2015년 11월 26일 목요일

Friedrich Nietzsche in seinen Werken 13

Friedrich Nietzsche in seinen Werken 13


Durchaus bezeichnend für das Jähe und Innerliche der Wandlung
Nietzsches ist es, dass sie auch diesmal ihren Ausgang von einem
_persönlichen Verhältniss_ nahm. Wie der bitterste Stachel im Kampf
gegen das alte Erkenntnissideal ein Freundschaftsbruch war, so
verkörperte sich für Nietzsche auch der neue Erkenntnisstypus wiederum
in einer Persönlichkeit. Je leidensvoller die Einsamkeit, in welche
der Freundschaftsbruch ihn zurückwarf, desto mehr Innigkeit gewann
Nietzsches Beziehung zu Paul Rée, denn »für einen solchen Einsamen ist
der Freund ein köstlicherer Gedanke als für die Vielsamen,« wie er Rée
einmal schreibt. (31. October 1880, aus Italien.)
 
War sein Verhältniss zu Richard Wagner durch die Ausschliesslichkeit
gekennzeichnet, mit der Nietzsche in ihm aufging und zu ihm aufsah:
durch seine _Jüngerschaft_,--so bildet sein Freundschaftsbund mit Rée
mehr eine geistige _Genossenschaft_, die selbst dadurch nicht behindert
wurde, dass die Freunde fern von einander lebten, und Rée nur zeitweise
seinen Wohnsitz in Westpreussen verlassen konnte, um mit Nietzsche an
verschiedenen Orten zusammenzutreffen. Schon am 19. November 1877 klagt
Nietzsche von Basel aus, wo er noch im Kreise von Gesinnungsgenossen
lebte, über diese Entfernung, welche ihn, infolge einer Erkrankung
Rées, für längere Zeit vom Freunde getrennt hielt:
 
»Möge ich bald von Ihnen, mein Freund, hören, dass die bösen
Krankheitsgeister ganz von Ihnen gewichen sind; dann bliebe mir für Ihr
neues Lebensjahr nichts zu wünschen übrig, als dass Sie bleiben, der
Sie sind und dass Sie mir bleiben, der Sie im letzten Jahre waren,--
-- -- -- -- -- -- --ich muss Ihnen doch sagen, dass ich in meinem
Leben noch nicht so viel Annehmlichkeiten von der Freundschaft gehabt
habe, wie durch Sie in diesem Jahre, gar nicht von dem zu reden,
was ich von Ihnen gelernt habe. Wenn ich von Ihren Studien höre, so
wässert mir immer der Mund nach Ihrem Umgänge; wir sind geschaffen
dafür, uns gut zu verständigen, ich glaube, wir finden uns immer auf
dem halben Wege schon, wie gute Nachbarn, die immer zur gleichen Zeit
den Einfall haben, sich zu besuchen, und sich auf der Grenze ihrer
Besitzungen einander entgegenzukommen. Vielleicht steht es ein wenig
mehr in Ihrer Gewalt, als in meiner, die grosse räumliche Entfernung
zu überwinden; darf ich in dieser Beziehung für das neue Jahr hoffen?
Ich selber bin gar zu elend und gebrechlich daran, als dass ich nicht
um die beste Freude, die es giebt, bitten dürfte, selbst wenn die Bitte
unbescheiden ist--ein gutes Gespräch unter uns über menschliche Dinge,
ein persönliches Gespräch, nicht ein briefliches, zu dem ich immer
untauglicher werde.«-- -- -- -- --
 
Je mehr Nietzsches körperliches Leiden ihn in die Einsamkeit zwang,
je einsiedlerischer, fern von allen Menschen, er leben musste, um
dieses Leiden ertragen zu können, desto sehnsüchtiger verlangt er
nach dem Freunde, der seine Einsamkeit zur »Zweisamkeit« machen
solle: »Zehnmal täglich wünsche ich bei Ihnen, mit Ihnen zu sein.«
(Brief aus Basel, December 1878.) »Immer knüpfe ich im Geist meine
Zukunft mit der Ihrigen zusammen.« (Aus Genf, Mai 1879.) »Viele
Wünsche habe ich aufgeben müssen, aber noch niemals _den_, mit Ihnen
zusammenzuleben,--mein »Garten Epikurs.«« (Aus Naumburg, den letzten
October 1879.)
 
Die heftigen Schmerzen und Anfälle, unter denen Nietzsche litt, weckten
damals Todesgedanken in ihm, und diese geben einem jeden Wiedersehen
eine besonders tief empfundene Bedeutung. »Wie viel Freude haben Sie
min gemacht, mein lieber, ausserordentlich lieber Freund!« ruft er
nach einem solchen aus. »Also ich habe Sie noch einmal gesehen und so
gefunden, wie mein Herz mir die; Erinnerung bewahrt hatte; wie ein
beständiger, angenehmer Rausch wars, diese Tage hindurch. Ich gestehe
Ihnen, ich hoffe nicht mehr auf ein Wiedersehn, die Erschütterung
meiner Gesundheit ist zu tief, die Qual zu anhaltend, was nützt mir
alle Selbstüberwindung und Geduld! Ja, in Sorrentiner Zeiten gab es
noch zu hoffen, aber das ist vorbei. So preise ich denn, Sie gehabt zu
haben, mein herzlich geliebter Freund.«-- -- --
 
Die beiden Freunde gelangten in diesen Jahren zu um so
übereinstimmenderen Ansichten, als ihre Studien vielfach gemeinsame
waren. Rée vermittelte Nietzsche meistens die Bücher, deren er
bedurfte, las dem Augenleidenden vor und lebte mit ihm in einem
ständigen, theils brieflichen, theils persönlichen Verkehr und
Gedankenaustausch.
 
 
»Mein geliebter Freund!« schreibt Nietzsche nach einer
etwas länger währenden Trennung, »Für unser Zusammensein,--
falls ich dieses Glück doch noch erleben sollte, ist
viel in mir präparirt. Auch ein Kistchen Bücher steht
für jenen Augenblick bereit, Réealia betitelt, es sind
gute Sachen darunter, über die Sie sich freuen werden.
Können Sie mir ein lehrreiches Buch, womöglich englischer
Abkunft,[7] aber ins Deutsche übersetzt und mit mit gutem,
grossem Druck zusenden?--Ich lebe ganz ohne Bücher, als
Sieben-Achtel-Blinder, aber ich nehme gern die verbotene
Frucht aus Ihrer Hand.--Es lebe das Gewissen, weil es
nun eine Historie haben wird und mein Freund an ihm zum
Historiker geworden ist! Glück und Heil auf Ihren Wegen. Von
Herzen Ihnen nahe
 
Ihr
 
Friedrich Nietzsche.
 
 
 
So schreibt er dem Freunde immer wieder, in verschiedenen Wendungen:
»Bei allem Guten, das Sie thun oder Vorhaben, wird auch für mich der
Tisch gedeckt und mein Appetit ist sehr lebendig nach _Réealismus_, das
wissen Sie!«
 
So wurde denn der Réealismus die ursprüngliche Form, in der Nietzsche
den philosophischen Realismus in sich aufnahm und den alten Idealismus
begrub. Schon das anonym erschienene kleine Erstlingswerk Rées (Berlin,
Carl Duncker, 1875), dessen »_Psychologische Beobachtungen_«--
Sentenzen im Geist und Stil La Rochefoucaulds-- schätzte Nietzsche
nicht nur, sondern er überschätzte es sogar, wie ein noch jetzt
erhaltener Brief an den Verfasser bekundet. Rées Lieblingsautoren
wurden nun auch die seinigen: die französischen Aphoristiker, die
La Rochefoucauld, La Bruyère, Vauvenargues, Chamfort, beeinflussten
um diese Zeit ausserordentlich Nietzsches Stil und Denken. Von den
philosophischen Schriftstellern Frankreichs bevorzugte er mit Rée,
Pascal und Voltaire, von den Novellisten Stendhal und Mérimée. Von
ungleich tieferer Bedeutung war jedoch für ihn Rées zweites Werk »_Der
Ursprung der moralischen Empfindungen_« (Chemnitz, Ernst Schmeitzner,
1877)[8], das für die nächste Zeit gewissermassen Nietzsches
positivistisches Glaubensbekenntnis bildete. Dadurch wurde er zu
den englischen Positivisten gefühlt, an die Rée sich angeschlossen
hatte, und die auch Nietzsche bald allen ähnlichen deutschen Werken
vorzog. Die Hauptanziehungskraft, die der Positivismus auf ihn
ausübte, lag vornehmlich in der Beantwortung jener einen Frage, die
Rée in seinem Buch behandelte, der Frage nach der Entstehung des
moralischen Phänomens. Für Rée fiel sie zusammen mit der Frage
_nach den Gründen der Sanction_ altruistischer Empfindungen; seine
Untersuchungen richteten sich hauptsächlich gegen die ethischen Systeme
der bisherigen Metaphysik. Da nun die Ethik Wagners und Schopenhauers
auf dem Altruismus und dessen metaphysischem Gefühlswerth fusst, so
musste Nietzsche gerade in Rées Buch die geeignetesten Waffen zu seinem
Kampf gegen die verlassene Weltanschauung finden. »Der Ursprung der
moralischen Empfindungen« wurde der eigentliche Gegenstand seiner
Forschung, und man kann sein Erstlingswerk kurz als den Versuch
bezeichnen, zur vollen Einsicht in die Nichtigkeit seiner ehemaligen
Ideale zu gelangen durch die Einsicht in ihre _Entstehungsgeschichte_.
Auf diesem Wege wird sein gesammtes Philosophiren zu einer Analyse und
Geschichte menschlicher Vorurtheile und Irrthümer; der Metaphysiker
wird zum Psychologen und Historiker und stellt sich auf den Boden
eines nüchternen und consequenten Positivismus. Er schloss sich aufs
Engste der englischen positivistischen Schule an in ihrer bekannten
Zurückführung der moralischen Werthurtheile und Phänomene auf den
_Nutzen_, die _Gewohnheit_ und das _Vergessen_ der ursprünglichen
Nützlichkeitsgründe; es bedarf daher keiner besonderen Erläuterung
seiner Theorien; es genügt auf die Richtung hinzuweisen, welcher er
sie entnahm. Man vergleiche Stellen wie die folgende in »Menschliches,
Allzumenschliches«: »Die Geschichte der-- -- --moralischen Empfindungen
verläuft in folgenden Hauptphasen. Zuerst nennt man einzelne Handlungen
gut oder böse ohne alle Rücksicht auf deren Motive, sondern allein
der nützlichen oder schädlichen Folgen wegen. Bald aber vergisst man
die Herkunft dieser Bezeichnungen und wähnt, dass den Handlungen
an sich, ohne Rücksicht auf deren Folgen, die Eigenschaft »gut«
oder »böse« innewohne.« (I 39). »Wie wenig moralisch sähe die
Welt ohne die Vergesslichkeit aus! Ein Dichter könnte sagen, dass
Gott die Vergesslichkeit als Thürhüterin an die Tempelschwelle
der Menschenwürde hingelagert habe.« (I 92). Den Weg, auf dem die
sogenannte Moralität der Handlungen entstanden ist, kann man mit den
Worten bezeichnen:«--_jetzt_ aus Gewohnheit, Vererbung und Anerziehung,
_ursprünglich_, weil (es)--_nützlicher_ und _ehrebringender_ ist.«
(II 26). Ferner, Der Wanderer und sein Schatten (40): »Die Bedeutung
des Vergessens in der moralischen Empfindung: Die selben Handlungen,
welche innerhalb der ursprünglichen Gesellschaft zuerst die Absicht auf
gemeinsamen Nutzen eingab, sind später von anderen Generationen auf
andere Motive hin gethan worden: aus Furcht oder Ehrfurcht vor Denen,
die sie forderten und anempfablen, oder aus Gewohnheit, weil man sie
von Kindheit an um sich hatte thun sehen, oder aus Wohlwollen, weil
ihre Ausübung überall Freude und zustimmende Gesichter schuf, oder
aus Eitelkeit, weil sie gelobt wurden. Solche Handlungen, an denen
das Grundmotiv, das der Nützlichkeit, _vergessen_ worden ist, heissen
dann _moralische_.« »Der Inhalt unseres Gewissens ist Alles, was in
den Jahren der Kindheit von uns ohne Grund regelmässig _gefordert_
wurde« (52), indem dem einzelnen Menschen das, was in der Geschichte
der Menschheit in der bezeichneten Weise entstanden ist, überliefert
wird als eine Summe religiös sanctionirter und festgeprägter
Pflichtbegriffe. »Die Sitte respräsentirt die Erfahrungen früherer
Menschen über das vermeintlich Nützliche und Schädliche,--aber _das
Gefühl für die Sitte_ (Sittlichkeit) bezieht sich nicht auf jene
Erfahrungen als solche, sondern auf das Alter, die Heiligkeit, die
Indiscutabilität der Sitte.« (Morgenröthe 19).
 
So zieht sich durch das ganze Werk hindurch, was schon der Titel
charakteristisch andeutet: die Gedankenarbeit der Zerstörung, die
rücksichtslose Blosslegung der »Allzumenschlichkeit« dessen, was bisher
heilig, ewig, übermenschlich hiess. Um zu sehen, mit welcher schroffen
Einseitigkeit und Uebertreibung sich Nietzsche hier gegen sich selbst
wandte, lohnt es die Mühe, seinen nunmehrigen Anschauungen in Bezug
auf diejenigen vier Punkte nachzugehen, die in seiner vorhergehenden
philosophischen Periode eine entgegengesetzte Deutung erfahren hatten:
in Bezug auf die Bedeutung des »Dionysischen«, des »Dekadenz-Begriffs«,
des »Unzeitgemässen«, und des »Geniecultus«. An Stelle des Dionysos
steht hier der früher so viel geschmähte Sokrates als Schirmherr und
Tempelhüter des neuen Wahrheitstempels da. »Wenn Alles gut geht, wird
die Zeit kommen, da man, um sich sittlich-vernünftig zu fördern, lieber
die Memorabilien des Sokrates in die Hand nimmt, als die Bibel, und
wo Montaigne und Horaz als Vorläufer und Wegweiser zum Verständniss
des einfachsten und unvergänglichsten Mittler-Weisen, des Sokrates,
benuzt werden. Zu ihm führen die Strassen der verschiedendsten
philosophischen Lebensweisen zurück, welche im Grunde die Lebensweisen
der verschiedenen Temperamente sind, festgestellt durch Vernunft
und Gewohnheit und allesammt mit ihrer Spitze hin nach der Freude
am Leben und am eignen Selbst gerichtet.-- -- --« (Der Wanderer
und sein Schatten 86). Dieser Sieg des Sokratischen, der Vernunft
und weisen Leidenschaftslosigkeit, über das Dionysische, über die
Affectsteigerung und den selbstvergessenen Lebensrausch, gipfelt in
dem Satz, dass »der wissenschaftliche Mensch die Weiterentwickelung
des künstlerischen« (Menschliches, Allzumenschliches I 222), und
alles dessen sei, was auf dem Rausch anstatt auf der Einsicht beruht,
denn: »an sich ist-- --der Künstler schon ein zurückbleibendes
Wesen.« (Menschliches, Allzumenschliches I 159). Daher bedeutete für
Griechenland das Aufkommen des sokratischen Geistes einen _ungeheuren
Fortschritt_. »Die Formen aus der Fremde entlehnen, nicht schaffen,
aber zum schönsten Schein umbilden--das ist griechisch: nachahmen,
nicht zum Gebrauch, sondern zur künstlerischen Täuschung,-- --
--ordnen, verschönern, verflachen--so geht es fort von Homer bis
zu den Sophisten des dritten und vierten Jahrhunderts der neuen
Zeitrechnung, welche ganz Aussenseite, pomphaftes Wort, begeisterte
Gebärde sind und sich an lauter ausgehöhlte, schein-, klang- und
effect-lüsterne Seelen wenden.--Und nun würdige man die Grösse jener Ausnahme Griechen, welche die _Wissenschaft_ schufen. Wer von ihnen erzählt, erzählt die heldenhafteste Geschichte des menschlichen Geistes!« (Menschliches, Allzumenschliches II 221;

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