2015년 11월 29일 일요일

Die Herrin und ihr Knecht 2

Die Herrin und ihr Knecht 2



Es paßt sich nicht, daß du dich jetzt schon mit dem jungen Offizier
triffst, so weit halten wir noch nicht. Aber wenn ich zurückkomme,
dann werden wir mehr wissen. Und nun benehmt euch dort drinnen nicht zu
ausgelassen.«
 
»Ja, ja, wir werden uns Mühe geben,« erwiderte die dunkelhaarige
Marianne achselzuckend; und dann verschwanden die Grothe-Fräulein hinter
der Glastür des Gasthauses, ohne der Ältesten noch einen besonderen Gruß
gegönnt zu haben.
 
Johanna aber wartete ruhig ab, bis der halbwüchsige Kutscher die beiden
Rappen ausgespannt und in den Stall geführt hatte. Und erst, nachdem sie
noch angeordnet, welche Zehrung der Junge zu sich nehmen solle und aus
welchen Geschäften Pakete eintreffen würden, da schritt sie endlich mit
ihrem festen, sicheren Gang quer über den Marktplatz herüber. Das
edle griechische Haupt mit den harten, blauen Augen trug sie wieder hoch
aufgerichtet, und unter dem dünnen Schleier leuchtete die weiße Haut, als
ob wirklich ein altes Götterbild auf den Einfall geraten wäre, hier
auf dem ostpreußischen, schlecht gepflasterten Marktplatz majestätisch
dahinzuwandeln. So stolz und selbstsicher mutete das Bild an, daß selbst
ein paar schlanke Gymnasiasten, die auf dem Platz eine wichtige Besprechung
abhielten, hochachtungsvoll an ihren hellblauen Mützen rückten, um
untereinander zu tuscheln:
 
»Das ist die Älteste von Maritzken, ein feines Weib! Kuck, sie geht
in den Goldenen Becher zu Konsul Bark. Donnerwetter, wenn man doch
auch -- --«
 
Und dann kam die Hochgewachsene ganz nahe, und die Jungen dienerten und
schwenkten ihre Kappen.
 
* * * * *
 
In dem großen Gewölbe des Goldenen Bechers brannten bereits die
Gasflammen. Sie verlöschten niemals unter den gotischen Bogen. Denn
obwohl über der alten Stadt das Leuchten und Schimmern eines wolkenlosen
Sommertages lag, hier drinnen in den niedrigen Gewölben der ehemaligen
Probstei herrschte eine beständige kühle Dämmerung. In dem Raum selbst
aber schwirrte und summte und knirschte es durcheinander. Achtzehn junge
Leute, alle mit sauberen grünen Schürzen angetan, bedienten die sich
drängenden Kunden, und alle Augenblicke sah man das schneeige Weiß des
aufgeschütteten Salzes blitzen, graue Staubwolken von Mehl schwebten
dahin, der Zucker knirschte, stark gebrannter Kaffee verbreitete seinen
aromatischen Duft, aber auch Weinflaschen verließen ihr stauberfülltes
Lager und ganze Berge von blechernen Konservenbüchsen verschwanden in
den mächtigen Körben der Einholenden. Auf der anderen Seite des
hochgewölbten Torweges, dicht vor den tief zurückliegenden dunklen
Fensterscheiben, die mit dicken Eisenstäben so eng vergittert waren,
als ob es sich um Gefangenenzellen handele, da hielten auf dem Marktplatz
eisenklirrende Rollwagen, über deren herabgelassene Leiterbäume blaue
Petroleumfässer heruntergewälzt wurden. Daneben standen gewaltige
Plangefährte. Unausgesetzt trugen riesige Männer mit Lederschürzen
viereckige, mit Sackleinwand und Eisenblech verschnürte Ballen heraus. Ein
feiner Teegeruch verbreitete sich, als Johanna Grothe dort vorüberschritt.
Und an den kleinen, buntgeschirrten Pferdchen mit den gewaltigen
Messingkummeten um den Hals erkannte ihr geübter Blick, wie diese Wagen
erst vor kurzem von der nahen russischen Grenze angelangt seien. Denn
Konsul Bark war der größte Teeimporteur dieser östlichen Provinz, und
die kleinen roten Päckchen mit dem goldenen Becher als Aufdruck galten
durch das ganze Reich als eine Delikatesse.
 
Durch den Schwarm der unbekümmert weiterschaffenden Lederschürzen
hindurch trat Johanna Grothe durch den grob gepflasterten Flur, bis sie
an der rechten Rundwand ein paar ausgetretene grüne Marmorstufen erreicht
hatte. Auf der obersten zogen sich altersverwitterte Bronzebuchstaben
hin, die durch ihren griechischen Text die stolze Angabe des Hausherrn
bekräftigten, daß diese Steine aus einem alten moskowitischen Kloster
einstmals von der siegreichen Hanse dem residierenden Probst der
Handelsstadt zum Geschenk gemacht worden seien. Vor grauen Zeiten leiteten
jene Quadern auch wirklich in das Refektorium der Probstei. Heute
jedoch hatte der Konsul sein Privatkontor hier aufgeschlagen; es war ein
gewaltiger Raum, von schweren flämischen Möbeln umstellt, während die
weißen, splitternden Dielen von einem einzigen orientalischen Teppich in
dunkelbrauner Grundfärbung überspannt waren. Einen seltsamen Eindruck
rief es auf alle hervor, die zuerst hier eintraten, sobald aus den
eingebuchteten Mauerwölbungen immer noch die bunten Mosaikgebilde der
Evangelisten in verdämmerten Farben herausleuchteten. Einen förmlichen
Schrecken aber verursachte es dem Unvorbereiteten, wenn hinter dem
umfangreichen Schreibtisch des Großkaufmanns, nur von dem elektrischen
Licht der grünbeschirmten Arbeitslampe getroffen, die überlebensgroße,
riesenhafte Holzstatue des Apostelfürsten Petrus mit blauem Mantel und
goldenem Heiligenschein auftauchte, genau so, wie sie einstmals an dieser
Stelle das Ziel für die Verehrung unzähliger Frommer gebildet hatte. Die
Holzstatue aber ragte auf ihrem Marmorquader auf, als wolle sie gegen die
neue Zeit und gegen alles, was sie in ihr erblicken mußte, Verwahrung
einlegen. Den goldenen Hirtenstab, der unten abgebrochen war, hielt sie
gegen das zornige, volkstümliche Herz gepreßt und ihren mächtigen
verrosteten Eisenschlüssel streckte sie weit von sich, voll Abscheu und
grobem Eifer.
 
Und der Heilige hatte manchen Grund zu seinem Verhalten. Denn obwohl der
neue Besitzer der Probstei ein gewisses feinsinniges Kunstinteresse für
die bunten Zeichen einer innerlicheren Epoche besaß, und obwohl es ihm
schmeichelte, häufig berühmte Sammler und Gelehrte in seinen Räumen zu
empfangen, um ihre Bewunderung für seine Besitztümer zu vernehmen, so
lehnte er es doch auf der anderen Seite entschieden ab, sein eigenes Leben
mit seiner Umgebung in Einklang zu bringen. Dunkle Gerüchte durchflogen
die Stadt, es würden in der alten Probstei unter den Augen der
Evangelisten und des Himmelspförtners gelegentlich erlesene Feste
gefeiert, die weitab von strenger Daseinsführung lagen und die deshalb das
Ziel und die Sehnsucht aller unverheirateten Herren der bevorzugten Kreise
bildeten. Etwas Genaues indessen vermochten selbst die neugierigsten Damen
der Stadt nicht in Erfahrung zu bringen. Man flüsterte wohl hie und da,
daß der Konsul, dieser wohlgepflegte Vierziger mit der schlanken eleganten
Gestalt und den schwärmerischen, lang bewimperten Augen, die so gar nicht
zu den im Grunde kalten Zügen passen wollten, man flüsterte wohl, daß
Konsul Bark in seinem weit ausgreifenden Kunstinteresse auch die Damen des
Theaters mit seinen Einladungen beehrte, allein von den Beteiligten wurde
dies stets mit sonderbarem Lächeln geleugnet. Äußerlich jedoch zeigte
der Goldene Becher dauernd die gleiche patrizische Würde, und da der
Konsul sogar in den Zirkeln der Frau Regierungspräsidentin sichtbar
wurde, wo nur die dreimal Gesiebten verkehrten, so sanken alle unheiligen
Vermutungen immer wieder in sich zusammen. Nur ein einziges Wesen lebte,
das über den Wandel des Hausherrn genauen Aufschluß hätte geben können.
Das war jener merkwürdige Einsasse des Goldenen Bechers, über den in der
Stadt infolge seiner erstaunlichen Vielseitigkeit mindestens ebensoviel
Erzählungen umliefen, als über den eleganten Großkaufmann selbst. Es war
der Kammerdiener des Konsuls, Pawlowitsch, wie er von dem Chef im Scherz
wegen seiner russischen Abkunft genannt wurde.
 
Ja, Pawlowitsch besaß das Ohr des Großkaufmanns. In einem weißen
Leinenanzug war er seinem Herrn frühmorgens bei der Toilette behilflich;
er rasierte ihn, und kein Friseur hätte das dunkelbraune Haar des Konsuls
so korrekt zu scheiteln vermocht, wie dieser Halbrusse. Bei solcher
Gelegenheit erfuhr dann der Herr des Goldenen Bechers, was Pawlowitsch für
nützlich hielt, ihm zufließen zu lassen.
 
»Herr Konsuhl,« flüsterte der Weißkopf, denn er betonte diesen Titel
auf der letzten Silbe und dabei beugte er sich während des Einseifens
geschmeidig bis zu dem Ohr des Gebieters herab, »die kleine Schwarz vom
Stadttheater hat heute abend ihr Benefiz. -- Rosen?«
 
»Jawohl.«
 
»Vorzüglich --« alle Anordnungen des Chefs beehrte Pawlowitsch mit
dieser begeisterten Zensur, »vorzüglich -- Teerosen?«
 
»Gewiß.«
 
Der weiße Kittel verbeugte sich. Es war ja selbstverständlich, daß er
diese gelben Blumen hinter die Bühne zu tragen hatte. Dunkelrote schickte
sein Gebieter nur beim Beginn einer vielbegehrten Bekanntschaft. Die
ruhigere Epoche wurde dann durch die mattere Farbe gekennzeichnet. Und
Pawlowitsch wußte ganz genau, wann die weißen an die Reihe kamen, die den
Rückzug des Konsuls einläuteten.
 
»Vorzüglich.«
 
* * * * *
 
Zu derselben Stunde, als Johanna Grothe in ihrer majestätischen Blondheit
über den Markt wandelte, beherbergte Konsul Bark in dem Refektorium,
aus dessen Mauerhöhlungen noch immer die Mosaikbilder der Evangelisten
hervorschimmerten, einen besonders fröhlichen und lauten Besuch. Zur
Seite des großen Schreibtisches, dicht neben der Riesenstatue des heiligen
Petrus, dessen deutsches Antlitz noch unwilliger als sonst flammte,
lehnte ein gewaltiger, muskulöser Russenoffizier behaglich in dem dunklen
Ledersessel und hob eben sein Weinglas prüfend gegen die grünbeschirmte
Lampe, so daß der gelbe Trank spiegelte und glitzerte. Die Sporen an den
hellgelben Reiterstiefeln, die er vor Vergnügen leise aneinander rieb,
ließen dazu einen feinen silbernen Sang ertönen, und das laute Gelächter
des Fremden schlug schallend gegen die Decke der Wölbung.
 
»Ja, was sagen mein bester Freund,« rief er wohlgelaunt und stieß den
Hausherrn mit dem langen Säbel, den er nicht abgelegt hatte, vertraulich
gegen die eleganten schwarzen Lackschuhe, »dumme Tiere von Grenzkosacken
haben sich richtig durch Ihren Agenten von Pflicht -- wie sagt man? --
abwendig machen lassen.«
 
Der Konsul reckte sich und zupfte verärgert an seinem kurzgeschorenen
englischen Schnurrbärtchen.
 
»Der Jude handelte auf sein eigenes Risiko,« entgegnete er unmutig, »ich
habe ihm nicht geraten, Ihre Leute zu bestechen.«
 
»Bestechen?« Jetzt lachte der Russe noch behaglicher und schüttelte
das blondbebartete Haupt. Seine blauen Augen sahen ganz erstaunt aus.
»Bestechen?« wiederholte er in seinem gebrochenen Deutsch, »nicht
doch. Hat Mann gar nicht beabsichtigt. Ist Gewohnheit bei diesen deutschen
Spitzbuben. Pardon -- pardon,« verbesserte er sich, und die großen
Kinderaugen begannen ihm in der Wirkung des Weins oder aus Verlegenheit
zu tränen, »sehr ehrenwerte Leute. Versuchen es nur immer wieder. Aber
diesmal hat mir heilige Mutter von Kiew beigestanden. Sieben Wagen vor
Brücke zurückgehalten, und zweitausend Rubel in meiner Tasche. Was sagen
bester Freund?«
 
Konsul Bark rückte ein wenig mit seinem Stuhl und blickte seinen Gast
zweifelnd von der Seite an. Das Gespräch schien ihm durchaus nicht
zuzusagen.
 
»Ich nehme an,« begann er endlich nach einem Moment der Überlegung,
während sein schmales, feingeschnittenes Gesicht durch nichts irgendeine
Bewegung verriet, »ich nehme an, Herr Rittmeister Sassin, daß Sie
gekommen sind, um das Geld wieder an mich abzuliefern.«
 
»Oh nein, ist Irrtum. Geld gehört Gossudar, russischen Zaren, unserem
allergnädigsten Herrn.« Der Russe verbeugte sich, so daß seine Stirn
fast die Platte des Schreibtisches berührte.
 
»Jawohl, ich kann es mir denken,« meinte der Konsul mißfällig,
»sprechen wir nicht mehr darüber.«
 
»Serr gut, ist ganz meine Ansicht, sind hervorragender Kaufmann. --
Händler erster Gilde!«
 
Jetzt warf der Hausherr seinem Gast von neuem einen scharfen Seitenblick
zu. Unwillkürlich faltete sich seine Stirn. Sollte dieser große
ungeschlachte Mensch sich etwa über ihn lustig zu machen gedenken, gerade
jetzt, da der Fremde ihn um eine erhebliche Summe geschädigt? In diesem
Augenblick hatte der kühle Geschäftsmann völlig vergessen, wie oft er
jenseits der Grenze in dem kleinen elenden Fabrikstädtchen die reiche und
ausgelassene Bewirtung des Grenzoffiziers genossen, eine Gastfreundschaft,
die sich manchmal bis zu tobendem Wahnsinn gesteigert hatte. Nein, die
Erinnerung hieran war dem Prinzipal des Goldenen Bechers wie in dunklem
Rauch aufgegangen. Denn Konsul Bark besaß die Fähigkeit, geschehene
Dinge, die ihm nicht mehr behagten, kaltblütig auszustreichen, als wären
sie nie gewesen. Seine dunkelgrauen, lang bewimperten Augen blickten noch etwas berechnender drein als gewöhnlich, da er sich auf die Huldigung des Offiziers zu der lässigen Erwiderung anschickte:

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