2015년 11월 29일 일요일

Die Herrin und ihr Knecht 19

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Die Herrin und ihr Knecht 19

Bravo,« sagten einige Stimmen. »Haben Sie gehört? Weiches Stroh. Das
ist ein ganz vorzügliches Bild. Wladimir Petrowitsch ist der geborene
Redner.«
 
»Und dann,« schnaubte der Gouverneur aus seiner einsamen Höhe und
fuhr gewohnheitsmäßig mit dem Taschentuch über die Hakennase, »Herr
Miljutin, ich wundere mich, warum Sie die Hauptsache vergessen. Ist man
nicht auf der ganzen Erde gegen uns in Liebe entbrannt? Die glorreiche
französische Nation schätzt die Originalität unseres Geistes und sieht
in unserer ungebändigten Kraft« -- der Gouverneur erinnerte sich hier
an eine kürzlich gelesene Floskel, warf sich in die Brust und krächzte
schwimmend in Selbstbewunderung und Genuß -- »ja, sie sieht in uns eine
gigantische Dampfwalze, dazu bestimmt, eine breite Straße zu ebnen, auf
der das französische Genie uns entgegeneilt, um uns zu umarmen.«
 
Die ganze Gesellschaft applaudierte. Rufe des Entzücken wurden laut,
und die Beamten des Gouverneurs schlürften jene Floskel in sich ein, als
müßten sie eine fette Auster kunstgerecht über die Zunge gleiten lassen.
Die runde Kugel aber, die dem Gouverneur angetraut war, rollte auf
die Gattin des Obersten aus Mariampol zu, umarmte sie, wobei sie ihre
fleischigen Arme freilich nur um die Hüften der Tatarin schlingen konnte,
und küßte die junge Frau auf die Brust.
 
»Maria Geschowa,« entlud sie sich stürmisch, »hörten Sie, wie Wladimir
Petrowitsch sich eben über die Lage äußerte? Oh, es ist nichts Kleines
um einen politischen Blick. Wie glücklich müssen Sie sein, Teuerste, weil
Sie in Frankreich Ihre Erziehung genossen. Wie beneide ich Sie!«
 
»Darf ich Ihnen ein Glas Tee bereiten, Exzellenz?« warf die Tatarin
ziemlich gleichgültig hin, als ob ihre Gedanken mit etwas ganz anderem
beschäftigt wären. Und wirklich, die dunklen Augen der jungen Frau
flammten über die gepolsterten Schultern der Gouverneurin hinweg und in
eine matt erleuchtete Ecke. Und so gepackt und gefangen beugte sie das
schmale Haupt nach jener Richtung, daß ein großer Teil der anwesenden
Herren, für die Maria Geschowa mit ihrer lächelnden orientalischen
Verführungskunst überhaupt den Mittelpunkt bildete, sich gleichfalls
über den dämmrigen Platz vergewissern mußte.
 
Ganz plötzlich trat in dem lebhaften Gespräch eine Stille ein.
 
Selbst der Gouverneur Bobscheff stieg aus seinen Weihrauchswolken hinab
und entdeckte mit steigendem Mißbehagen, wie dort hinten an dem einsamen
runden Tisch der Bergbaustudent Alexander Diamantow saß, das Haupt mit den
überquellenden schwarzen Haaren in beide Hände gestützt. Der junge Mann
schien, leidenschaftlich in sich versenkt, das Bild der schwatzenden Menge
absichtlich von sich fernhalten zu wollen. Unbeweglich und tief gebeugt
verharrte er, nur die rasch atmende Brust zeigte, daß ihn etwas quäle.
 
»Alexander Isidorowitsch,« krächzte Bobscheff fast kreischend.
 
Durch den schmalen Körper des Angerufenen ging ein Zucken. Und
merkwürdig, in der gleichen Sekunde wurde auch der dunkelhäutige Nacken
der Mariampolerin von einem kurzen Schauer überkräuselt. So völlig
vermochte sich die Leidenschaftliche in die Stimmungen der Menschen zu
versetzen, die sie interessierten.
 
Langsam ließ der Student seine Rechte sinken, und um seinen
ausdrucksvollen bartlosen Mund spielte ein mattes Lächeln, als er die
gereizte Giraffe jetzt mit einer merkwürdig tiefen und für seine Jugend
ungewöhnlich markigen Stimme fragte:
 
»Wünschen Sie etwas, Exzellenz?«
 
»Ja -- ja gewiß, Alexander Isidorowitsch, sind Sie krank?«
 
»Ich? -- Durchaus nicht -- oder doch nur so, wie die meisten meiner
Altersgenossen.«
 
»Was meint er damit?« flüsterten ein Paar der Offiziere verständnislos,
»was meint der verfluchte Jude damit?«
 
Man war allgemein empört. Nur Herr Miljutin der Ältere schob seinen
schwarzen Gehrock zögernd neben den Sitz des Studenten, denn in seinem
verängstigten Gemüt dämmerte es, der hagere bartlose Mensch könne
womöglich sein einziger Bundesgenosse in diesem Kreise von Wütenden und
Blutlechzenden sein. Außerdem war Diamantow ein Jude und liebte deshalb
gewiß das Geld und die geschäftliche Sicherheit.
 
»Fahren Sie fort, junger Mann,« hauchte der Fabrikant hinter dem Stuhl
des Ingenieurs beinahe unhörbar und begann ermunternd die Lehne des
Sessels zu streicheln.
 
Aber auch Maria Geschowa schritt mit ihrem kräftigen wiegenden Gang
geschmeidig an das runde Tischchen heran und setzte ohne Überlegung das
Teeglas, das sie eigentlich für die Gouverneurin bestimmt hatte, vor
Alexander Diamantow nieder. Das dunkle, kräftige Organ des Studenten hatte
etwas in ihren Adern entzündet und brannte dort weiter. Inzwischen hatte
sich der Gouverneur gleichfalls an das Tischchen herangedrängt und pochte
jetzt mit seinen langen Knochenfingern höhnisch auf die Platte:
 
»Mir scheint, Alexander Isidorowitsch,« überschlug er sich fast vor
Heiserkeit, »Sie mißbilligen unsere große heilige Sache? Sie haben kein
Herz für sie. Ist es möglich, daß Menschen so denken, die unserem Staate
eigentlich zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet wären? Herr, Sie sind noch
jung, stehen Sie etwa gar in einem militärischen Verhältnis?«
 
»Wie gründlich Wladimir Petrowitsch vorgeht,« verkündete Frau Bobscheff
hier mit großer Bewunderung.
 
»Ja, ich bin Offizier,« sagte Diamantow ruhig und erhob sich.
 
»Er ist Offizier,« echote es im Kreise. »Man denke, -- wie
fürchterlich.«
 
»Herr, und in einer solchen Stellung, da fehlt Ihnen die Begeisterung für
die Zukunft unseres Volkes?« schnaubte Herr Bobscheff weiter.
 
»Sie fehlt mir nicht,« entgegnete der Student ruhig, indem er seine
Hände in die Seitentaschen seines einfachen Jacketts vergrub, »ich suche
sie nur nicht in kriegerischen Eroberungen.«
 
»Und warum nicht?« fragte Maria Geschowa, die ihm jetzt, nur durch das
Tischchen getrennt, dicht gegenüberstand. Ihre heißen Augen tranken dabei
schon im voraus die Antwort von seinen hageren Zügen, und ihre Finger
glitten auf der Tischplatte unmerklich gegen die seinen, als wünsche sie
ihn dadurch zu ermuntern. »Und warum nicht?«
 
»Weil ich fürchte -- --,« sagte der von allen Seiten Bedrängte, der
sehr gegen seinen Willen zum Mittelpunkt der Unterhaltung geworden war,
und zu gleicher Zeit wich er dem Blick von Maria Geschowa aus und
starrte unverwandt auf das Muster des persischen Teppichs, »weil ich
fürchte -- -- --«
 
»Was fürchten Sie zum Teufel?« inquirierte die Giraffe unbarmherzig
weiter.
 
»Ich fürchte,« äußerte Diamantow mit geschlossenen Lidern, wie wenn er
sich dadurch von den anderen abschließen könnte, »daß die spärlichen
Keime einer freien Entwicklung, die von der Jugend hie und da gesät
wurden, durch die Kriegsmaschine entwurzelt, zerstampft und wieder auf
ganze Epochen unterdrückt werden könnten.«
 
»Ja,« sprach Maria Geschowa ganz leise.
 
Es hörte sie niemand, nur Alexander Diamantow hob die schweren Augenlider
überrascht in die Höhe und sah die junge schöne Frau sonderbar an. Es
lag etwas wie ein Erkennen in diesem kurzen sprechenden Blick, den die
beiden miteinander tauschten. Dann schob sich der Student durch die
widerwillig sich öffnenden Reihen hindurch und gedachte, vornübergebeugt
wie stets, in das Billardzimmer zu treten, aus dem das harte
Aufeinanderprallen der Elfenbeinbälle deutlich herüberklang. Vor
der Schwelle jedoch wurde er noch einmal am Arm von dem Gouverneur
zurückgehalten, der ihm nun in seiner ganzen Länge und zitternd vor
Erregung den Weg vertrat:
 
»Alexander Isidorowitsch,« hustete Herr Bobscheff in einem krampfhaften
Anfall, »verwünschte Heiserkeit -- in Momenten der Leidenschaft
übermannt sie mich stets -- als Haupt der Verwaltung fühle ich mich für
die Stimmung innerhalb meines Kreises verantwortlich. Sie würden mich
deshalb sehr beruhigen, -- nein wirklich, junger Mann, sie könnten
außerordentlich viel zu der inneren Fassung der Anwesenden beitragen, wenn
Sie mir jetzt einen offenen und ehrlichen Aufschluß über Ihre Meinung
erteilten. Es ist doch selbstverständlich, Alexander Isidorowitsch, --
verzeihen Sie, wenn ich mich so in Ihr Vertrauen dränge, allein ich bin
es meiner Stellung schuldig -- ich setze voraus, daß Sie als Offizier Ihre
Pflicht tun werden!«
 
Ein Ausruf des Unwillens folgte. Er kam von der Frau des Obersten, die ihre
Hand quer durch die Luft warf, eine Zigarette an sich riß und rasch an
ihren Platz unter dem Fenster zurückkehrte. Der Bergbauingenieur an der
Schwelle jedoch richtete sich hoch auf. Eine Sekunde lang verzerrten sich
seine Züge, und aus den dunklen Augen schoß ein solcher Strahl von
Haß, daß die Offiziere unwillkürlich sich näher um die Giraffe
zusammenscharten.
 
»Um Allerheiligen willen,« stammelte Herr Bobscheff und sank in ihrem
Kreise zusammen, denn durch sein verschüchtertes Gemüt blitzte plötzlich
die Erinnerung, daß dieser aufrührerische Jude unter den Kohlenarbeitern
einen zahlreichen Anhang besäße. »Teuerster Freund, Sie werden mich doch
recht verstehen?«
 
Inzwischen hatte der Student seine Hände wieder müde in die Taschen
gleiten lassen. Nun neigte sich die gestraffte Gestalt abermals leicht nach
vorn, und um den bartlosen Mund glitt ein kühles, resigniertes Lächeln,
als er mit seiner dunklen Stimme stark und rückhaltlos erwiderte:
 
»Wozu wollen wir hier erst Selbstverständliches erörtern? Wir sind es
gewohnt, unseren eigenen Willen unterzuordnen. Ich werde ebenso handeln,
Exzellenz, und gehorchen. Das ist die Stimmung Ihres Kreises.«
 
Er nickte noch einmal bekräftigend mit dem schwarzen Haupt, drängte
seine schlanke Gestalt durch die schweren Falten des Vorhangs und
war verschwunden. Nur von nebenan hörten die Zurückbleibenden eine
ungewöhnlich wohlklingende und einschmeichelnde Stimme rufen:
 
»Ah, Sie sind es, Alexander Isidorowitsch! Bei den strahlenden Jungfrauen
von Kasan, wie kommen Sie hierher in den Kohlenstaub? Rasch, unser Spiel
ist beendigt, dem Himmel sei Dank, daß sich eine wirkliche, lebende Seele
zu uns verirrt. Wollen Sie eine Zigarette, Alexander Isidorowitsch?

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