2014년 12월 21일 일요일

Michelangelo Gedichte und Briefe 3

Michelangelo Gedichte und Briefe 3

AN VITTORIA COLONNA.


  Die Schonheit ward als Vorbild mir auf Erden
  Fur meinen doppelten Beruf geschenket;
  In beiden Kunsten sollte sie mir strahlen,
  Ein Spiegel, eine Leuchte mir zu werden;
  Sie ist es, die zu jenem Ziel mich lenket,
  Fur das ich einzig meisseln mag und malen.
  O torichter, vermessener Gedanke,
  Die hohe Schonheit Sinnenlust zu schelten!
  Gesundem Geiste zeigt sie Himmelspfade,
  Am Staube aber klebt der Blick, der kranke;
  Ein reines Auge nur sieht jene Welten,
  Die einzig uns erschliesst der Strahl der Gnade.

54.                             Sophie Hasenclever




AN VITTORIA COLONNA.


  Nicht schon zu sein, unmoglich ist's dir Schonen,
  Nicht gut zu sein, dir Guten! Dein Erbarmen,
  Verderblich ist's mir Armen,
  Es schmilzt mein Herz in deiner Gnadensonnen
  Auflosend sich in Wonnen!
  Stirbt eh'r nicht deines Herzens Liebesfulle,
  Als deine susse Hulle,
  So duld', ich fleh's mit Tranen,
  Dass ich bei dir verweile
  Bis du der Welt entronnen!
  O dann entruckt mein Sehnen
  Der Erde mich, ich eile
  Empor zum ew'gen Heile;
  Gibt uns der Schopfer einst am jungsten Tage,
  Den Leib zuruck, zu Wonne oder Plage,
  Dann nimm mich auf, ob unschon ich geblieben,
  Dort gilt ja mehr als Schonheit treues Lieben!

55.                            Sophie Hasenclever.




AN TOMMASO CAVALIERI.


  Als mir dein Augenstern zuerst ergluhte,
  Da war's kein irdisch Licht, das mich getroffen,
  Schon sah mein Geist entzuckt den Himmel offen,
  Ein ew'ger Friede zog in mein Gemute;

  Denn nimmer stillt mein Herz der Anmut Blute,
  Erzeugt aus dieser Erde niedren Stoffen;
  Der Schonheit Ursprung ist sein Ziel und Hoffen;
  Es fliegt der ew'gen Schonheit zu und Gute.

  Nie hoffe denn ein weises Herz den Frieden
  Von jener Blute, die zu Staub verkehren
  Die rauhe Zeit, und Tod, der uns beschieden;

  Wohl mag der Sinne Glut den Greis versehren,
  Die Liebe nicht, sie heiligt uns hienieden,
  Doch erst der Himmel wird uns ganz verklaren.

56.                            Sophie Hasenclever.





  Die Augen, stets der Schonheit zugetan,
  Der Geist, ihr hold und auf sein Heil bedacht,
  Sie dringen durch die Nacht
  Nur an der Hand der Schonheit himmelan;
  Denn aus der Sternenbahn
  Stromt Glanz vom Firmament,
  So klar, dass ihm zu nah'n,
  Die Menschenseele brennt,
  Und solch Empfinden nennt
  Man Liebe hier; ein edles Herz beflugelt,
  Entflammt der Blick nur, der den Himmel spiegelt.

57.                            Sophie Hasenclever.




AN VITTORIA COLONNA.


  Im Herzen nicht ist meiner Liebe Leben;
  Das Herz, das irdisch, sterblich ist, enthalt
  Die ew'ge Liebe nicht, sie lebt gesellt
  Dem Wahn, der Sunde nicht, von Schuld umgeben.

  _Mir_ hat die Liebe klaren Blick gegeben,
  Die Schonheit _dir_ beim Eintritt in die Welt,
  So dass ich selbst in dem, was einst zerfallt,
  In deinem Reiz erkenn' der Gottheit Weben!

  Vom ewig Schonen trennt in mir sich nimmer
  Die Liebe, wie die Warme nie vom Feuer;
  Was ihm entstammt und gleicht, das mocht' ich schauen!

  Du tragst in deiner Augen sel'gem Schimmer
  Das Paradies, wo du zuerst mir teuer,
  Und seine Pforten sind mir deine Brauen!

58.                            Sophie Hasenclever.




DANTE.


  Als Mensch vom Himmel einst herabgestiegen,
  Hat Holle er und Laut'rungsglut gesehn,
  Dann bracht' er lebend, aus des Himmels Hohn,
  Uns wahres Licht, die wir im Dunkeln liegen.

  Dass du bestrahlt die Statte meiner Wiegen,
  O lichter Stern, ist unverdient geschehn;
  Die ganze arge Welt dir zugestehn,
  War' kleiner Preis: Nur Gott kann dir genugen.

  Von Dante red' ich, dessen Werk verkannt,
  Missachtet ward vom Volk, dem undankbaren,
  Das stets sich von Gerechten abgewandt.

  War' ich wie er! Hatt' ich wie er den wahren,
  Tatkraft'gen Geist, und war' wie er verbannt:
  Das schonste Gluck der Erde liess' ich fahren.

59.                              Bettina Jacobson.




  So viel scheint gross und kostbar, und es blickt
  Das Volk drauf hin bewundernd, aber einer
  Steht abseits; ihm erscheint es um so kleiner
  Und gallenbitter, was sie hoch entzuckt.

  Und das sogar: der eitlen unverstand'gen
  Gedankenlosen Welt muss er sich fugen,
  Muss reden, wie sie spricht und Freude lugen,
  Und lachelnd die verborg'nen Tranen band'gen.

  Mein Gluck ist nur, dass ganz verborgen sei,
  Was ich beweine und was heimlich trachtend
  Des Herzens Wunsche wollen, die ich hege.

  Blind ist die Welt und nur Verratern treu,
  Ich aber, Hass und Ehre gleich verachtend,
  Geh still und einsam weiter meine Wege.

60.                                 Hermann Grimm.




  Ich bin jetzt vor mir selbst an Wert gestiegen,
  Bin lieber mir, seit dich mein Herze hegt;
  So wird erst auf den Stein ein Wert gelegt,
  Wenn ihn der Kunstler formt mit edlen Zugen.

  Und wie der Blick am Blatt sich mag vergnugen,
  Mit Schrift und Bild geziert, nach dem nicht fragt,
  Das leer und kahl, so kann erst, seit gepragt
  In meinen Geist dein Bild, ich mir genugen.

  Als waren Zauber, waren Waffen mein,
  So zieh' ich, ohne dass Gefahr mich trifft,
  Mit solchem Schutzbrief aus nach allen Winden;

  Stark gegen Feu'r und Wasser werd' ich sein,
  Mit meinem Speichel tilg' ich jedes Gift,
  Und mache sehend durch dein Bild die Blinden.

61.                            Sophie Hasenclever.




AN VITTORIA COLONNA.


  Wie sich im unbehau'nen, toten Stein,
  Je mehr der Marmor unter'm Meissel schwindet,
  Anwachsend immer voll'res Leben findet,
  So mag es, edle Frau, mit mir auch sein.

  Was Gutes in mir ist, es hullt sich ein
  Tief in mein eigen Fleisch, und so, umrindet
  Vom rauhen, rohen Stoffe, der mich bindet,
  Drangt sich zu mir umsonst das Leben ein.

  Zu matt und kraftlos fuhl' ich mich allein,
  Das Ende naht und Tag auf Tag verschwindet:
  Nimm fort, was sich um meine Seele windet!
  Ich konnt' es nicht, doch du kannst mich befrei'n!

62.                                 Hermann Grimm.




AN VITTORIA COLONNA.


  Bald auf dem rechten Fuss, bald auf dem linken,
  Bald steigend, bald ermudet zum Versinken,
  Hintaumelnd ratlos zwischen Gut und Bose,
  Such' ich, wer meiner Seele Zweifel lose;
  Denn wem Gewolk verhullt des Himmels Weiten,
  Wie konnen den des Himmels Sterne leiten?

  Drum sei mein Herz das unbeschrieb'ne Blatt,
  Und was das deine aus sich selbst gefunden,
  O schreib' es nieder! was in allen Stunden
  Die Richtschnur sei, nach der es Sehnsucht hat,
  Damit im Irrsal dieser Lebenstage
  Mir Antwort werde auf des Lebens Frage:

  Ob die geringere Gnade einstmals finden,
  Die demutvoll sich nah'n mit tausend Sunden,
  Als die, die stolz auf das was sie getan,
  Im Uberfluss der guten Werke nah'n?

63.                                 Hermann Grimm.




AN VITTORIA COLONNA.


  Es spricht ein Mann, es spricht ein Gott mit Kraft
  Aus eines Weibes Munde,
  Und was sie sprach, die Kunde,
  Hat mich mir selbst fur alle Zeit entrafft.
  Seit ich in ihrer Haft,
  Mir selbst durch sie genommen,
  Fuhl' Mitleid ich mit mir, den sie betrauert.
  Tief schweigt die Leidenschaft;
  Ihr Reiz nur ausgenommen,
  Dunkt hohl die Schonheit mich; in Rosen lauert
  Der Tod, vor dem mich schauert.
  Du, die durch Feu'r und Wasser fuhrt zum Frieden,
  O gib mich nie mir selbst zuruck hienieden!

64.                            Sophie Hasenclever.




AN VITTORIA COLONNA.


  Hat Antlitz, Glieder, eines Menschen Sein
  Des Kunstlers Geist erfasst, den Gott verliehn,
  Dazu ein Tonmodell, mit leichtem Muhn
  Bringt er dann Leben in den harten Stein.

  So greift, nach roh entworfnen Zeichnerein,
  Der klugste, erste unter allen kuhn
  Zum Pinsel, wahlt, was ihm das beste schien,
  Nach prufenden Vergleichen mancher Reihn.

  Auch ich kam als gering' Modell zur Welt,
  Doch anders ward ich, besser erst geartet,
  Durch Euch, o edle Frau, von hohem Mut.

  Werd' ich gefeilter, hoher noch gestellt,
  Durch Eure Hand, -- welch Strafgericht erwartet,
  Nach solcher Zucht noch meine wilde Glut?

65.                              Bettina Jacobson.




  Die Augen krankt so vieles, was sie schau'n,
  Und alles hier muss, ach, mein Herz verletzen;
  Wozu noch leben, war' mit seinen Schatzen
  Nicht mein das Herz der edelsten der Frauen?

  Darf auf Verzeihung ich, auf Hilfe trauen,
  Entflieh' ich der Gewohnheit Sundennetzen,
  Dem bosen Beispiel, dieser Nacht Entsetzen?
  Du kommst! Genug, nun darf auf Heil ich bauen.
  ----

66.                            Sophie Hasenclever.




  Dem Tod entgegen steu'r ich will'ger nicht,
  Als wer mit Widerstreben
  Zum Richtplatz folgt dem strafenden Gericht
  Und lassen muss sein Leben.
  Wie dieser bin dem Tod ich nah' vielleicht,
  Falls nicht mein Restchen minder schnell entweicht;
  Und dennoch gonnt mir nicht die Minne,
  Dass ich ein Stundchen Rast gewinne.
  Ich wach' und schlafe zwischen zwei Gefahren:
  Kaum dass ich leise Lebenshoffnung fuhlt',
  Ist tiefer Seelenkummer aufgewuhlt,
  Weil ich noch Gluten habe zu befahren,
  Und weil die Lieb' um so viel minder frommt,
  Als spat sie kommt.

67.                               Hans Grasberger.




  Ich sehe meine Zukunft wie im Spiegel,
  Wenn bald vom Frost und bald von Glut getroffen,
  Ich, dem das Grab schon offen,
  Voll Scham vergangner Zeiten denken muss.
  Gleich blieb sich Lieb' und Hoffen,
  Doch weil mit schnellrem Flugel
  Die Zeit jetzt flieht, und nah der Freude Schluss
  Dem Greise ist, dunkt Schmerz fast der Genuss!
  Entweicht denn beide, Lust so wie Beschwerde!
  Der Glucklichste ist ja auf dieser Erde,
  Wer, ach, auf ihr nur kurze Stunden weilet,
  Denn Tod nur ist der Arzt, der alles heilet.

68.                            Sophie Hasenclever.




  Der frischen Jugend wird es nicht bewusst,
  Wie so ganz anders, Herr, kurz vor dem Ende,
  Gedanken, Hoffen, Lieb' und Wunsche werden.
  Wachst unsere Seele, bringt's der Welt Verlust;

  Die Kunst reimt mit dem Tod sich nicht zusammen,
  Drum, was erwart' ich noch von mir auf Erden?
  ----

69.                              Bettina Jacobson.




  Ich leb' der Sunde, leb', um mir zu sterben,
  Mein Leben ist nicht mein, von Schuld umstrickt
  Gehort's der Sunde. Gott, der gern begluckt,
  Gab Segen nur, ich selbst gab mir Verderben.

  Die Freiheit macht' ich, die wir alle erben,
  Zur Sklavin, Staub zum Gotzen, wahnberuckt;
  Zu welcher Schmach hab' ich das Licht erblickt!
  ----

70.                            Sophie Hasenclever.




  Hier am aussersten Rande des Lebensmeeres
  Lern' ich zu spat erkennen, o Welt, den Inhalt
  Deiner Freuden, wie du den Frieden, den du
  Nicht zu gewahren vermagst, versprichst und jene
  Ruhe des Daseins, die schon vor der Geburt stirbt.
  Angstvoll blick' ich zuruck, nun da der Himmel
  Meinen Tagen ein Ziel setzt: unaufhorlich
  Hab' ich vor Augen den alten, sussen Irrtum,
  Der dem, den er erfasst, die Seele vernichtet.
  Nun beweis' ich es selber: den erwartet
  Droben das glucklichste Los, der von der Geburt ab
  Sich auf dem kurzesten Pfad zum Tode wandte.

71.                                 Hermann Grimm.




  Mein Lebenslauf gelangt durch Sturm und Wogen
  Auf schwankem Boot nun zu dem grossen Port,
  Dahin wir alle steuern fort und fort,
  Fur alles Tun zur Rechenschaft gezogen.

  Wohl merk' ich nun, wie sehr du mir gelogen,
  O Phantasie, die du als Herrn und Hort
  Die Kunst mir gabst, wie irrig Tat und Wort,
  Und wie auch mich manch eitler Wunsch betrogen.

  Was wird aus lang verflog'nem Liebesweben,
  Wenn bald der Doppeltod mir nahen soll?
  Nicht ahn' ich, was man bei dem zweiten leidet.

  Mir kann nicht Stift noch Meissel Ruhe geben,
  Nur Gottes Liebe noch, die mitleidvoll
  Am Kreuz die Arme nach uns ausgebreitet.

72.                              Bettina Jacobson.




  Ihr meine vielen, irrtumsschweren Traume,
  Ihr solltet euch, da sich das Leben neigt,
  Zu einem einz'gen formen, der mir reicht
  Die Fuhrerhand in lichte Himmelsraume.
  ----

73.




  Mir raubten Eitelkeiten dieser Welt
  Die mir verlieh'ne Zeit, in Gott zu leben,
  Der Gunst vergass ich, die er mir gegeben,
  Hab' mehr mit ihr, als ohne sie gefehlt.

  Mich machte blind, was andre aufgehellt,
  Zu spat erkannt' ich Tor mein irrig' Streben,
  Verzagt fleh' ich dich an, den Bann zu heben,
  Darin mich noch die Eigenliebe halt.

  Den halben Weg, Herr, wolle mir erlassen,
  Der aufwarts fuhrt, doch ohne deine Hand
  Furcht' ich, dass ich auch diesen nicht vollende;

  Lehr' mich, was diese Welt so hoch hielt, hassen,
  Auch das, was ich verehrte, kostlich fand,
  Dass ew'ges Heil mir sicher vor dem Ende.

74.                              Bettina Jacobson.




  Vom Alter und von Sundenlast beschwert,
  Von festgewurzelt argem Trieb gehalten,
  Droh'n mir des Todes zwiefache Gestalten,
  Und oft hab' ich mein Herz mit Gift genahrt.

  Auch kann ich, da die Kraft mir nicht beschert,
  Nicht Leben, Liebe, Schicksal umgestalten,
  Wenn furder dein erleuchtend gottlich Walten
  Nicht leitend, zugelnd mich die Wege lehrt.

  Doch nicht genug, o Herr, wenn es mich treibt,
  Dass meine Seele wieder dorthin fahre,
  Wo du sie einst geschaffen aus dem Leeren,

  Gib, wenn an ihr nichts Irdisches mehr bleibt,
  Dass Reue ihr den halben Weg erspare
  Zu seligem und reinem Wiederkehren.

75.                              Bettina Jacobson.




  Was nicht ich will, o Herr, das mocht' ich wollen!
  Vom heil'gen Brand trennt mich ein Schlei'r von Eis
  Und loscht die Glut; nicht passt mein Tun zum Preis
  Der Feder; Lugen sind ihr nur entquollen.

  Dem Herrn kann mit der Zunge Lob ich zollen,
  Nicht mit dem Herzen! Ach, dass ich nicht weiss,
  Welch' Tor der Gnade auftun? Ihr Geheiss
  Verjagt allein den Stolz, den rankevollen.

  Zerreiss', o Herr, den eisigkalten Schleier;
  Die Mauer, hart und starr, wirf sie zusammen,
  Sie, die dein Licht verbirgt, die Wehr der Sunde.

  Gib deiner schonen Braut dein Himmelsfeuer,
  Gib das verheiss'ne Licht, dass ich in Flammen,
  Von Zweifeln frei nur einzig dich empfinde.

76.                            Sophie Hasenclever.




  Dich lass an jedem Ort mich schau'n! Dein Feuer
  Verschlinge jeder Erdenliebe Flammen,
  In Gluten brenn' ich dann, die dir entflammen,
  So hell wie damals, als die Welt mir teuer.

  Zerreisse du des Irrtums dunkle Schleier,
  Die Sunden, die das Herz zur Qual verdammen,
  Vernichte sie; o lass ersteh'n zusammen
  Vernunft und Kraft und Willen, mein Befreier!

  Der Zeit hast du die Seele ubergeben,
  Mit hartem Spruch haltst du ein gottlich Wesen
  Gefangen in des Leibes Kerkerwanden,

  Nicht ich kann wandeln dies mein sundig Leben;
  Nichts ohne dich ist gut in mir, erlosen
  Kannst du allein, nur du mein Schicksal wenden!

77.                            Sophie Hasenclever.




  Es fuhlen Schmerz, es fuhlen Trost nicht minder
  Die auserwahlten Geister, dass erkoren
  Du hast fur sie den Tod, um zu den Himmelstoren
  Den Eingang zu erkampfen fur uns Sunder.

  Sie jauchzen, weil entsuhnt die Menschenkinder
  Von ihrer ersten Schuld wie neugeboren,
  Sie weinen, weil die Nagel dich durchbohren,
  Weil Knecht der Knechte wird des Heiles Grunder.

  Der Himmel zeugt fur dich, denn in den Luften
  Erlischt das Weltenauge, Berge wanken,
  Die Erde birst, das Meer erbraust im Laufe,

  Die grossen Vater steigen aus den Gruften,
  Indes die bosen Engel niedersanken,
  Der Mensch nur freut sich, den entsuhnt die Taufe.

78.                            Sophie Hasenclever.




  Erinnrung ist mir lieb, doch mehr beschweret
  Sie noch mit Gram das Herz, der Schuld, der fruhen,
  Gedenkend, will zur Rechenschaft sie ziehen
  Fur eine Zeit mich, die nicht wiederkehret;

  Lieb ist sie mir, weil vor dem Tod sie lehret,
  Dass alle Erdenfreuden treulos fliehen,
  Herb, weil vom Himmel Gnad' herabzuziehen
  Dem schwer gelingt, der sich so spat bekehret.

  Wie fest wir auch auf die Verheissung bauen,
  So ist doch jener Glaube Frevelmut,
  Dass leicht des Zogerns Schuld verzieh'n uns Armen;

  Und dennoch tut, verspritzt in Todesgrauen,
  Vom Kreuz herab uns kund dein stromend Blut:
  So masslos wie dein Schmerz sei dein Erbarmen!

79.                            Sophie Hasenclever.




  O Herr, befreit von schwerer Burde, wende
  Ich mich zu dir, die Weltlust gibt mich her;
  Ein schwankes Boot, im Sturm auf wildem Meer,
  Treib' ich nun mud' an ruhiges Gelande.

  Die Dornenkrone, die durchbohrten Hande,
  Dein gutig mildes Antlitz, mitleidschwer,
  Verheissen Gnade reu'ger Wiederkehr,
  Und truben Seelen kunft'ge Heilesspende.

  Lass deine heil'gen Augen, lass dein Ohr
  Nicht richten uber mein vergangnes Leben,
  Zeig nicht dorthin mit drohender Gebarde.

  Nur reicher strome mir dein Blut hervor,
  Je greiser ich, die Sunden aufzuheben,
  Dass schnell mir Hilfe und Verzeihung werde.

80.                              Bettina Jacobson.





BRIEFE MICHELANGELOS.


Ubersetzt von R. A. Guardini.




1.

AN MEISTER GIULIANO DA SANGALLO AUS FLORENZ, ARCHITEKT DES PAPSTES IN ROM.


                                               _Florenz_, den 2. Mai 1506.

Giuliano! Ich entnahm aus Eurem Briefe, der Papst habe mir meine Abreise
ubelgenommen, ferner, dass Seine Heiligkeit jetzt bereit sei, den Betrag zu
erlegen und auch im ubrigen alles unserer Abrede gemass zu erfullen und
endlich, dass ich ohne Besorgnis zuruckkehren solle.

Uber meine Abreise folgendes: Am Samstag der Karwoche horte ich -- ich sage
Euch die volle Wahrheit -- den Papst im Gesprach mit einem Goldschmied und
dem Zeremonienmeister bei Tisch sagen, er wolle weder fur grosse noch fur
kleine Steine auch nur noch einen Heller hergeben. Daruber wunderte ich
mich sehr; trotzdem bat ich ihn vor meiner Abreise um einen Teil des
Geldes, das ich zur Weiterfuhrung des Werkes brauchte. Seine Heiligkeit
erwiderte mir, ich solle am Montag wiederkommen. Am Montag kam ich wieder
und kam am Dienstag und am Mittwoch und am Donnerstag, wie sie selbst
bestatigen kann. Endlich, am Freitag, wurde ich hinausgeschickt, nein,
weggejagt. Der mich hinauswies, sagte, er kenne mich wohl, allein er habe
nun einmal den Befehl. Als ich so die Bestatigung der Worte sah, die ich am
Samstag gehort hatte, geriet ich in grosse Verzweiflung. Doch war das nicht
der einzige Grund, weshalb ich Rom verliess. Es war da noch etwas, woruber
ich schweigen will. Nur so viel will ich sagen, dass ich befurchten musste,
wenn ich noch in Rom bliebe, wurde eher _mein_ Grabmal, als das des Papstes
aufgerichtet werden. Das war der Grund meiner plotzlichen Abreise.

Nun schreibt Ihr mir im Auftrag des Papstes; Ihr werdet ihm also diesen
Brief vorlesen. Seine Heiligkeit soll wissen, dass ich mehr als je bereit
bin, das Werk fortzufuhren; und wenn sie das Grabmal durchaus haben will,
so kann es ihr gleichgultig sein, wo ich daran arbeite, wenn es nur nach
Ablauf von funf Jahren, wie wir vereinbart haben, in Sankt Peter an der ihr
genehmen Stelle aufgerichtet und ein schones Werk ist, wie ich versprochen
habe. Denn dessen bin ich gewiss, wenn es zustande kommt, wird die Welt
nicht seinesgleichen besitzen.

Wenn also Seine Heiligkeit jetzt das Werk fortzufuhren gedenkt, moge sie
mir besagten Betrag hier in Florenz anweisen, an dem Orte, den ich ihr
bezeichnen werde. In Carrara stehen mir viele Marmorblocke zur Verfugung;
die werde ich hierher schaffen lassen und ebenso die Stucke, die ich in Rom
habe. Dadurch wurden mir zwar viele Kosten entstehen, allein das sollte
mich nicht kummern, wenn ich nur das Werk hier ausfuhren konnte. Dann wurde
ich die einzelnen Teile gleich nach ihrer Vollendung nach Rom schicken, und
so gut gearbeitet, dass Seine Heiligkeit ebenso zufrieden sein sollte, als
wenn ich in Rom ware; ja noch zufriedener, weil sie dann ohne weitere
Belastigung bloss die fertigen Werke sehen wurde. Fur die besagten
Geldsummen und zur Durchfuhrung besagten Werkes werde ich mich ganz so
verpflichten, wie Seine Heiligkeit es wunscht und hier in Florenz jede
geforderte Sicherheit geben. Es mag sein, was es will, ich werde jede
Burgschaft aufbringen: ganz Florenz wird doch genugen! Und dann noch dies:
In Rom kann ich zu diesem Preise das Werk nicht vollenden; hier hingegen
vermag ich es, weil ich mir vielerlei Erleichterungen verschaffen kann, die
ich dort nicht finde. Ich werde auch besser und mit grosserer Liebe
arbeiten, weil ich dann nicht mehr an so viele Sachen zu denken brauche.
Einstweilen bitte ich Euch, mein liebster Giuliano, Ihr wollet mir Antwort
geben und das bald. Das sei's.

                                             Euer Michelangelo, Bildhauer.




2.

AN GIOVANNI SIMONE DI LODOVICO BUONARROTI IN FLORENZ.


                                                       _Rom_, [Juli 1508].

Giovan Simone! -- Man sagt, dass durch Wohltaten der Gute gebessert, der
Bose aber nur noch schlimmer gemacht wird. Ich habe schon seit Jahren
versucht, Dich durch gutes Wort und gute Tat zu einem rechtschaffenen und
friedlichen Zusammenleben mit Deinem Vater und uns zu bringen, doch Du
wirst immer schlimmer. Ich sage nicht, dass Du schlecht seist; aber Du
fuhrst Dich in einer Weise auf, die weder mir noch den andern gefallt. Ich
konnte Dir eine lange Rede uber Dein Betragen halten, allein es wurden
nutzlose Worte bleiben, wie alles, was ich Dir bisher gesagt habe. Ich will
Dir darum kurz erklaren, dass Du nichts in der Welt Dein eigen nennst.
Lebensunterhalt gebe ich Dir seit geraumer Zeit, und auch das Reisegeld
hast Du von mir erhalten. Um Gottes willen und weil ich glaubte, Du seiest
mein Bruder wie die andern, habe ich Dir all das geschenkt. Jetzt aber
weiss ich, dass Du mein Bruder nicht bist, denn warest Du es, so wurdest Du
meinem Vater nicht drohen. Du bist vielmehr ein Tier, und als Tier werde
ich Dich auch behandeln! Das lass Dir gesagt sein: Wer sieht, wie sein
Vater bedroht oder geschlagen wird, hat die Pflicht, sein Leben fur ihn
einzusetzen, und damit genug! Ich wiederhole Dir, dass Du nichts besitzest,
was Dir gehorte, und dass ich bei der ersten schlimmen Nachricht uber Dich
auf dem schnellsten Wege nach Florenz komme. Dann will ich Dich uber Deinen
Irrtum aufklaren und Dich lehren, Dein Gut zu vergeuden und die Hauser und
Grundstucke, die Du nicht durch Arbeit erworben hast, zu Grund zu richten.
Du bist nicht, wo Du zu sein glaubst! Wenn ich hinkomme, will ich Dir die
Augen offnen, dass Du heisse Tranen weinen und erkennen sollst, auf welchem
Grund Dein Hochmut steht.

Ich wiederhole Dir: Wenn Du ein rechtschaffenes Leben fuhren und Deinen
Vater achten und ehren willst, so werde ich Dir wie den anderen helfen und
Euch bald eine schone Werkstatt bauen lassen. Tust Du das aber nicht, dann
werde ich kommen und die Sache in einer Weise ordnen, dass Du ganz klar
einsehen sollst, was Du bist und was Du hast und es nie mehr vergessen
sollst. Das sei's. Wo es an Worten fehlt, werde ich mit Taten sprechen.

                                                             Michelangelo.

Ich kann es nicht uber mich bringen; ich muss Dir noch einige Zeilen
schreiben. Seit zwolf Jahren gehe ich bettelnd durch ganz Italien, dulde
jede Schmach, ertrage jede Entbehrung, reibe meinen Korper auf in jederlei
Anstrengung, setze mein Leben jeder Gefahr aus, nur um meiner Familie zu
helfen; und dass nun, da ich sie ein wenig in die Hohe gebracht habe, Du es
sein sollst, der in _einer_ Stunde all das zerstort und vernichtet, was ich
in so vielen Jahren harter Arbeit gebaut habe, beim Leib des Heilandes, das
will ich nicht erleben! Mit zehntausend Deinesgleichen will ich fertig
werden, wenn es sein muss! Und nun sei gut, und bring' nicht einen Menschen
auf, der wirklich andere Sorgen im Kopf hat.




3.

AN LODOVICO DI BUONARROTA SIMONI IN FLORENZ.


                                               _Rom_, den 20. Januar 1509.

Liebster Vater! -- Ich habe heute einen Brief von Euch erhalten. Was ich
daraus erfuhr, hat mich sehr geschmerzt. Ich furchte, Ihr macht Euch mehr
Sorge, als notig ist. Wie hoch wurde sich wohl der Schaden belaufen, den
sie Euch im schlimmsten Falle zufugen konnte? Es ware mir lieb, wenn Ihr
mir das mitteilen wolltet. Sonst habe ich nichts zu sagen. Es bekummert
mich, dass Ihr Euch so angstigt; darum rafft Euch auf und bereitet Euch gut
auf ihre Angriffe vor; beratet Euch, dann aber denkt nicht langer daran.
Denn wenn sie Euch auch alles nahme, was Ihr hier auf Erden besitzet, so
wird es Euch doch nicht an Mitteln zu einem bequemen Leben fehlen, wenn
auch niemand als ich da ware, fur Euch zu sorgen. Deshalb bleibt guten
Mutes! Ich bin noch in grossen Noten, denn ich habe seit nun schon einem
Jahr keinen Heller mehr vom Papst bekommen; ich bitte ihn auch um nichts,
denn meine Arbeit geht nicht so voran, dass ich etwas beanspruchen durfte.
Die Arbeit ist eben schwierig und schlagt dazu nicht in mein Fach. So
verliere ich meine Zeit und erreiche nichts. ----

                                                        Euer Michelangelo.




4.

AN BUONARROTO DI LODOVICO DI BUONARROTA SIMONI IN FLORENZ.


                                            _Rom_, [den 17. Oktober 1509].

Buonarroto! ---- In Deinem letzten Brief sagst Du, Lorenzo werde hier
durchreisen, und ich solle ihn gut aufnehmen. Mir scheint, Du weisst nicht,
wie ich hier lebe. Doch fur diesmal will ich Dir verzeihen und werde tun,
was ich kann. Ich hore, Gismondo will hierher kommen, um seine
Angelegenheit zu ordnen. Sag ihm in meinem Namen, er durfe nicht auf mich
zahlen; wohl ist er mir als Bruder lieb, aber ich kann ihm in keiner Weise
helfen. Ich sollte auf mich mehr Rucksicht nehmen als auf die andern und
kann nicht einmal mir das Notige beschaffen. Ich bin hier sehr geplagt und
lebe unter grossen korperlichen Entbehrungen, habe keinen Freund und will
auch keinen. Ich habe nicht so viel Zeit, um das Notigste zu essen, und
will darum von keinerlei Belastigung mehr wissen, konnte auch keine Unze
mehr davon ertragen.

Seid eifrig in Euerem Gewerbe. Es freut mich, dass Giovansimone sich
gebessert hat. Seht zu, dass Ihr Euren Besitz in gerechter Weise vermehrt
oder erhaltet, damit Ihr spater Grosseres unternehmen konnt, denn ich
hoffe, Ihr konnt Euch einst selbstandig machen, wenn ich heimkehre, und Ihr
tuchtige Leute seid. Sag Lodovico, dass ich ihm nicht antwortete, weil ich
keine Zeit hatte, und wundert Euch nicht, wenn ich nicht schreibe.

                                                  Michelangelo, Bildhauer.




5.

AN LODOVICO ...


                                          _Rom_, den 15. September [1510].

Liebster Vater! -- Ich habe hier bei Giovanni Balducci dreihundertfunfzig
doppelte Golddukaten eingezahlt, die er Euch in Florenz zustellen soll.
Sobald Ihr daher diesen Brief empfangen habt, geht zu Bonifazio Fazi, und
er wird sie Euch auszahlen. (Dreihundertundfunfzig doppelte Golddukaten.)
Wenn Ihr sie erhalten habt, bringt sie zum Spitalverwalter und sagt ihm, er
solle sie so anlegen, wie er es mit dem fruheren Geld getan hat. Es bleiben
dann noch einige Dukaten, von denen ich schrieb, Ihr solltet sie behalten.
Wenn Ihr es noch nicht getan habt, so tut es jetzt; braucht Ihr mehr, so
nehmt, soviel Euch gut dunkt. Ich schenke Euch, was Ihr braucht, und wenn
Ihr die ganze Summe ausgeben wolltet. Wenn es einer Weisung an den
Spitalmeister bedarf, so lasst es mich wissen.

Durch Euren letzten Brief erfuhr ich, wie Eure Sache steht. Es bekummert
mich sehr, aber ich kann nichts machen. Doch sollt Ihr Euch nicht
entmutigen lassen und Euch auch kein bisschen gramen, denn wenn das Gut
verloren geht, ist darum doch nicht das Leben verloren, und ich werde so
viel verdienen, dass der Verlust reichlich gutgemacht wird. Doch bedenkt
wohl, Ihr durft nicht darauf zahlen, denn die Erfullung solcher
Versprechungen ist doch unsicher. Tut gewissenhaft das Eure und danket
Gott, dass diese Prufung, wenn sie schon kommen soll, doch zu einer Zeit
kommt, da Ihr Euch besser behelfen konnt, als es fruher hatte geschehen
konnen. Gehabt Euch wohl und lasst lieber das Geld fahren, als dass Ihr
Euch Kummer macht. Ich will Euch am Leben haben, und ware es auch in Armut;
denn mit Eurem Tod mochte ich nicht alles Gold der Welt erkaufen. Und wenn
die Schwatzer dort oder sonst jemand Euch tadeln, so lasst sie reden; es
sind Menschen ohne Gewissen und ohne Liebe.

                                             Euer Michelangelo, Bildhauer.

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