2015년 11월 29일 일요일

Die Herrin und ihr Knecht 8

Die Herrin und ihr Knecht 8


Was? Das hast du getan?«
 
»Ja, denk mal, wie schrecklich. Herr Nikolaus Adameit repariert nämlich
meine goldene Armbanduhr, und selbst Johanna hielt es für nützlich,
den alten Sonderling zu einiger Eile zu ermuntern. Meine große Schwester
fürchtet ja immer, es könnte ihr irgend jemand etwas fortnehmen.
Nun?« schmeichelte sie und blickte von unten zu ihm herauf, »sind deine
Beklemmungen jetzt verflogen? Wirst du nun tapferer sein?«
 
Da enträtselte er zum erstenmal den verborgenen Spott in den Worten des
Mädchens. Eine ferne Geringschätzung, die an seinem unbekümmerten Mut,
an seiner jugendlichen Sorglosigkeit zu zweifeln schien. Das ertrug er
nicht. Und auch diese Augen, die so erwartend und leuchtend schimmerten,
in jenen großen schwarzen Bränden verknisterten all seine Pläne. Immer
kecker lächelte der kleine, sich darbietende Frauenmund. Und da wirbelte
auch schon wieder der Rausch über ihm empor.
 
Ein einziges, gewaltsames Ansichreißen, ein gedämpfter Laut der
Überraschung, und dann stürzten die Wände mit den geblümten Tapeten,
der geborgte Flügel, der Korbsessel und all das kahle Gerät in der
wütenden Lohe zusammen.
 
Er fand sich wieder, aufwachend, verwirrt, in einer Situation, die er sich
durchaus nicht zu deuten wußte. Wie in aller Welt hatte Marianne ihm den
Degen von der Seite zu entwenden vermocht und weshalb setzte sie ihm die
Spitze der Waffe auf einen Schritt Entfernung gegen die Brust, als ob sie
sich vor ihm schützen wolle?
 
»Nun ist es aber wirklich genug, Fritzchen,« hörte er eine überraschend
vernünftige Stimme durch all die Wirrnis hindurchschlagen, »du benimmst
dich immer wieder wie ein kleiner unartiger Junge und hast nicht den
geringsten Begriff davon, wie man mit einer Damentoilette umgeht. Was soll
sich denn Johanna von mir und meiner Konferenz mit Herrn Adameit denken?
Sieh bloß mal an, wie du meinen Staubmantel zerknittert hast!«
 
Ach ja, der Staubmantel! Ihm gebührte freilich nach dem Wiederkehren
aus dem von Blutrosen und Dornen umsponnenen Eiland die erste Rücksicht.
Dieser verfluchte, stumpfsinnige, lächerliche Mantel! Im Moment haßte der
sich Zurückfindende das elegante Kleidungsstück, dessen knisternde Seide
er eben noch mit kosenden Fingern gestreichelt. Immer deutlicher nahmen
seine schmerzenden Augen wahr, wie störend sich die Erscheinung des
berückenden Geschöpfes darbot, als Marianne jetzt den Degen achtlos auf
das Sofa warf, um sich darauf vor dem kleinen goldgerahmten Wandspiegel
den dunklen Rosenhut sorgfältig auf ihren Flechten zu befestigen. Erstaunt
blickte er auf die ihm abgewandte Gestalt hinüber. Und doch, wie zart sich
die krausen feinen Härchen von dem matt getönten Nacken abhoben! Herr
des Himmels -- ein leiser Seufzer entfuhr ihm -- nein, das ertrug er nicht
länger. All die widersprechenden Empfindungen, all das Unvereinbare
von Anbetung und scheuem furchtsamen Tasten nach der innersten Seele der
Geliebten, es umgab ihn mit einem dichten betäubenden Nebel, aus dem er
sich unbedingt ins Freie retten mußte. Selbst seine Glieder schmerzten,
als würde sein sich bäumender Körper tatsächlich durch feine mutwillige
Hände von Bergesspitzen in Abgründe geschleudert. Und alles aus Neckerei.
Aus Lust an Aufregung und Spiel. Darunter nahm sein Mannestum Schaden.
Eine dumpfe Hörigkeit umschnürte seinen freien Willen, die ihm in den
Augenblicken der Selbsterkenntnis unwürdig und unerträglich dünkte.
Plötzlich reckte er sich. Er war ganz der klare Soldat, dem von allen
seinen Untergebenen ein unbedingtes Vertrauen entgegengebracht wurde.
 
»Marianne,« sagte er unvermittelt klar und bestimmt, »ich habe mit dir
zu reden.«
 
Die junge Dame am Spiegel ließ die vollen Arme, die den Schäferhut in
eine anmutig schräge Lage zu bringen trachteten, nicht sinken, sie kehrte
sich auch nicht zu ihm, sondern, während ihre frischen Lippen die lange
Hutnadel in der Schwebe hielten, da suchten ihre Augen verwundert sein Bild
in der blanken Spiegelscheibe auf.
 
»Du mußt mir einen Augenblick Gehör schenken, Marianne,« drängte der
Offizier weiter und tat einen Schritt gegen sie.
 
»Schon wieder?« murmelte Marianne hinter der blitzenden Nadel undeutlich
hervor. »Fritzchen, daß du ein solches Vergnügen an derartigen
Auseinandersetzungen empfindest. Also was willst du denn, Liebling? Aber
recht rasch, bitte, nicht wahr? Denn sieh mal, von der Sebalduskirche
schlägt es schon halb acht. Johanna hat gewiß bereits wieder ihr
strengstes Gesicht aufgesetzt.«
 
Noch hatte sie nicht geendet, als sie betroffen ihre schwarzen Augen bis
zu der kleinen Eingangstür irren ließ, um dann plötzlich aufgescheucht
ihren blauen Mantel ungestüm über sich zusammenzuziehen. Von der Treppe
her drangen schwere, knarrende Tritte herauf. Verstört flüchtete das
schöne Mädchen bis dicht an die Seite ihres verstummten Gefährten.
 
»Um Gott, Fritz, du erhältst doch nicht etwa Besuch? -- Dein Bursche? --
Aber das ist doch sehr unrecht von dir! -- Wo soll ich denn jetzt hin?«
 
Erregte Worte fuhren zwischen den Beiden hin und her, dann ein hastiges
Aufraffen des weißen Sonnenschirms, ein Huschen und Flattern, und der
eintretende Reddemann bemerkte mit Erstaunen, wie sein junger Herr in
offenbarer Verwirrung abgewandt vor der Tür des Alkovens verweilte, wo
er im Grunde nichts zu suchen hatte. Auch für die leckere Zubereitung
der Menagengerichte, die noch in ihren Schüsseln dampften, schien sein
Gebieter heute keinen rechten Sinn zu besitzen. Unwirscher als sonst trieb
der Offizier, der merkwürdigerweise seinen Platz vor dem Nebenzimmer nicht
aufgab, zur Eile.
 
»Ja, die Serviette muß ich doch wenigstens in den Ring schieben,«
verteidigte sich der Ostpreuße verständnislos, obwohl auch er anfing
aufmerksam nach der niedrigen Verbindungstür zu schielen, »und dann
Messer und Gabel, Herr Leutnant.«
 
»Schon gut, schon gut, es ist alles sehr schön, -- nur rasch!«
 
»Zu Befehl, darf ich nun noch das Bett aufschlagen?«
 
Aber merkwürdig, wie unberechenbar diese Vorgesetzten manchmal werden
konnten. Der noble Herr, der ihn fast niemals fühlen ließ, daß er
zur persönlichen Dienstleistung des Offiziers kommandiert war, er bekam
unvermutet drei schwere Falten über der Nasenwurzel, und während er
nervös nach der leeren Degenscheide griff, schrie er den treu Sorgenden
zum erstenmal rücksichtslos an.
 
»Zum Donnerwetter, ich habe genug von dem langweiligen Geplapper. Mach,
daß du fortkommst!«
 
Jedoch Reddemann blieb begriffsstutzig.
 
»Was, Herr Leutnant, ohne Bett?« stammelte er.
 
Und erst als sein Herr die Degenscheide auf den Erdboden stieß, daß alles
klirrte und bebte, da schlug der Bursche blutrot die Hacken zusammen und
stürzte wie behext die enge Treppe herunter.
 
»Da stimmt etwas nicht,« glitt es dem pfiffigen Patron durch den
Schädel, »so fein hat es bei uns noch nie gerochen. Donnerwetter ja, die
Vornehmen haben doch alles vom Besten.«
 
In dem Zimmer blieb es noch eine kleine Weile still. Erst als der dumpfe
Schlag der Haustür verkündet hatte, daß jede Gefahr der Mitwisserschaft
beseitigt, da raffte sich Fritz Harder zusammen, um mit einem raschen
Entschluß seinen Besuch aus der seltsamen Einkerkerung zu befreien. Und
wie heftig ihm auch das Herz schlug wegen der unwürdigen Rolle, zu der sie
beide durch diese Heimlichkeit verurteilt waren, -- das Bild, das sich ihm
hinter der kleinen Tapetentür darbot, schimmerte in solch bestrickendem
Reiz, daß all die Vorwürfe, die er gegen sich und die Geliebte im stillen
erhob, vor ihm versanken. Da stand Marianne dicht an der Schwelle, das
Haupt mit dem breitrandigen Rosenhut lauschend vorgebeugt, und die Wangen
von Neugierde und Unruhe dunkel überflammt. Die Dämmerung des Alkovens
umgab die matt beleuchtete, weiße Gestalt gleich einem schweren
Ebenholzrahmen. Aufatmend und mit jener Lässigkeit, die den jungen
Offizier schon so häufig betört hatte, trat sie in das helle Wohnzimmer
und knöpfte sich eifriger als sonst die langen weißen Seidenhandschuhe
zu. Offenbar wurde das Mädchen nur von der einen Sucht beherrscht, ihren
Aufbruch so schnell und so unbemerkt als möglich zu vollziehen.
 
»Adieu, Fritzchen,« schnitt sie ihm bereits das erste Wort ab, denn sie
fühlte mit Unbehagen, wie ihr aus den Augen des Gefährten schon wieder
allerlei unbequeme Fragen entgegendrohten, »adieu, mein Liebling. --
Nein, nein, um Gottes willen, rühre mich nicht an, solche ungeschickten
Männerhände sind ja sofort wahrnehmbar. Und Johanna ist der
mißtrauischste Polizist, den du dir denken kannst. Nein, ganz still, ganz
artig« -- und sie preßte ihm rasch die Rechte auf die Lippen, die sich
schon zum Widerspruch oder zu einem Vorwurf geöffnet hatten. »Aber
wenn du recht folgsam bist, komme ich vielleicht einmal auf ein
Viertelstündchen wieder. Adieu, Fritzchen, adieu!«
 
Geschickt schmiegte sie sich durch den schmalen Türritz hindurch, allein
jenseits der Schwelle wandte sie sich und warf noch einmal einen lachenden
Blick zurück. Das Geschirr auf dem Tisch schien ihre Aufmerksamkeit zu
fesseln.
 
»Wie drollig sich deine Wirtschaft ausnimmt,« flüsterte sie hinein, hob
jedoch sogleich den Finger warnend gegen den Mund, damit er sie nicht durch
eine laute Antwort verriete, »wie schade, daß du mich nicht bewirten
konntest! Warum kommt dir eigentlich niemals solch ein hübscher Einfall?
Überhaupt, du verdienst die große Bevorzugung und auch die Gefahr nicht,
der ich mich deinetwegen aussetze. Sst, -- ganz still, Fritzchen, hier hast
du noch eine Kußhand, so -- und nun schlaf wohl, mein Schatz.«
 
* * * * *
 
Fritz Harder hatte seine karge Mahlzeit kaum berührt. Ruhelos schritt er
in der engen Stube auf und nieder, und seine verzogene Stirn deutete
darauf hin, wie sehr er sich bemühte, der widerstrebenden Gedanken Herr
zu werden. Zweimal schon hatte er sich an den Flügel gesetzt, allein
unter seinen geübten Händen waren nur ein paar mißtönende Dissonanzen
aufgeschrillt. Und durch einen heftigen Schlag auf die Tasten wurde das
regellose Spiel beendigt.
 
Nein, das ging nicht. Er mußte sich sammeln und Klarheit gewinnen.
Ungeduldig riß er die Schublade des roten Fichtentischchens auf und warf
ein blaues Heft auf die Platte. Dies war seine Arbeit, von der er sich
einmal Erfolg versprochen. Jetzt blieben seine Augen wirr auf einer sauber
gezeichneten Terrainkarte haften, und er versuchte sich zu besinnen,
warum er mit roter und grüner Tinte verschiedene sich kreuzende Linien
hineingemalt hatte.
 
Alles vergeblich. Der bohrende Gram, die innere Unzufriedenheit mit
sich selbst, sie warfen sein Auffassungsvermögen um, sie schlugen den
stärkeren Menschen in ihm nieder.
 
Nein, es war genug. Törichter Hochmut, sich für besser zu halten und
würdiger als seine Kameraden sich gaben. Und dann -- er lachte bitter
auf, bedeckte sich mit der blauen Mütze, und nach ein paar Minuten schon
klirrte sein metallener Säbel über das Trottoir der menschenleeren Rosenkranzgasse.

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