNTEN.


  "Fur tausend Liebende bist du geboren
  In Engelsschonheit! Schlaft der Himmel heute,
  Dass du des einen Beute,
  Du allen einst geschenkt und nun verloren?
  Sind wir, ach fern geboren,
  Nicht ganz verschmaht, so lass fur uns auch tagen,
  Fur uns Verbannte deiner Augen Sonnen!"
  "Wohlan, nicht sinke euer Mut, ihr Toren,
  Denn nicht den grossen Raub lasst grosses Zagen
  Geniessen den, der mich zum Schein gewonnen;
  Und seht, ist nicht inmitten aller Wonnen
  Unfahig zum Genusse sein, viel schlimmer,
  Als dulden bei der Hoffnung fernstem Schimmer?"

3.                             Sophie Hasenclever.




AN JULIUS II.


  Herr, hatte je ein altes Sprichwort Wert,
  So hat es dies: Wer kann, der will noch nicht.
  Auf hohle Reden legtest du Gewicht
  Und hast mit Gunst der Wahrheit Feind geehrt.

  Stets hab' ich mich in deinem Dienst bewahrt,
  Dein, wie der Sonne ihrer Strahlen Licht;
  Doch, wenn ich Zeit verloren, ruhrt's dich nicht,
  Und schaltest mehr, je mehr ich muhbeschwert.

  Mein Hoffen hatt' ich ganz auf dich gestellt,
  Nur war ein gutes Schwert und rechte Wage
  Mehr angebracht als hohles Echowort.

  Doch wahrer Tugend wert halt diese Welt
  Der Himmel nicht, will er, dass Fruchte trage
  Ein hohler Baum fur uns, der schon verdorrt.

4.                               Bettina Jacobson.




AN GIOVANNI DI PISTOJA.


  Schon wuchs ein Kropf mir bei den Qualerei'n,
  Wie's Katzen in der Lombardei geschieht
  Vom Wasser, (oder wie man's sonst wo sieht),
  Denn in den Bauch druckt schon das Kinn sich ein.

  Der Bart starrt aufwarts, der Gedachtnisschrein
  Liegt im Genick; wie bei Harpyien flieht
  Die Brust, und ubers Antlitz tropfelnd zieht
  Der Pinsel Mosaiken reich und fein.

  Die Lenden sind mir in den Wanst gespannt,
  Dagegen ward mein Hinterteil zur Kruppe;
  Unsichern Schritts, ein Blinder, wanke ich.

  Vorn nimmt die Haut in Falten uberhand,
  Und hinten spannt sie uber harter Kuppe,
  Denn wie ein Syrerbogen krumm' ich mich.

  So geht auch wunderlich
  Und falsch das Urteil aus dem Hirn hervor,
  Denn schlecht nur fahrt ein Schuss aus schiefem Rohr.

  Such' nun, o Freund, hervor,
  Was noch fur meine toten Bilder spricht!
  Schlecht ist mein Platz, zum Malen taug' ich nicht!

5.                               Bettina Jacobson.




SPOTTGEDICHT.


  So suss wie Mus ist dein Gesicht, o Schone,
  So glatt, als war' ein Schnecklein drauf spaziert,
  Wie Ruben zart; es gleichen deine Zahne
  Den Pastinaken, und dein Auge stiert
  So wie die Theriakpflanze grun; ich wahne,
  Durch solchen Glanz wird selbst ein Papst verfuhrt.
  Wie Zwiebeln weiss und blond sind deine Haare!
  Erbarm' dich schnell, sonst lieg' ich auf der Bahre!

6.                             Sophie Hasenclever.





  So rasch, so kuhn, mit Lug und Trug im Bunde
  Ist meine Freundin, dass sie Huld versprochen
  Im Augenblick, da sie mein Herz durchstochen,
  Und schon das Eisen steckte in der Wunde.
  Ach, zu derselben Stunde
  Durchwarmt mich Leben, da mich Tod durchschauert!
  Die bange Seele trauert,
  Denn wenn dies Schwanken dauert,
  Besiegt der Tod das Leben. Mehr vernichtet
  Das Bose, als das Gute heilt und schlichtet.

7.                             Sophie Hasenclever.





  Genoss' ich mindre Gnade,
  Dann reichte wohl zum Leben meine Kraft,
  Nun aber ist erschlafft
  Durch Zahren, die in Doppelbachen fliessen,
  Mein Herz und krank vom Tranenbade.
  So muss das hohe Gluck die Schwache bussen!
  Kein Weiser will geniessen,
  Wozu die Kraft ihm fehlet,
  Denn Wonne ohne Mass erdruckt hienieden.
  Ein stilles Gluck wird spriessen,
  Vom Friedenshauch beseelet,
  Dem Herzen, das in Demut sich beschieden.
  Nicht bringt, was andern ziemt, auch mir den Frieden;
  Giebst dem, der nur um kleinen Lohn gebeten,
  Das Hochste du, so wird das Gluck ihn toten.

8.                             Sophie Hasenclever.





  Wenn sich die Schmerzen, die mein Antlitz truben,
  Dir, teure Herrin, zeigen,
  So scheinen sie zu steigen
  In gleichem Mass, wie in dem deinen, lieben,
  Das frei von Gram geblieben,
  Die Reize sich erhoh'n; durch meine Leiden
  Will Amor dich Geliebte noch verschonen;
  Da Ruhm dir bringt solch Lieben,
  So duld' ich denn mit Freuden.
  Macht schon mein Gram dich schon, wie erst mein Sterben!

  Und doch, wenn meine Tranen,
  Die Glanz und Reiz erhoh'n in deinen Zugen,
  Einst durch den Tod versiegen,
  So bringt mein Tod statt Ehre dir Verderben.
  Nun will ich nicht mehr sterben,
  Nein, dulden will ich gern in deiner Nahe,
  Denn suss ist Gram, der solche Schonheit nahret;
  Wem sie zu schau'n bescheret,
  Der tragt ja leicht zugleich ein grosses Wehe.

9.                             Sophie Hasenclever.





  Der goldne Kranz, sieh, wie er voll Entzucken
  Das blonde Haar mit Bluten rings umfangt,
  Es darf die Blume, die am tiefsten hangt,
  Den ersten Kuss auf deine Stirne drucken.

  Wie freudig das Gewand den langen Tag
  Sich um die Schultern schliesst und wieder weitet
  Am Hals, zu dem das Haar herniedergleitet,
  Das dir die Wangen gern beruhren mag.

  Sieh aber hier, wie mit verschrankten Schnuren
  Nachgiebig und doch eng das seidne Band
  Begluckt ist, deinen Busen zu beruhren.

  Der Gurtel spricht: Lass mich die Lust geniessen,
  Dass ewig meine Haft dich so umspannt --
  Wie wurden da erst Arme dich umschliessen!

10.                                 Hermann Grimm.





  Weil man wie Seelenzwang,
  Erscheint sie auch als Labe,
  Die Gunst empfindet, sich gebunden glaubt,
  So klagt mein Freiheitsdrang
  Ob deiner werten Gabe
  Mehr noch, als hatte mich ein Dieb beraubt.
  Und kann zum Strahlenhaupt
  Der Sonne ungeschwacht kein Auge dringen,
  Das doch erstarken musst' bei solchem Wagen,
  So mochte kraftberaubt
  Nicht mein Vermogen sein, dir Dank zu bringen.
  Oft muss vorm Uberfluss der Mangel zagen,
  Und jener wieder uber diesen klagen:
  Denn Liebe will nur solche Freunde nennen,
  (Wie selten ach)! die gleich an Gluck und Konnen.

11.                              Bettina Jacobson.




AN GIORGIO VASARI.


  Mit deinem Griffel, deinen Farbentonen
  Hast gleich die Kunst du der Natur gemacht,
  Ja ubertroffen sie zum Teil an Macht,
  Da fahig du, ihr Schones zu verschonen.

  Doch heut erst wird vollstand'ger Sieg dich kronen,
  Dich, der auf hoh're Werke jetzt bedacht,
  Denn deine Schrift erhellt des Grabes Nacht
  Und gibt Unsterblichkeit den Erdensohnen.

  Ob auch die Kunst oft die Natur bezwungen,
  Ob Jahre ihre Werke nicht verletzen,
  Sie hindert's nicht, dass alle einst zerstauben.

  Du aber, Taten singend, die verklungen,
  Du, Tote weckend trotz Naturgesetzen,
  Wirst du und werden sie lebendig bleiben.

12.                            Sophie Hasenclever.




AN GIORGIO VASARI.


  Ein Maultier, Kerzen, wahre Zuckermassen!
  So uber mein Vermogen handelt Ihr,
  Dazu die grosse Flasche Malvasier,
  Dass ich Sankt Michael muss die Wage lassen.

  Zu schones Wetter lasst kein Luftchen blasen:
  Das Segel hangt, der Kurs entschwindet mir,
  Mein schwaches Schifflein scheint ein Splitter schier,
  Den wilden Meeresfluten uberlassen.

  Erwag' ich Eure Gaben, Eure Gute
  Und Speis' und Trank und freundliches Bedenken,
  Dass man auf Reisen sorglich mich behute, --

  Dann wurde sich mein Dank auf nichts beschranken,
  Selbst wenn ich Euch mich selbst als solchen biete,
  Denn eine Schuld bezahlen, heisst nicht schenken.

13.                              Bettina Jacobson.




AUS DEN STANZEN ZUM LOB DES LANDLEBENS.


(Michelangelo schildert im ersten Teil des Gedichtes die Reize des
landlichen Lebens und stellt diesem die Reihe der Laster gegenuber, die dem
Reichen in der Stadt das Leben verbittern: Zweifelsucht, Falschheit,
Schmeichelei, Zwist, Betrug, Luge, endlich, in den folgenden Stanzen, den
Hochmut, die Missgunst und die sieben Todsunden, ihre Kinder.)

  Der Riese Stolz blaht sich so hoch, dass nimmer
  Er uns im Staub gewahrt; manch schone Stadt
  Zermalmt mit plumpen Sohlen er in Trummer;
  Zur Sonne will er schaffen sich den Pfad,
  So baut er Turm auf Turm, doch ihren Schimmer
  Sah er noch nie, da nur ein Aug' er hat,
  Und dies ihm an der Ferse sitzt. Im Wahne
  Durchrast die Himmel er gleich dem Orkane.

  Die Berge sind den Sohlen jenes Hunen,
  Was uns ein Sandkorn ist. Der Drachen Brut
  Birgt sich in seinem Fell und neben ihnen
  Erscheint der Walfisch in der Meeresflut
  Wie eine Fliege klein. Es schreckt den Kuhnen
  Nur eins: Wenn sich erhebt der Sturme Wut
  Und Staub und Halme wirbelnd aufwarts sendet,
  Sein einzig' Auge durch den Qualm ihm blendet.

  Auch eine trage Alte ist ihm teuer,
  Die grosse Amme seiner Ungestalt,
  Sie nahrt in ihm der wilden Kuhnheit Feuer,
  Sie reizt ihn an zu Frechheit und Gewalt.
  Wohnt nicht das Weib bei diesem Ungeheuer,
  So birgt es sich im tiefsten Felsenspalt.
  Geht mussig er, hockt sie in dunkler Kammer
  Und schickt dem Volke Hungersnot und Jammer.

  Im Busen, aus dem alle Ubel stammen,
  Tragt sie das Zeichen ihres Herrn; die Qual
  Des Nachsten mastet sie, sie schrumpft zusammen
  Bei andrer Gluck, die Gier stillt ihr kein Mahl;
  Sie peinigt alle mit des Hasses Flammen
  Und liebt, o Wunder, selbst sich nicht einmal.
  Ihr Arm ist Eisen, Stein das liebeleere
  Das eis'ge Herz; sie schlinget Berg und Meere.

  Und beider Kinder -- sieben sind's -- durchfliegen
  Die Welt von Pol zu Pol, ein Hollenchor;
  Nur die Gerechten wollen sie bekriegen,
  Sie schliessen auf und zu des Abgrunds Tor,
  Denn Beute bringen sie nach grossen Siegen;
  Unzahl'ge Arme strecken sie hervor,
  Um nach und nach die Seelen ganz zu binden
  Wie Eupheuranken einen Turm umwinden.

14.                            Sophie Hasenclever.




EPITAPHIEN.


  O fuhlest du mit mir, der hier im Staube
  Verschlossen ruht, der Welt entruckt, Erbarmen,
  So spare deine Tranen fur die Armen,
  Die leben, wechselndem Geschick zum Raube.

       *       *       *       *       *

  Warum ergreifst du Tod nicht mude Greise,
  Warum soll ich in meiner Blute sterben?
  "Weil das, was altert in der Welt Verderben,
  Nicht aufschwebt und nicht weilt im Himmelskreise."

       *       *       *       *       *

  Nicht mordete mit hoher Jahre Waffen
  Der Tod die Schonheit, die der Staub hier deckt,
  Er nahm sie schnell, auf dass sie unbefleckt
  Zum Himmel kehre, schon wie sie geschaffen.

       *       *       *       *       *

  Geboren war ich erst vor kurzer Frist,
  Als man mich hier begrub; so schnell entfuhret
  Der Tod mich, dass der freie Geist kaum spuret,
  Wie sehr sein Zustand jetzt verwandelt ist.

       *       *       *       *       *

  Nicht gab der Himmel meiner Reize Fulle,
  Die Vielen er zum Schmuck fur mich entriss,
  Durch meinen Tod zuruck, da ich gewiss
  Am jungsten Tag mich kleid' in gleiche Hulle.

       *       *       *       *       *

  Man glaubt mich tot, der ich gelebt zum Frommen
  Der Welt, im Busen tragend tausend Seelen,
  Die mich geliebt; wie kann mir Leben fehlen,
  Da eine Seele nur der Tod genommen?

       *       *       *       *       *

  O wurden Fleisch und Blut fur meine Knochen --
  Dass ich aufs neue lebte -- eure Tranen,
  Dann war' aus Mitleid hart, wer weint; sein Sehnen
  Zwang' mich zuruck ins Joch, das ich zerbrochen.

       *       *       *       *       *

  Dass ich gelebt, weiss nur mein Leichenstein,
  Und denkt ein Mensch an mich, dann dunkt's ihn gar
  Wie Traum; so wirkt der Tod, dass das, was war,
  Erscheint, als konnt' es nie gewesen sein.

       *       *       *       *       *

  Ich, Braccio von Geschlecht, sah, seit in Schmerzen
  Zur Welt ich kam, nur kurze Zeit den Tag;
  Nun bin ich hier, wo gern ich harren mag,
  Leb' ich nur fort in meines Freundes Herzen.

       *       *       *       *       *

  War ich im Leben, der ich Staub jetzt bin,
  Des Freundes Leben, muss nicht Tod allein,
  Nein eifersucht'ge Qual dem Freund es sein,
  Stirbt je vor ihm ein andrer fur mich hin?

       *       *       *       *       *

  Der Bracci Sonne sank hinab ins Grab,
  Mit ihr die Sonne der Natur. Nicht Waffen
  Bedurft' der Tod, um ihn dahin zu raffen;
  Ein Hauch schon bricht die Fruhlingsblume ab.

15.                            Sophie Hasenclever.




DANTE.


  Kein Lob erreicht ihn, denn was konnt' ich sagen,
  Da selbst den Blinden er voll Glanz erschienen?
  Doch dazu soll die Sprache jetzt mir dienen,
  Das Volk, das ihn beleidigt, anzuklagen!

  Ihm, der zum Reich der Seelen, die verloren,
  Hinabstieg, ihr Geheimnis zu erraten;
  Ihm, dem die Himmelstore auf sich taten,
  Verschloss die eigne Vaterstadt die Tore.

  O Vaterland des Undanks! Dir zum Schaden
  Hast du ihn ausgestossen! Du, das stets
  Die Besten mit dem schwersten Schmerz beladen.

  Nur seinen Namen braucht die Welt zu lesen!
  Denn ward ein Mann unwurd'ger je verbannt
  Und ist ein Mann so gross wie er gewesen?

16.                                 Hermann Grimm.





  Wie kommt's, dass ich nicht mehr mein eigen bin?
  Wer ist's, durch den ich mich verlor,
  Der, fremd, in mir sich drangte vor,
  Mehr gilt in mir als eigner Sinn?
  Und wie durchschnitt
  Die harte Brust,
  Wer mich nicht einmal angeruhrt?
  Wer bist du, Liebe, Qual und Lust,
  Die nun mein Herz gefangen fuhrt,
  Die durch das Aug' in meine Seele glitt
  Und da so masslos wachst und schwillt,
  Dass sie an tausend Enden uberquillt?

17.                               Hans Grasberger.





  Den Augen gebt zuruck, o Fluss, o Quelle,
  Das Wasser, nicht entsprungen euren Bronnen,
  Die Tranen, die in eure Flut verronnen,
  Zu wilder Hohe trieben eure Welle!

  Du trube Luft, die mir das Licht, das helle,
  In Nebel hullt, verdunkelnd meine Wonnen,
  Gib wieder, um die Blicke neu zu sonnen,
  Die Seufzer mir, dass es kein Dunst entstelle!

  Die Schritte, Erde, gib zuruck den Fussen,
  Es sprosse neu das Gras auf meinem Wege;
  Gib, Echo, heut zuruck mir Klag' und Stohnen,

  Gebt meinem Aug' ihr Augen, o ihr sussen,
  Die Blicke wieder, dass ich lieben moge
  Ein andres Weib, da euch verhasst mein Sehnen.

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