2015년 11월 29일 일요일

Die Herrin und ihr Knecht 9

Die Herrin und ihr Knecht 9


Ah, Fritz Harder,« rief der lange Janick, als sein Freund das
Spielzimmer des Kasinos betrat; und damit erhob sich der Oberleutnant,
lebhaft winkend, von seinem Sitz, »kommen Sie, Beethoven, hier ist eine
große Neuigkeit eingetroffen. Schieberamsch mit Pauken und Trommeln.
Das müssen Sie lernen, Fritzchen, setzen Sie sich neben mich, so etwas
Anregendes haben wir schon lange nicht erlebt. Prost, Musikante -- prost.«
 
* * * * *
 
Dunkelheit senkte sich bereits über die Stadt. Aus dem Portal des
Goldenen Bechers trat, dicht in einen schwarzen Hängemantel gehüllt, der
bewegliche Kammerdiener des Konsuls Bark heraus, in der Hand ein ziemlich
umfangreiches Briefkuvert, das er im Auftrage seines Herrn dem Leutnant
Fritz Harder in sein Quartier überbringen sollte. Der weiße Umschlag
leuchtete durch die Nacht, als Pawlowitsch achtlos schlenkernd über den
Marktplatz schritt. Noch war der Diener nicht weit gekommen, als seinen
auch jetzt rastlos umherspähenden Äuglein die Umrisse eines Jagdwagens
auffielen, der, mit drei winzigen Pferdchen bespannt, dicht vor der
Einfahrt des zweiten großen Gasthofes der Stadt »Zum russischen
Großfürsten« wartete. Interessiert und auf unhörbaren Sohlen tänzelte
Pawlowitsch näher. Aus der Dunkelheit tauchten zwei Gestalten auf, die
sich augenscheinlich an dem Hinterrad des Gefährts zu schaffen machten.
Ein paar derbe Flüche in russischer Sprache wurden laut, und der
Kammerdiener erkannte sofort das dröhnende Organ des Grenzoffiziers, der
vor ein paar Stunden seinem Herrn die Ehre seines Besuches geschenkt hatte.
 
»Dummes Vieh,« hörte der regungslos Verharrende den Rittmeister Sassin
auf seinen Rosselenker einschimpfen, »hab' ich dir nicht zehnmal gesagt,
daß das Rad quietscht wie eine kranke Katze? Du Hundesohn hast wieder
verschlafen, Fett auf die Achse zu schmieren. Ich schneide dir noch einmal
in Wahrheit beide Ohren ab. Gleich holst du dir von diesen Deutschen etwas
von dem Zeug heraus. Hast du verstanden?«
 
Der zusammengekrümmte Kutscher zog seine hohe Schirmmütze. »Jawohl,
guter Herr,« murmelte er demütig und verschränkte seine Arme über der
Brust. »Euer Gnaden, ich gehorche.«
 
»Zum Teufel, dann mach, daß du fortkommst! Und wenn du fertig bist, dann
holst du mich dort drüben aus der Konditorei ab. Hast du begriffen?«
 
»Ich gehorche, Euer Gnaden.«
 
Der Kutscher trottete in die Einfahrt zurück, und der Rittmeister
schlenderte säbelklirrend über das rauhe Pflaster, bis er plötzlich vor
der schweigenden Gestalt des Lauschers zurückschreckte.
 
»Was ist?« rief er drohend.
 
»Oh nichts, Euer Gnaden,« erwiderte Pawlowitsch sich tief verbeugend,
»ich bin es nur, der Diener des Herrn Konsul Bark.«
 
»Aha -- aha -- Diener -- Diener von ausgezeichnetem Freund Rudolf Bark,«
lenkte der Russe ganz widerspruchsvoll ein, und dabei versetzte er dem
zierlichen Männchen einen wohlwollenden Faustschlag auf die Schulter, so
daß der Überraschte, der eine solche Gunstbezeugung wohl kaum erwartet
haben mochte, ein wenig vornüber taumelte.
 
»Heilige Mutter!« stöhnte der Getroffene leise.
 
Der Russe jedoch ließ von seiner Zärtlichkeit nicht ab, ja, er beugte
seine mächtige Gestalt sogar noch etwas tiefer zu dem Unentschlossenen
herab, als sei es für ihn überaus interessant zu konstatieren, was für
einen weißen Zettel der Diener des ausgezeichneten Rudolf Bark in den
Händen trüge.
 
»Pawlowitsch, guter Junge,« rief er wohlgelaunt, und dabei zupfte er nach
russischer Sitte dem weißhaarigen Kerlchen sanft an dem Ohrlappen herum,
»bist fleißigstes Geschöpf, das ich kenne in dieser fleißigen Stadt!
=Toujours en vedette=, früh und spät. Weißt du auch, daß ich dich
deinem Herrn schon längst ausmieten wollte? Sieh einmal, du trägst Brief,
Pawlowitsch!«
 
»Oh,« erwiderte der Hausmeister, der einen Augenblick zögerte, bis er
dann doch die Aufschrift des Kuverts nach oben kehrte, »an den Leutnant
Fritz Harder«.
 
»Leutnant Fritz Harder,« wiederholte der Dragoner in beglücktem Ton,
»ach, sieh einmal, wirklich an lieben Fritz Harder.« Und nach einer Weile
des Nachdenkens, während deren sich der Russe rasch den blonden
Kinnbart strich, setzte er hinzu: »Mir ist, als ob junger Herr bei der
Festungskommandantur beschäftigt wäre?«
 
»Ja,« pflichtete Pawlowitsch immer langsamer bei, indem er den Brief
vorsichtig unter dem herabwallenden Hängemantel vergrub, »der Herr
Leutnant ist seit kurzem dazu kommandiert.«
 
»Nun, will nicht aufhalten,« sagte der Russe freundlich, »besorge
Auftrag, Pawlowitsch. Aber warte, -- sollte ich heute nicht vergessen
haben, dir dein gewohntes Trinkgeld zu überreichen?«
 
Jetzt schüttelte der Diener heftig abwehrend das Haupt, allein er
konnte es doch nicht verhindern, daß seine schwarzen Äuglein trotz der
Dunkelheit einen höheren Glanz gewannen.
 
»Nein, nein, Euer Gnaden, ich habe nichts zu beanspruchen. Der Herr
Rittmeister haben ja nichts bei uns genossen.«
 
Der Russe jedoch streckte wiederum seine Faust nach dem Ohrläppchen des
nicht mehr Zurückweichenden aus.
 
»Kleiner Galgenvogel,« meinte er gutmütig, »hast du vergessen, daß ich
euch beinahe eine ganze Flasche von wunderschönen klaren und lieblichen
Rheinwein austrank? Ein schöner Wein, ein seltener Wein! Wir Russen
sind dankbar, wir erinnern uns stets der treuen und braven Diener.
Hier, Pawlowitsch, nimm. Macht mir Freude, wenn du an Rittmeister Sassin
denkst.«
 
War es Ernst oder bestand alles in einem Irrtum? Gott im hohen Himmel, da
hielt der Mann im Radmantel ein blankes Zwanzigmarkstück in der Hand; der
über dem Markt heraufkommende Mond weckte Funken in dem roten Metall, und
es war ein so einzig schönes Bild, daß Pawlowitsch seine langen Finger
krampfhaft schloß, als gönne er es anderen nicht, sich an dieser
wärmenden Augenweide zu ergötzen. Und doch krümmte sich seine Seele und
wand sich ängstlich hin und her, denn die Güte des Rittmeisters erschien
dem kundigen Mann verdächtig, und ein quälender Zweifel beschlich ihn, ob
jenes Gold nicht vielleicht dazu bestimmt wäre, um die besseren
Mahnungen seines Herzens zu übertönen. Man hatte so viel von den rauhen
Grenznachbarn gehört, sie waren so lüstern nach diesen oder jenen
gleichgültigen Dingen, die den Uneingeweihten gänzlich nebensächlich
erschienen, und die dann doch plötzlich eine besondere Geltung gewinnen
konnten. Und dann -- die Versucher von dort drüben sollten sich im
Besitz von ungeheuerlichen Schätzen befinden, die sie wahllos und
verschwenderisch über die ihnen Ergebenen und Willfährigen ausstreuten.
Hatte sich Pawlowitsch, der Listige und Verschlagene, nicht schon oft
heimliche Gedanken darüber gemacht, wie hübsch es wäre, wenn man die
groben ungeschlachten Kerle von jenseits der Grenze ein wenig necken
würde? Natürlich nur ein bißchen aufziehen, um sie hinters Licht zu
führen, denn man wußte ja eigentlich gar nichts, was die neugierige
Gesellschaft wirklich interessieren könnte. Aber als der Hausmeister jetzt
das kalte Goldstück mit seinen langen Spinnenfingern umschloß, da gab es
ihm doch einen brennenden Stich durch alle Adern hindurch, und einen
Moment schlugen Angst und Feigheit so stark in ihm empor, daß er fast ohne
Überlegung die Hand ausstreckte, um das liebe, das schöne, das reiche
Geschenk wieder von sich zu schleudern.
 
»Da -- da -- Panne Rittmeister --«
 
»Was willst du, mein lieber Junge?«
 
»Ich -- ich« -- das Kerlchen im Radmantel erwachte -- »ich wollte Ihnen
bloß herzlich danken, Herr Rittmeister,« sagte er schmerzlich.
 
Der Russe jedoch versetzte ihm einen freundschaftlichen Puff vor die Brust,
so daß dem ohnehin Bedrückten einen Moment lang die Luft fortblieb.
 
»Schon gut, Pawlowitsch,« hörte er die dröhnende Stimme dicht vor
seinem Ohr, »das ist nur Kleinigkeit. Du gefällst mir, du gefällst mir
wirklich. Und dann -- wir sind ja auch halbe Landsleute. Wer weiß, was ich
noch alles für dich tun kann? Und nun geh und richte deinen Auftrag aus,
bei lieben Leutnant Fritz Harder. Wo wohnt er doch noch?«
 
»Er wohnt Rosenkranzgasse 19,« schlich dem Diener die Stimme mühsam
aus der Kehle. Und sich windschief verbeugend, schlug der Davoneilende
ein Kreuz unter dem langen Mantel, indem er noch erstickt hinterher zu
flüstern versuchte: »Jesus, Maria und Joseph, legt Fürbitte ein!«
 
Als Pawlowitsch dies herausstöhnte, schlug es von der Sebalduskirche die
zehnte Stunde. Das Glockenspiel des Meisters Adameit begann wieder seine
glasklaren Melodien zu spielen: »Wer nur den lieben Gott läßt walten.«
Da trat Pawlowitsch der Schweiß auf die Stirn. Fester und gieriger preßte
er die Goldmünze in seiner Hand zusammen, als müsse er sich durchaus an
etwas Irdisches klammern, und doch bröckelte es von seinen Lippen noch
einmal wie vorhin, nur schaudernd und abwehrend:
 
»Jesus, Maria und Joseph, wie leicht kann man das Geld auf dieser Erde
verdienen. Wie leicht -- legt Fürbitte ein!«
 
 
 
 
III.
 
 
Durch die langen schmalen Eichen vor dem Herrenhause von Maritzken
raschelte der Frühwind. So eng beschnitten hatte man die dunkelgrünen
saftigen Kronen, daß man die Bäume in der Ferne für hochstrebende
Pappeln halten konnte. Nun wiegten sich die Wipfel im weißen Sonnenlicht
des Julivormittags und warfen schwankende Schatten auf den grob
gepflasterten Hof, der trotz beginnender Ernte und obwohl er von
Leiterwagen und Pflügen besetzt war, so sauber aussah, als wäre er für
eine besondere Feierlichkeit aus vielen Wasserschläuchen überspült
worden. Auch die umgebenden Wirtschaftsgebäude blitzten stets unter einem
weißen Anstrich, denn es machte den Stolz der Herrin von Maritzken aus,
daß sich das von ihr bewirtschaftete Gut immer in weithin leuchtender
Weiße zeige. Unter dem viereckigen Toreingang aber stand Johanna Grothe
selbst, und die Sonnenstrahlen hüllten ihr lockeres Haar in eine Goldhaube
ein. Vor ihr verharrte in Hemdsärmeln die untersetzte Figur ihres
Statthalters, der sein kleines zehnjähriges Töchterchen an der Hand
führte.
 
»Nun, Baumgartner,« fragte Johanna den Mann mit der vorzeitig
durchfurchten Stirn freundlich, »wie weit halten wir heute?«
 
Da berichtete der treu sorgende Verwalter, der die Angewohnheit aller
älteren Landleute besaß, die Gutsangelegenheiten nicht allzu rosig
darzustellen, wie man bei der Rapsernte auf ganz verfluchte Flecken
gestoßen sei, die mit nichts als Unkraut und Hederich bewachsen wären.
 
»Da ist wieder ein toller Hund gelaufen,« sagte der Landmann nach dem
Aberglauben der dortigen Gegend.
 
»I, lassen Sie nur, Baumgartner,« tröstete Johanna lächelnd, »unser
Raps selbst steht fett und gut. Es kann einem das Herz im Leibe lachen.«
 
Der Mann kraute sich leicht hinter dem Ohr. »Na ja, Fräuleinchen, aber
mit dem Kartoffelumwerfen, da kommen wir nicht richtig vorwärts. Uns
fehlen Pferde. Ponnies müßten wir haben, mit schmalem Tritt.

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