2015년 11월 29일 일요일

Die Herrin und ihr Knecht 12

Die Herrin und ihr Knecht 12


Kriegt endlich doch das Bibbern,« fuhr es ihm durch den Sinn, und seine
kernige Mannhaftigkeit freute sich darüber, weil das stolze Weib, das ihn
stets wie eine beobachtende Erzieherin behandelte, sich wenigstens vor der
Gefahr genau wie alle anderen Frauenzimmer demütigen lernte. »Na, da wird
sie ja unseren Vorschlag gnädig aufnehmen,« dachte er, »womöglich noch
dankbar sein, weil man sie hübsch fürsorglich aus unserer Pulverecke
fortschafft.«
 
Und ohne weitere Überlegung reckte er sich, um seine breite Tatze
herablassend, wohlwollend auf die Schulter der Cousine zu betten. Die in
Gedanken Versunkene jedoch ließ es ruhig geschehen. Es war das erste
Mal, daß sich der Recke ihrer blühenden Körperlichkeit so weit
nähern durfte. Und mitten in dem schweren Druck, den die bängliche Zeit
verbreitete, da empfand der strotzende Gutsherr in seinem derben, allem
Grübeln abgeneigten Sinn etwas von der verschämten Üppigkeit
dieser verhüllten, unberührten Mädchenglieder. Freilich nur eine
vorüberblitzende Sekunde, denn gleich darauf zuckte das entschwundene
Leben durch die völlig entrückte Frauengestalt. Widerwillig schnellte
ihre Schulter empor, schüttelte die fremde Hand als etwas Störendes von
sich ab, und während sie ihren Blick mit ihrer kühlen Sicherheit gegen
seine trotz aller Überhebung gutmütigen Knabenaugen richtete, da stieß
sie kurz und geschäftsmäßig hervor, wie jemand, der endlich auf den Kern
der Dinge dringen will:
 
»Na also, Fedor, nur um mich auf alles dies vorzubereiten, deswegen allein
hast du doch deine Mutter nicht zu der Fahrt veranlaßt? Heraus damit, was
führst du noch im Schilde?«
 
Verwünscht, da war wieder eine jener niederträchtig kurzen Fragen, auf
die seine schwerfällige Unterhaltungsgabe nicht sofort eine Antwort zu
erteilen wußte. Herrgott ja, man plante ja allerlei Heimliches, sogar seit
Jahren, man trieb sich viel öfter auf dem Hofe von Maritzken herum, als es
eigentlich durch die Verwandtschaft oder eine treue Nachbarlichkeit bedingt
war, weil man eben dachte -- weil man doch zum Schluß wünschte, daß
-- daß -- -- Zum Kuckuck, es wurde eben nichts daraus, weil das große
blonde Weib, das in der Statur so hübsch zu einem paßte, nichts, aber
auch gar nichts Entgegenkommendes oder Aufmunterndes zeigte, was einem die
schwere Sprache vielleicht gelöst hätte. Und auch in diesem drängenden
Moment hätte der Riese das, was ihn im Grunde bewegte, und was längst
die Billigung der Frau Mama gefunden hatte, ohne deren Ja und Amen man ja
schließlich nichts unternehmen konnte, ja, er hätte all das Verborgene
gerade jetzt viel sachter und zarter einkleiden können. Aber nun, als man
ihm wieder mit einer solch brüsken Deutlichkeit auf den Leib rückte, da
vermochte sich der Herr von Sorquitten nur auf den alleräußerlichsten
Grund zu besinnen, den man im letzten Ende doch nur als guten Vorwand
aufgespart hatte.
 
»Was es gibt -- was ich will --,« murmelte er aufgescheucht, wobei seine
blauen Augen Unterstützung heischend nach dem regungslosen Antlitz seiner
Mutter hinüberirrten. »Herrgott, Hans, das ist doch klar, das ist doch
furchtbar einfach.«
 
»Na, dann sag es doch!«
 
»Ja, sieh mal, ich meinte -- das heißt, meine alte Dame ist gleichfalls
der Ansicht -- wenn es losgehen sollte, dann könnt ihr Mädels doch
unmöglich in der glatten Feuerzone bleiben. Und da hatten wir so ganz
gemütlich unter uns verabredet, daß es am sichersten wäre, wenn du deine
Schwestern nach Berlin schicktest. Du selbst aber -- --«
 
»Nun also?«
 
»Herrgott, sieh mal, es wäre doch so einfach --«
 
Indessen das Augenpaar der Ältesten von Maritzken ruhte wieder zu scharf,
zu kühl und zu forschend auf dem Männerantlitz, als daß Herr von
Stötteritz, der doch die Charge eines Landwehr-Rittmeisters bei
den Göben-Ulanen bekleidete, die Gewandtheit besitzen konnte, die
wohlausgedachte Attacke zu vollenden. Diese niederträchtigen, komischen
Weibsbilder, was sie einem für Beschwerlichkeiten bereiteten. Es war ein
reines Glück, daß sich jetzt aus dem Seidenfauteuil das bekannte scharfe
Räuspern vernehmen ließ.
 
»Liebe Johanna,« sagte die Frau Mama in ihrer unveränderlich starren
Haltung, »mein Junge stottert ja leider. Wahrhaftig, er benimmt sich,
als ob man vor jemandem, dem man zu nützen wünscht, noch einen Fußfall
machen müßte. Kurz und gut, liebes Kind, so schwer es mir fällt, ich
habe mich entschlossen, Sorquitten zu verlassen, um während der nächsten
Zeit in die geschützte Provinzialhauptstadt überzusiedeln. Wir besitzen
ja dort sowieso ein bescheidenes Absteigequartier. Und da wollte ich dir
vorschlagen --«
 
»Jawohl, wir wollten dich bitten,« fiel hier der Sohn, dem alles viel zu
lange währte, ohne besondere Umstände ein, »wir wollten dich bitten, ob
du nicht meine Mutter begleiten möchtest.«
 
»Um Gottes willen, ich?«
 
»Jawohl, was ist da groß zu überlegen und um Gottes willen,« beharrte
nun der Gutsbesitzer bereits etwas erhitzt, weil die Cousine nicht sofort
mit beiden Händen zugriff. »Du bleibst dann für alle Fälle hier in der
Nähe. Und du könntest dich ja vielleicht auch, um dich zu beschäftigen,
ein wenig um die Pflege meiner Mutter kümmern.«
 
So, damit war so ziemlich für die Zukunft vorgesorgt. Und während sich
Tante Adelheid dem Fenster zuwandte, um eine blaue Taube zu beobachten,
die auf dem Blech herumstolzierte, da zog sich ihr Sohn gleichfalls den
nächsten gelbseidenen Fauteuil heran und ließ sich krachend in das
Polster fallen, als ob nun das schwierige Geschäft in schönster Ordnung
und beendigt wäre. Gemütlich pfiff er halblaut durch die Zähne, streckte
die gewaltigen Beine von sich und faltete die Hände kreuzweise über der
Brust. Jedenfalls hatte man nun seine verfluchte Pflicht und Schuldigkeit
gegen das störrische, unliebenswürdige Mädel erfüllt. Jetzt konnte sie
tun, was sie Lust hatte.
 
Eine lange Zeit erhob sich kein Laut in dem weiten Zimmer, nur ab und
zu vernahmen die drei Menschen, die sich gegenseitig beobachteten, einen
eigentümlichen metallischen Ton. Der rührte von der Taube her, die
draußen auf dem Fensterblech herumpickte. Endlich jedoch wandte sich Frau
von Stötteritz dem schweigenden Mädchen zu, denn sie fand, daß man der
Hausherrin nun genug Zeit zur Überlegung gegönnt hätte. Und ihre Stimme
klang sehr bestimmt und deutlich, als sie sich nun erkundigte, ob ihre
Nichte innerhalb von zwei Tagen die angekündigte Reise antreten würde.
Aber wie erstaunten die beiden Adligen, ja Fedors Mutter entsetzte sich
geradezu, als statt einer Antwort von dem Tisch her ganz plötzlich und
gegen jede Erwartung ein helles Lachen auftönte, das sich in der scharf
dagegen absetzenden Stille immer mehr verstärkte, als ob eine innerliche
Befreiung damit verbunden wäre.
 
»Aber liebe Johanna, das finde ich doch in hohem Maße eigenartig,«
suchte sich endlich die alte Dame gegen diese absonderliche Weise zur Wehr
zu setzen. »Was meinst du, Fedor?«
 
Jedoch auch der Riese vermochte sich die verletzende Heiterkeit auf einen
so ernsthaften und gut gemeinten Vorschlag natürlich noch viel weniger zu
erklären. Stumm und ungläubig streckte er noch immer die Beine weit
von sich, und nur die gefalteten Hände reckten sich aus, so daß die
gespreizten Finger ein kurzes Knacken vernehmen ließen.
 
»Ja, Johanna, Menschenskind, was soll denn das heißen?« vermochte er nur
undeutlich über die Lippen zu bringen.
 
Aber jetzt hatte sich endlich die Älteste von Maritzken auf sich selbst
besonnen. Rasch entschlossen schritt sie auf die alte Dame am Fenster
zu, und ehe es die Leidende noch hindern konnte, wurde ihr von
dem Landfräulein kräftig die Rechte gedrückt. Auch eine Art der
Verständigung, die die Edelfrau nicht schätzte.
 
»Liebe Tante,« hörte sie dicht vor sich das dunkle Organ ihrer Nichte
anschwellen, das jede Dämpfung der Unruhe verloren zu haben schien,
»wirklich, ich merke sehr genau, wieviel Wohlwollen sich hinter deiner
gütigen Aufforderung verbirgt. Und auch du, bester Vetter,« wandte sie
sich ein wenig zurück, »bist im Grunde ein guter Kerl. Aber ihr dürft es
mir nicht übel deuten, daß ich mir die ganze Situation, die so plötzlich
über mich hereinbricht, nach meiner Gewohnheit im stillen und ungestört
überlegen möchte. Nicht wahr, ihr seid nicht böse,« fügte sie
freundlich an, »wenn ich zu diesem Zweck ein paar Schritte auf meinem Hof
herumlaufe, um mir den Wind ein wenig um den Kopf streichen zu lassen. Dort
unten befindet sich ja seit alters her meine große Ratsstube. Und ich muß
erst mehrfach an die Stalltüren geklopft haben, um ganz mit mir einig zu
sein. Inzwischen schicke ich euch natürlich Marianne oder Isa herein, die
ihr ja ohnehin noch nicht begrüßt habt. Du erlaubst, liebe Tante.«
 
Und ohne eine Bestätigung abzuwarten, nickte die bereits Aufbrechende
ihren beiden betroffenen Verwandten zu und verließ mit ihrem festen,
majestätischen Gang das große Gemach. Zwischen den Zurückbleibenden
jedoch entspann sich eine kurze, inhaltsschwere Unterhaltung.
 
»Siehst du,« bedeutete die Mutter ihrem Sohn, der seinen Blick noch nicht
von der hohen weißen Tür fortzulenken vermochte, hinter der Johanna eben
verschwunden war, »wie wenig Anhänglichkeit das Mädchen besitzt? Ich
glaube, du täuschst dich in ihr. Ihr seid zwar beide im Alter nicht viel
voneinander geschieden, aber bei ihr erzeugten die Jahre oder auch die
Gewohnheit des Befehlens eine nicht zu brechende Selbstsicherheit, die
nicht immer angenehm anmutet. Manchmal kommt sie mir wie ein Stachelzaun
vor, der jedem Fremden den Weg sperrt.«
 
»Liebe Mutter, sie ist ein braves, wahres und aufrechtes Geschöpf,«
verteidigte der Sohn, indem er eine ihm plötzlich über die Stirn
huschende Röte mit der flachen Hand fortzuwischen strebte, »gerade
weil sie alle die Firlefanzereien und Maskeraden verachtet, die andere
Frauenzimmer doch nur anwenden, um anständig unter die Haube zu gelangen,
deswegen hege ich eine entschiedene Achtung vor ihr.«
 
»Dagegen habe ich ja auch gar nichts einzuwenden, mein guter Junge,
ich fürchte nur, es wird bei der gegenseitigen Achtung bleiben. Wie?«
richtete sich die alte Dame unvermutet auf und schlug unwillig auf ihre
seidene Tasche, »ein Mann wie du, der Rittmeister von Stötteritz, mein
Sohn, kann es nicht fertig bringen, daß solch eine dumme Pute ihren Willen
dem seinigen unterordnet?«
 
Jetzt sprang der Rittmeister plötzlich auf die Füße, daß das ganze
Zimmer zitterte.
 
»Herrgott, wieder solch ein Lärm!« klagte die Kranke.
 
»Du sollst Johanna nicht immer beschimpfen,« rief der Riese ohne
Übergang laut und völlig unbekümmert darum, ob er nicht durch drei
Zimmer hindurch verstanden werden könnte. »Ich mag das nicht. Und
ob Johanna sich dir anschließen wird oder nicht, das werde ich gleich
erfahren. Und vielleicht noch Verschiedenes mehr.«
 
»Gut,« schloß die alte Dame, schlug abermals böse auf ihre Tasche
und nickte hinter dem schallend Davonstürmenden mit einem Zug des
Besserwissens in den kalten grauen Augen her, »dann wird ja dieses Hin-
und Herzerren endlich aufhören. Solche romantischen Unklarheiten hasse ich
auch bis in den Tod. Sie machen mich direkt krank. Überhaupt -- du bist
an meinem ganzen Leiden schuld. Lauf du nur, mein Jungchen, lauf nur hinter
der Marielle drein. 
Johanna stand vor dem geschlossenen Tor des Kuhstalles und klopfte
wirklich, wie sie es vorher angekündigt, bald leise, bald etwas lauter an
das altersgeschwärzte Holz. So war sie es immer gewohnt, ihre Gedanken,
wenn es etwas Wichtiges galt, zu sammeln. Und ihre Leute sowohl als ihre
Schwestern wichen scheu aus der Nähe des Gutsfräuleins, sobald das
vielbedeutende Pochen auf dem Anwesen hörbar wurde.

댓글 없음: