2015년 11월 29일 일요일

Die Herrin und ihr Knecht 14

Die Herrin und ihr Knecht 14



So, nu laß aber mal das Trommeln,« forderte plötzlich eine energische
Stimme neben ihr, und als sie, aus ihren Träumen gerissen, das blonde
Haupt ein wenig wandte, da mußte sie zu ihrer eigenen Erheiterung
wahrnehmen, wie der Riese von Sorquitten in seinem gelben Sportanzug
ebenfalls den mächtigen Rücken gegen die Stalltür drängte; und nun
stand er mit leicht überschlagenen Beinen da, ohne es jedoch natürlich
für nötig zu halten, die gewaltigen Fäuste aus den Taschen zu ziehen.
»Du stellst dir wohl vor,« fragte er ruhig weiter, »wie das hier
sein wird, wenn das Gesindel von dort drüben auf seinen Kalbsfellen
Generalmarsch schlägt? Die verfluchten Hunde!« Und während er
angelegentlich auf seine gelben Schnürstiefel herunterstarrte, murmelte er
in angenommener Gleichgültigkeit: »Sag mal, Johanna, jetzt könntest du
doch endlich deine weisen Pläne gefaßt haben. Willst du nun meine alte
Dame begleiten?«
 
Es klang durchaus nicht so, als ob der große Mensch in Herzensangst um ihr
Schicksal bebte. Darin bestand ja ohnehin nicht seine Art, sobald es
sich um andere handelte. Aber die große Blonde wurde doch von einer
vorüberhuschenden Rührung erfaßt, als sie sich vorstellte, daß sich
überhaupt ein Mensch um ihr Wohlergehen bekümmere.
 
»Fedor,« begann sie deshalb zutraulich, »entdecke mir mal ganz offen,
lieber Junge, weshalb du dich so bemühst, mich von hier fortzulocken?
Liegt dir wirklich bloß daran, eine passende Gesellschaft für deine
Mutter zu finden? Oder wäre es dir im Ernst peinlich, wenn ich durch eine
fremde Einquartierung Unannehmlichkeiten erführe?«
 
»Na, natürlich wäre es mir peinlich,« brummte Herr von Stötteritz,
zog den einen Schuh noch etwas weiter in die Höhe und klopfte sich
angelegentlich den Staub ab. Und indem er etwas möglichst Gleichgültiges
zu erfassen strebte, stieß er noch hervor: »Vor allen Dingen möchte ich
selbstverständlich den Lumpen den Spaß versalzen, einer mir nahestehenden
Dame hier irgend etwas vorschreiben oder gar befehlen zu wollen.«
 
»So so, daran denkst du,« meinte Johanna schon um vieles mehr
ernüchtert. »Wenn ich dir nun aber anvertraue, daß ich an dieses ganze
Kriegsmärchen keineswegs glaube, was dann?«
 
Der Riese ließ sich gegen die Stalltür fallen, daß sich ein dumpfes
Dröhnen erhob.
 
»Dann erkläre ich dir,« sprudelte er ihr ungehalten entgegen, »daß du
eine halsstarrige Person bist, die für derartige Dinge nicht das richtige
Verständnis besitzt.«
 
»Ach, sieh einmal, was du liebenswürdig sein kannst!«
 
»Aber ich will ja gar nicht liebenswürdig sein,« schrie jetzt der Riese
außer sich, der völlig vergaß, daß ihn ursprünglich eine viel zartere
Absicht hierher geleitet, »ich will ja bloß, daß hier alles nach Ordnung
und Recht zugeht, damit du keinen Schaden leidest.«
 
»Dafür danke ich dir,« versetzte Johanna, indem sie wieder in ihre
kühle und unnahbare Haltung zurückfiel, denn die derbe Weise des
Rittmeisters empörte sie innerlich. »Aber da ich mir einmal angemaßt
habe, meine Wirtschaft nach eigenem Gutdünken zu leiten, so mußt du es
mir auch anheimstellen, ob ich es für richtig halte, mein Anwesen ohne
Aufsicht zu lassen.«
 
»Donnerwetter ja,« fuhr jetzt der Riese auf und schlug mit geballter
Faust gegen das Holztor, »mein Inspektor und ich können das doch auch
besorgen?«
 
»Ja gewiß,« wollte die Angegriffene hier abermals einlenken, jedoch der
völlige Mangel an Selbstbeherrschung, den der Gutsbesitzer so polternd
bewies, er löschte ihr das Verständnis für die verborgene Gutmütigkeit,
die seinen Absichten zugrunde lag, von neuem aus. »Ja gewiß, Fedor,« gab
sie zu, »ich empfinde dein Anerbieten als sehr uneigennützig, aber meine
Leute sind zu sehr an meine eigene Behandlung gewöhnt, als daß ich sie
gerade in den Zeiten der Not einer schärferen Methode aussetzen möchte.«
 
»Aha!« Herr von Stötteritz stieß einen gellenden Pfiff aus. »Daher
geht der Wind,« lachte er ingrimmig, »du hast unausgesetzt an mir etwas
herumzutadeln. Die ganze Richtung paßt dir nicht, wie, Cousinchen? Das
Junkertum, wie du es nennst, das Echt-Preußische? So sage es doch, nicht
wahr, das kannst du nicht leiden?«
 
Über der Stirn des Mädchens zogen ein paar Falten auf. Sie sah wieder
sehr herb und ablehnend aus, als sie jetzt kurz hervorbrachte:
 
»Ich weiß zwar nicht, was dir an meiner Ansicht liegt, aber wenn du
darauf bestehst -- nun ja, ich kann mir manches anziehender vorstellen, als
die von dir bezeichnete Art.«
 
»So, das wollte ich nur wissen,« knurrte der Herr von Sorquitten, dem
es trotz der aufsteigenden Enttäuschung so vorkam, als ob er eine
widerwärtige Schulaufgabe endlich erledigt hätte. »Dann brauchen wir ja
nicht mehr länger das abgeleierte Thema abzuhaspeln. Du glaubst uns
nicht und hast wahrscheinlich Ratgeber, die die Lage viel gründlicher
zu beurteilen vermögen, als solch beschränkte Stoppelhopser. Schön,
Mariellchen, ich wünsche natürlich in unser aller Interesse, daß diese
superklugen Leute recht behalten. Inzwischen wirst du mir wohl beistimmen,
wenn ich für meine alte Dame anspannen lasse. Ich habe vor Tisch nämlich
dort drüben in Sorquitten noch Verschiedenes anzuordnen. In meiner
wenig anziehenden Art, natürlich. Na, mir bleibt wenigstens der Trost,
Cousinchen, daß dir über den schnellen Abschied nicht das Herz brechen
wird, was?« Damit richtete sich Herr von Stötteritz auf, schüttelte
sich, als wenn er in der trockenen Luft von einem Platzregen durchnäßt
wäre, und rief schallend über den Hof nach seinem Kutscher.
 
Mächtig ausholenden Schrittes suchte er den Hauseingang zu erreichen, um
seine Mutter von der bevorstehenden Abfahrt zu unterrichten, jedoch mitten
zwischen den Pfosten sah er sich noch einmal zurückgehalten. Dicht
neben ihm stand Johanna, und sie griff jetzt rasch nach dem Arm des sie
Überragenden, um ihn ein wenig hin und her zu zausen, als ob sie den
Unwirschen zur Besinnung zu bringen wünsche.
 
»Fedor, du wirst doch wegen einer solch kleinen Meinungsverschiedenheit
nicht böse sein?« mahnte sie eindringlich.
 
Der Riese sah sie ungewiß von der Seite an, knurrte etwas
Unverständliches, aber ihr herzlicher Ton verfehlte nicht den
beabsichtigten Eindruck.
 
»Fällt mir ja gar nicht ein,« rang er sich noch immer etwas unwillig
ab, obwohl ihm dieses verdammte Schuljungengefühl unter ihren Augen nicht
recht weichen wollte. »Wieso böse? Habe für solche Geschichten wie
Familienfehde oder dergleichen absolut kein Verständnis. Im übrigen
bist du ja auch eine ausgewachsene Person, und meine Mutter sagt immer
aufgenötigte Suppe schmeckt schlecht. Also lassen wir's! -- He,«
rief er laut aus der Tür heraus, »Friedrich, fahr' mal hier vor,
ganz dicht ran. Und du, Hans,« wandte er sich in seinem gewöhnlichen
Befehlshaberton zu seiner Begleiterin, »laß mal auf der Stelle den
Tritt hinsetzen. Meine alte Dame behauptet sonst wieder, sie wäre keine
Seiltänzerin. Also allons, Kinder, ein bißchen Musik in die Knochen, und
dalli, dalli.«
 
 
 
 
IV.
 
 
Dicht an der Chaussee, die sich an Maritzken vorüberschlängelte, hart
an der Grenze eines hochwogenden, schwer nickenden Weizenfeldes, da gab
es einen lauschigen, einen heimlichen Platz. Ein alter, verkrüppelter
Kirschbaum senkte hier sein Geäst so niedrig und struppig herab, daß
unter seinem Dach kühler, wohltuender Schatten wohnte, selbst wenn um ihn
herum das heiße Sonnenlicht in Wogen über die Landstraße fortspülte.
Die astumzäunte Rundung war so recht ein Schlupfwinkel, um sich dort
verkriechen und zwischen den herniederhängenden Zweigen hindurchblinzeln
zu können, auf alles, was sich auf der Landstraße begab. Hier hatte der
Rotkopf der Grothe-Marjellen, die kleine Isa, als sie noch kurze Kleider
trug, oft wie ein Hund zusammengekauert gelegen, und es war ein herrliches
Vergnügen gewesen, wenn sie den vorüberlaufenden Dorfjungen aus ihrem
sicheren Versteck heraus kleine Kieselsteinchen gegen die Mützen
werfen durfte. Hei, und wie gut sie treffen konnte! Ja, das verstand sie
wundervoll. Und so oft eine der plumpen Kopfbedeckungen in den weißen
Sand rollte und vom Wind noch überdies wie ein kurbelndes Rad hinweggefegt
wurde, dann war unter den Kirschbaumzweigen in früheren Zeiten häufig
ein verdecktes Lachen aufgequollen, ein unbestimmbares, schadenfrohes,
kaum vernehmliches Jauchzen, das auf Mitleidsempfindungen der versteckten
Übeltäterin keine allzu bestimmten Rückschlüsse freigab. Inzwischen war
Fräulein Isa jedoch eine junge Dame geworden. Und wenn auch ihre Gewänder
noch manchmal wild und zerknittert an der geschmeidigen, gertenhaften
Gestalt herabflatterten, und obwohl es dem Rotkopf noch immer keine Sorgen
bereitete, sich gelegentlich unter den alten Kirschbaum mit aufgestützten
Ellenbogen auf das grüne Wiesengras zu betten, bis die Feuchtigkeit kalt
an ihrer Brust zitterte, -- seit ein paar Wochen war ihr leider selbst
diese harmlose Erfrischung von der ältesten Schwester, die so gar kein
Verständnis für derartige Freuden besaß, verkümmert worden. Eines
Morgens lehnte nämlich eine grün angestrichene Bretterbank an dem alten
Kirschenstamm, und seit dieser unwillkommenen Entdeckung saß Isa Grothe
zur heißen Mittagszeit lässig vornübergebeugt auf dem neuen Sitz und
ließ ihre braunen Goldaugen gierig auf einem gelben Büchlein in ihrem
Schoße ruhen, das sie ihrer sorglosen Schwester Marianne heimlich
entwendet. Himmel, da standen ganz absonderlich verirrte Dinge drin, die
Fräulein Isa selbstverständlich längst ahnte und billigte, von denen
sie jedoch nie geglaubt hätte, daß sie das Blut so angenehm aufpeitschen
könnten. Selbst hier draußen auf dem langweiligen Lande.
 
Langsam röteten sich die Wangen in dem feinen Gesichtchen, und ab und zu
riß das junge Geschöpf halb unbewußt heftig an den herniederhängenden
Zweigen herum, als ob sie unwillig sei oder irgend etwas nicht mehr länger
erwarten könne. Der Kirschbaum rauschte dann über ihr, und hereinfallende
Sonnenstrahlen schossen wie weißglühende Pfeile über das gelbe Buch
fort, bis Fräulein Isa gestört mit der Hand nach ihnen schlug.
 
Eben zupfte die wohlgepflegte weiße Hand in den Blättern herum, denn
die Leserin konnte vor fieberhafter Neugier nicht erwarten, die nächsten
Seiten umzuwenden, da knisterte etwas in den Zweigen, ein Schatten fiel
dunkel und verdeckend auf das Buch, und die Emporzuckende erkannte mit
einem leisen Ruf der Überraschung, wie eine Frauengestalt sich eilfertig
von der Seite durch die herabhängenden Äste hindurchdrängte.
 
Im nächsten Moment hatte die Kleine zuvörderst das geraubte Buch unter
die Bank geworfen.
 
»Marianne!«
 
»Jawohl, guten Tag, Isa.«
 
»Guten Tag. Wie kommst du hierher?«
 
»Ich?«
 
Die Brust der sonst so unempfindlichen Marianne atmete stark, es schien,
als hätte sie einen heftigen Lauf hinter sich. Ja sogar der keck
geschnittene enge Lodenrock zeigte Spuren von Gräsern und Kletten, die an
ihm hängen geblieben waren. Dazu blitzten die schwarzen Augen, und aus
den dunklen Haaren hingen ein paar Löckchen regellos in den Nacken hinab.
Hastig stützte sich das schöne Mädchen mit der Rechten auf die Banklehne
und beugte sich spähend vor, so daß ihre weiße Leinenbluse beinahe die Wange der Schwester streifte.

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