2015년 11월 29일 일요일

Die Herrin und ihr Knecht 1

Die Herrin und ihr Knecht 1


Die Herrin und ihr Knecht
 
Author: Georg Engel
 
Erstes Buch.
I.
Das Landhaus der Grothes wurde wieder geweißt. Aber der Blutfleck neben
dem Fenster, das auf den Hof heraus ging, blieb erhalten. Die Maurer hatten
ihn auf strenge Anordnung hin verschonen müssen. Und wenn Johanna Grothe
mit ihren Knechten hier vorüberwandelte, dann verzog sich ihr herrischer
Mund noch stolzer und selbstbewußter, und ihre hohe Gestalt reckte sich
auf, daß ihr Marmorhaupt, wie es Konsul Bark immer genannt hatte, hoch
über die geduckten ostpreußischen Landleute herausragte. Das begab sich
am Tage. Wenn sie jedoch gegen Abend zurückkehrte, um ihren Sitz auf der
Gartenbank hart an der Wiese einzunehmen, dicht an der Stelle, wo unter den
hochaufgeschossenen Eichenbäumen die Hermen der drei römischen Cäsaren
zerbröckelten, dann warf die Vorüberschreitende manchmal einen langen
prüfenden Blick auf das rote Mal, und ihre feste, schmale Hand führte
eine Bewegung aus, als ob ein strenger und geordneter Mensch etwas
Unwillkommenes, Unerhörtes auszustreichen gedachte. Aus der Dorfkirche
von Maritzken läutete dann von dem niedrigen Holzturme das singende
Glöckchen, das auch damals in die Fieberträume der Grotheschen Ältesten
hinein gewimmert hatte. Und der Wind fächelte über das hart getretene
Viereck in dem Kleeacker, das eigentlich ein Grab vorstellte.
 
Ja, die Nacht mit ihren Schrecken war vorübergerast, und der Morgen wollte
für die Heimat und die deutsche Menschheit tagen. Und ebenso, wie Johanna
Grothe, so stand ihr ganzes Volk vor der weißen Mauer, die wieder frisch
getüncht war, und sah auf das helle Blutmal, das in der Sonne funkelte.
Ohne Haß, ohne Rachsucht, nur in dem Bewußtsein, daß die Erinnerung
daran nicht wieder fortgelöscht werden könnte, und daß jeder alle
Kräfte daransetzen müsse, die Mauern des großen Hauses bis auf den einen
Fleck weiß und sauber zu erhalten.
 
* * * * *
 
Jedem Beschauer bot es einen hellen, einen erfreulichen Anblick, als der
leichte, gelbe Jagdwagen, von den beiden wiehernden und schnaubenden Rappen
gezogen, in die ersten Straßen der Provinzialhauptstadt einbog. Grüne und
blaue Frauenschleier wehten in dem frischen Wind hinter dem Gefährt her,
unter den flatternden grauen Staubmänteln blitzten vorüberhuschend weiße
und rosa Sommerkleider auf, und zuweilen wurde das Rasseln der Räder durch
ein plötzlich auffahrendes Mädchenlachen übertönt, das sich ungeniert
und im vollen Genuß des Augenblicks äußerte. Dann streckte mancher
kleine Handwerksmeister den Kopf aus seinem Laden heraus, oder in den
schrägen Spionenspiegeln, die an die schmalen Fenster der Wohnstuben
angeschraubt waren, tauchte das zitternde Konterfei einer nähenden
Bürgersfrau auf, die nach einem Blick auf das strahlende Gefährt
befriedigt feststellte:
 
»Aha, die drei Grothe-Marjellen sind wieder da. Hellwig, du bleibst zu
Hause, die Älteste kauft nachher ein.«
 
Und nach einer Weile des Herauslugens setzte dann wohl die dicke
Vorkosthändlerin in angenehmer Gewißheit hinzu:
 
»Natürlich, die Grotheschen stellen im Deutschen Hause ein. Da hat es
dann Konsul Bark nicht weit. Merkwürdig, sie sollten doch einmal Ernst
machen. Aber bei dieser Art Leuten ist das Herumziehen die Hauptsache.
Freilich, mich geht's nichts an, ich bin ja nicht die Mutter.«
 
Und unten aus dem tiefen Kellerloch dröhnte eine verquollene Stimme zur
Antwort herauf:
 
»Meines Wissens nicht, Mamachen. Und wehe dir, wenn du nachher Andeutungen
machst.«
 
»I wo,« wehrte sich die Dicke und wischte an den Fensterscheiben, damit
sie dem prächtigen Wagen noch etwas länger folgen könnte. »Ich kümmere
mich nicht um die Angelegenheiten fremder Leute. Bloß der Umstand, daß
Konsul Bark, dieser feine Herr, auch mit anderen --«
 
In diesem Moment jedoch wurde die Klapptür des Kellers mit solcher Wucht
in ihre Einfassung geschleudert, daß das Häuschen einen Sprung machte und
jedes vernünftige Gespräch verstummen mußte.
 
Das war sehr unrecht, man hätte noch allerlei erfahren.
 
Unter der Einfahrt des Deutschen Hauses stand Johanna Grothe -- »Hans«,
wie sie sowohl von ihren Schwestern als auch von Freunden genannt wurde
-- vor dem gelben Jagdwagen, den die Mädchenschar soeben verlassen, und
während sich die anderen jungen Damen die Staubmäntel schüttelten und
die Toiletten ein wenig in Ordnung brachten, gab die Älteste dem noch auf
dem Bock sitzenden halbwüchsigen Kutscherjungen ihre letzten Befehle.
Sie sprach sehr nachdrücklich mit ihrer festen, ruhigen Stimme, denn
der Bursche da oben war nur schwer seiner polnischen Schläfrigkeit zu
entreißen, und er sah auch jetzt aus blöden Augen apathisch einer Rotte
von Fliegen zu, die den Rücken seiner Tiere peinigte.
 
»Stasch, du spannst hier aus.«
 
Der Junge rührte sich nicht, sondern schüttelte nur ein wenig verwundert
das Haupt, weil sich immer mehr Bremsen einfanden. Die Tiere schlugen
hinten aus.
 
»Ausspannen, Panna?« murmelte er geistesabwesend.
 
»Ausspannen,« rief Hans böse hinauf, und dabei versetzte sie dem
Rosselenker einen Ruck gegen den Arm, daß der Junge beinahe sein
Gleichgewicht verloren hätte.
 
»Oh Jesus, Panna,« stöhnte er.
 
»Und dann soll hier gefuttert werden,« bestimmte die hochgewachsene
Blonde weiter.
 
»Gefuttert?« murmelte Stasch in sich hinein, wobei er beinahe Miene
machte, von neuem in seinen slawischen Schlaf zu versinken.
 
Die beiden anderen Schwestern lächelten ein bißchen und warfen sich
verständnisinnige Blicke zu. Es lag etwas Überlegenes in dieser
verhaltenen Heiterkeit, und es schien fast, als ob die Jüngeren einen
heimlichen Bund miteinander geschlossen hätten. Die Große jedoch hatte
jetzt völlig ihre Geduld verloren. Hochauf reckte sich die kräftige
Gestalt, die Hüften spannten sich, als ob es einen Gewaltstreich
auszuführen gelte, und im nächsten Augenblick bereits schoß der
weißblonde Pole, einem Zug der in feinem Glacéleder steckenden Frauenhand
folgend, vom Bock. Jetzt schrien die beiden anderen Mädchen auf. Der
rasche Angriff, sowie das Herbeieilen einiger fremder Menschen empörte
sie. Die Herrin von Maritzken aber wandte sich nach ihnen um, und in diesem
Augenblick zeigte ihr Antlitz wieder jene Marmorblässe, die Konsul Bark,
als ein gewählter Frauenkenner, überall so hervorhob.
 
»Ihr geht in das Gastzimmer,« herrschte die Älteste die Schwestern an,
als gäbe es gegen ihren Entscheid keinerlei Widerspruch. »Ich habe es
nicht gern, wenn wir hier so in Massen auftreten. Und diesem Bengel möchte
ich das Gespann doch nicht unbeaufsichtigt überlassen. Nun dalli, Ihr
erwartet mich drin. Ich möchte nachher noch einen Gang machen.«
 
»Einen Gang?« fragte die brünette Marianne, die zwar erheblich jünger
war wie ihre befehlshaberische Schwester, ihr aber dennoch im Alter am
nächsten kam. »Einen Gang?« forschte sie mit der matten Lässigkeit
ihrer Bewegungen, in denen so viel gefährlicher Reiz wirken konnte, »du
willst dich gewiß mit Konsul Bark treffen, nicht wahr, Hans?«
 
Die Große verzog ein wenig die Stirn, denn das vertrauliche Lächeln
des Einverständnisses, das die Jüngeren wieder untereinander tauschten,
gefiel ihr nicht. Laut aber ließ sie nur mit ihrer dunklen Stimme fallen:
 
»Ich treffe mich nicht mit ihm, sondern ich suche ihn in seinem Geschäft
auf.«
 
»Ah,« echoten die anderen.
 
Und der Rotkopf von ihnen, Isa, ein siebzehnjähriges geschmeidiges
Kätzchen, das der mütterlichen Schwester soviel Schwierigkeiten bei der
Erziehung bereitete, sie raschelte auffällig mit ihrem rosa Kleid, verzog
den Mund und kniff spitzbübisch die großen braunen Augen zu. Die dunkle
Marianne aber legte ihren vollen Arm um die schlanke Hüfte der Kleinen und
sagte in ihrer müden Art, die gerade wegen ihrer Leidenschaftslosigkeit
häufig so sehr zum Zorn zu reizen vermochte:
 
»Dann wirst du wohl auch nichts dagegen haben, liebster Hans, wenn ich
mich drüben in der Konditorei von Klinkowström auf ein paar Minuten
mit Fritz Harder treffe. Ich habe es ihm versprochen, denn er ist heute
nachmittag dienstfrei.«
 
Damit faßten sich die beiden jüngeren Grothe-Marjellen entschlossen unter
den Arm und schritten langsam und furchtlos dem Ausgang zu. Allein sie
gelangten nur bis zu dem kurzen runden Prellstein, vor dem ihr hochragender
Wächter sich aufgepflanzt hatte. Es fiel eigentlich kein lautes Wort, kein
Verbot wurde ausgesprochen und keine hastige Entgegnung vernommen, und doch
-- die langjährige Gewohnheit des Sichfügens, wenn es auch ungern
und widerwillig geschah, die Furcht vor der zufahrenden Härte und dem
aufflammenden Zorn der Großen erstickte all die leichten, flatterhaften
Mädchenwünsche im Keim. Ohne daß die Jüngeren recht begriffen, wie es
so schnell geschah, hielten sie allerlei Decken und Schirme in den Händen,
die ihnen von der großen Blonden energisch übergeben waren, und wie von
selbst traten sie mürrisch und bezwungen den Rückzug durch die dunkle
Einfahrt an, um noch auf den drei ausgetretenen Steinstufen, die zu dem
inneren Flur hinaufleiteten, aufzufangen, wie die ältere Schwester laut und unbekümmert hinter Marianne herrief:

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