2015년 11월 29일 일요일

Die Herrin und ihr Knecht 5

Die Herrin und ihr Knecht 5



Inzwischen hatte sich der Konsul in seinen Ledersessel niedergelassen, und
nachdem er seiner Gewohnheit gemäß mit einem Blick, wie um Rat fragend,
das Antlitz des Apostels gestreift, da gab er seine Ansicht klug und jedes
Wort wagend, zu erkennen.
 
»Liebes Kind,« beschwichtigte er, »mit dem Beruf eines Offiziers ist
es ein eigen Ding. Wir vergessen immer so leicht, daß alle Mühen
und Anstrengungen, die der höhere Militär aufwendet und die in immer
strengerem Maße von ihm gefordert werden, kein in die Augen fallendes
Ergebnis zeitigen können. Sie sind die einzige Menschenklasse in unserem
Staat, die, solang der Friede dauert, nicht den praktischen Beweis von
ihrer Leistungsfähigkeit zu erbringen vermag. Man empfindet ihr ganzes
Tun und Treiben hie und da bereits als spielerisch und überflüssig.
Und dieses Bewußtsein ist es, was viele Soldaten so rastlos nach Dingen
greifen heißt, die jenseits ihres Berufes liegen. Sie suchen sich eben
auszufüllen. Nein, Johanna,« richtete sich der Konsul plötzlich auf und
klopfte ermunternd an die Seitenlehne des anderen Sessels, »daraus wollen
wir dem hübschen Bengel keinen Strick drehen. Und daß er sich in die
knisternde Schönheit von Marianne vergaffte, Gott --« der Kaufmann
zuckte die Achseln -- »dieses Los teilt er gewiß mit manchem jugendlichen
Schwärmer und außerdem, es läßt keinen üblen Rückschluß auf seine
Uneigennützigkeit zu.«
 
Bei diesem letzten Wort glitt ein kaltes Lächeln um die Lippen des
Gutsfräuleins. Sie hob ihren Schleier noch etwas mehr, und die blauen
festen Augen suchten scharf und bindend den Blick ihres Beraters. Der
Konsul rückte ein wenig ungemütlich hin und her.
 
»Ah, Sie meinen,« nahm die Älteste von Maritzken das Wort des Gefährten
auf, »Sie meinen, daß der junge Mann Lob und Anerkennung verdiene, weil
er sich zu der Angehörigen einer unbegüterten Familie herabläßt, die
ihren Töchtern keine Mitgift auszusetzen vermag?«
 
»Hans, Hans,« mahnte hier der Konsul und hob dämpfend die Hand.
 
Aber die hohe Blonde fuhr fort: »Ja, ja, man spricht ja so etwas
Ähnliches sowohl in der Stadt, wie in der Umgegend. Und es ist mir ganz
recht,« bestätigte sie sehr ernsthaft, und jener rechnende Schein spielte
von neuem aus ihrem weißen Antlitz, »es ist mir ganz recht, wenn sich
keine Mitgiftjäger um meine Schwestern bemühen, denn ich kann das
Vermögen, das ich uns in achtjähriger Arbeit erworben, noch sehr gut in
meinem landwirtschaftlichen Betriebe gebrauchen. Sie aber, lieber Konsul,
Sie sind ja der einzige, der genau darüber orientiert ist, wie wenig alle
diese Gerüchte der Wahrheit entsprechen. Ja, es ist richtig,« sprach
sie immer heftiger weiter, »ich habe die zwei großen väterlichen Güter
damals in der schweren Zeit aufgeben müssen. Oder besser gesagt, ich habe
sie auf Ihren Rat mit Gewalt zur Versteigerung getrieben. Aber das letzte,
auf dem ich mich festgesetzt hatte, um mich nicht mehr davon vertreiben
zu lassen, unser Maritzken, dieses Stück Erde, halb Bauernhof, halb
Rittergut, das ist doch mit Ihrer Hilfe so bewirtschaftet worden, daß
es sich sehen lassen kann. Und die Summen, die ich hier bereits bei Ihnen
ablieferte, würden immerhin für eine Mitgift für meine Schwestern
genügen, nicht wahr? Lieber Konsul,« fügte sie kalt und unempfindlich
an, als der Mann eine Bewegung ausführte, als ob ihm das Gespräch
peinlich würde, »ich möchte bei dieser Gelegenheit gleich etwas richtig
stellen, was mir schon lange Ihnen gegenüber auf dem Herzen liegt. Wenn
Sie nämlich von diesen Privatgeldern sprechen, dann pflegen Sie die Summe
stets durch drei zu teilen. Es scheint also, als ob Sie auch für mich
ein eigenes Konto angelegt hätten. Das ist ein Irrtum, Konsul Bark. Ich
erkläre hiermit ausdrücklich, daß mein Teil restlos auf meine Schwestern
übergeht. Sehen Sie mich nicht so erstaunt an, damit beleidigen Sie
mich. Ich selbst habe dort draußen in meiner Wirksamkeit vollkommen meine
Befriedigung gefunden und werde darin keine Veränderung mehr eintreten
lassen.«
 
Ein Augenblick der Ruhe erhob sich zwischen den Beiden. Der Konsul hatte
sich zurückgelehnt, und seine lang bewimperten Augen umfaßten das ruhige
Frauenbild vor ihm mit unverhohlener Bewunderung. Nie hatte er sie so
begehrenswert gefunden, als jetzt, wo er das leidenschaftslose Gelübde
ihrer Entsagung vernommen hatte. Und er glaubte an den unverbrüchlichen
Ernst dieses Scheidens von den Freuden und Tänzen der Welt. Nichts
Nonnenhaftes lag auf dem edlen Antlitz mit den strengen Marmorzügen, ja,
während der Konsul in ihm las, meinte er beinahe, der wohlgeformte Mund,
der so gemessen über ein abgeschlossenes Schicksal sprach, auf ihm sei das
Lächeln nur eingefroren und es müßte sich herrlich ausnehmen, wenn es
sich wieder einstelle.
 
Das Gutsfräulein jedoch, als ob es fühlte, daß die Gedanken des so
auffällig Schweigenden an ihr herumtasteten, schob den Sessel zurück,
stand auf und rüstete sich zum Abschied.
 
»Ich wollte Sie bitten, mit Fritz Harder Rücksprache zu nehmen,«
schüttelte sie endlich ihren lang aufgesparten Wunsch von sich ab.
 
Der Konsul verbeugte sich leicht. »Ich war auf diesen Befehl vorbereitet,
lieber Hans. Und passen Sie auf, in wenigen Tagen wird der glückliche
Freiersmann nach allen Regeln des Herkommens bei Ihnen anhalten.
Übrigens,« fuhr er fort, »möchte ich doch vorher, wenn Sie gestatten,
auch ein paar Worte mit Marianne über diesen Fall wechseln. Und wissen
Sie, Hänschen,« lachte er plötzlich ganz unvermutet dazwischen, »da
könnten wir eigentlich ein sonderbares Rendezvous verabreden. Sie können
sich gewiß nicht denken, wer mir soeben eine Einladung für Sie und die
Mädels überbracht hat.«
 
»Nein,« gestand die Aufbrechende, indem sie sich bereits den Schleier
herabzog, »geht Ihre Vormundschaft über mich schon so weit, daß Sie auch
Ihre Zustimmung für unsere Besuche zu erteilen haben?«
 
»Keineswegs, Hänschen, soweit geht sie unglücklicherweise nicht,«
scherzte der Kaufmann und strich seinem Besuch das verschobene Jakett ein
wenig zurecht, »man überschätzt meinen Einfluß leider bedeutend.«
 
Und nun erfuhr Johanna Grothe die merkwürdige Bitte des russischen
Rittmeisters, der die drei Damen zu einem Ausflug jenseits der Grenze
veranlassen wollte. Und aus der ganzen Art, wie der Kaufmann diese
Einladung wiedergab, wie er die gewählte Zusammensetzung der Gesellschaft
hervorhob oder Einzelheiten der Bewirtung schilderte, in allem sprach sich
deutlich der Zweifel an der Verwirklichung des Planes aus. Allein es kam
anders. Die Älteste von Maritzken warf plötzlich das Haupt in den Nacken,
wie sie es immer tat, wenn sie nachdachte, dann schlug sie noch einmal den
Schleier zurück und trat an den Schreibtisch, wo sie mit dem Zeigefinger
allerlei Figuren auf das rote Tuch malte.
 
»Sie fahren auch mit, Konsul Bark?« fragte sie rasch.
 
Der Prinzipal des Goldenen Bechers war sich nicht ganz einig.
 
»Ja -- ja allerdings, gegebenenfalls.«
 
»Dann ist es selbstverständlich, daß wir dort empfangen werden, wie wir
es erwarten dürfen.«
 
»Alle Wetter, Hänschen, was machen Sie für Sätze?« vergaß sich
der Kaufmann, und auf seinem hübschen Gesicht malte sich ein offenes
Erstaunen.
 
Die Gutsherrin jedoch wandte ihren klaren Blick nicht von ihm ab; und siehe
da, was der Hausherr sich so gewünscht hatte, es erfüllte sich. Um
den stolzen Mund der Hochragenden spielte unvermutet ein harmloses, ja
verschmitztes Lächeln. Welch ein Wunder! Sie sah plötzlich aus wie eine
gutmütige Zwanzigjährige, die einen derben Streich plant.
 
»Hänschen, was haben Sie vor?«
 
»Gott, die Sache ist ganz einfach, lieber Freund,« lächelte die
Gefragte verschämt, »es handelt sich dabei natürlich für mich um ein
Geschäft.«
 
»Aha!«
 
»Sie wissen, ich möchte für die kommende Ernte billigere Landarbeiter
mieten, und da dachte ich, daß die Russen von drüben --«
 
»Hans, Sie wollen doch nicht --?«
 
»Doch, doch, es nimmt hier ja auch niemand auf mich Rücksicht, und
ich bin keine Wohltäterin. Nur die Grenzstationen drüben machen uns
Schwierigkeiten und halten die gedienten Leute zurück.«
 
Jetzt lachte der Konsul hell auf.
 
»Ah, und Sie meinen,« rief er wohlgelaunt, »wenn die drei Damen von
Maritzken unseren Nachbarn ein paar hübsche Augen zuwerfen, dann -- --«
 
Das Gutsfräulein hielt seinen Blick aus.
 
»Das nicht gerade,« sprach sie ruhig, »reden Sie keinen solchen Unsinn,
Konsul Bark. Aber ein Wort gibt das andere, verstehen Sie? Man gelangt
leichter an sein Ziel. Und dann,« fügte sie noch überlegt an, »ich
brauche auch billige Ackerpferde, und dort drüben verkauft man sie halb
umsonst. Man bedarf nur der Protektion.«
 
»Die wird Ihnen nicht fehlen,« schloß der Kaufmann, indem er seinen
Gast höflich bis zu den vier Marmorstufen geleitete, »verlassen Sie sich
darauf, bester Hans. Aber wie gesagt, Sie sind ein kapitaler Rechner. Und
über den Ausflug ins Russische reden wir noch. Da ich als Anstandspapa zu
fungieren habe, so will ich mich doch noch genauer über alles orientieren.
Und nun, lieber Hans, leben Sie wohl, und ich danke Ihnen auch für Ihren
lieben Besuch.«
 
Die Blonde reichte ihm über die Stufen hinauf die Rechte. Es war ein
Händedruck, wie sie es gewohnt war, fest, kräftig, zupackend. Die
wohlgepflegten Finger des eleganten Mannes empfanden die Umklammerung
beinahe schmerzlich.
 
»Wenn ich Sie nur nicht gestört habe,« warf sie noch dankbar zurück.
 
Der Mann aber verbeugte sich leicht und entgegnete nachdrücklich:
 
»Ich wünschte, Sie kämen öfter.«
 
Dann blieb er unter den geöffneten Türflügeln stehen und sah ihr nach,
bis die hohe Gestalt jenseits des Marktplatzes verschwunden war.
 
 
 
 
II.
 
 
Glutrote Abendsonne glitzerte aus allen hochgelegenen Fensterscheiben der
Stadt, selbst an dem schwarzen Schieferdach der Sankt Sebaldus-Kirche floß
es wie von blutigen Strömen hinunter. Hoch oben unter dem First stand in
einer engen Mauerhöhlung die bunte Holzstatue des Schutzheiligen, und auch
aus seinem sonst erloschenen Sternenreif spritzten die roten Lichtflammen.
Es sah aus, als wäre das entblößte heilige Haupt von ein paar
Säbelhieben getroffen und heller Lebenssaft zische aus den Wunden hervor.
Immer mehr verbreiteten sich die funkelnden Lachen auf den schwarzen
Platten.
 
Unter dem in Flammengold und angehendem Violett schimmernden Himmel zog
gerade über dem Marktplatz eine Schar weißer Tauben ihre Kreise. Eine
vereinzelte blauschwarze Nachzüglerin flatterte in geringem Abstand hinter
den blitzenden Schwestern her, gleich einem schlimmen Gedanken, den die
guten, beseligenden weit hinter sich gelassen. Ein frischer Abendwind
surrte durch die Gassen, und von den nahen Feldern, die sich hinter der
Stadt in ununterbrochener Weite dehnten, führte er einen süßen Kleeduft mit sich.

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