2015년 11월 26일 목요일

Friedrich Nietzsche in seinen Werken 18

Friedrich Nietzsche in seinen Werken 18



Nun, liebste Freundin, Sie haben immer für mich ein gutes
Wort in Bereitschaft, es macht mir grosse Freude, Ihnen
zu gefallen. Die fürchterliche Existenz der Entsagung,
welche ich führen muss und welche so hart ist, wie je eine
asketische Lebenseinschnürung, hat einige Trostmittel,
die mir das Leben immer noch schätzenswerter machen als
das Nichtsein. Einige grosse Perspectiven des geistig
sittlichen Horizonts sind meine mächtigste Lebensquelle. Ich
bin so froh darüber, dass gerade auf diesem Boden unsere
Freundschaft ihre Wurzeln und Hoffnungen treibt. Niemand
kann so von Herzen sich über Alles freuen, was von Ihnen
gethan und geplant wird!
 
Treulich Ihr Freund
 
F. N.«
 
 
Und kurz darauf ruft er am Schlüsse eines anderen Briefes aus:
 
»Auch ich habe jetzt Morgenröthen um mich, und keine gedruckten!
Was ich nie mehr glaubte,-- -- -- --das erscheint mir jetzt als
möglich,--als die goldene Morgenröthe am Horizonte all' meines
zukünftigen Lebens-- -- --.«
 
Diese Stimmung, die mit der Gewalt der Sehnsucht eine neue Geisteswelt
fern am Horizont heraufbeschwor, damit sie Ersatz böte für alles, was
Zweifel und Kritik zerstört hatten, klingt am deutlichsten durch in den
Schlussworten der »Morgenröthe«, in denen Nietzsche seine kritische und
negirende Denkrichtung selber als einen _Wegweiser_ zu neuen Idealen
aufzufassen sucht:
 
»Warum doch gerade in dieser Richtung, dorthin, wo bisher alle Sonnen
der Menschheit _untergegangen_ sind? Wird man vielleicht uns einstmals
nachsagen, dass auch wir, _nach Westen steuernd, ein Indien zu
erreichen hofften_,--dass aber unser Loos war, an der Unendlichkeit zu
scheitern? Oder, meine Brüder? Oder--? (Morgenröthe, Schluss.)
 
Als Nietzsche im Jahre 1882 seine »Fröhliche Wissenschaft« vollendete,
da war ihm sein Indien bereits zur Gewissheit geworden: er glaubte
gelandet zu sein an den Küsten einer fremden, noch namenlosen,
ungeheuren Welt, von der nichts anderes bekannt sei, als dass sie
jenseits alles dessen liegen müsse, was von Gedanken angefochten,
von Gedanken zerstört werden kann. Ein weites, scheinbar uferloses
Meer zwischen ihm und jeder Möglichkeit einer erneuten begrifflichen
Kritik,--jenseits aller Kritik meinte er festen Boden gefasst zu haben.
 
Der übermüthige Jubel dieser Gewissheit klingt in den Versen wieder,
die er in das Widmungs-Exemplar seiner »Fröhlichen Wissenschaft«
schrieb:
 
 
»Freundin, sprach Columbus, traue
Keinem Genuesen mehr!
Immer starrt er in das Blaue
Fernstes zieht ihn allzusehr!
Wen er liebt, den lockt er gerne
Weit hinaus in Raum und Zeit,--
Üeber uns glänzt Stern bei Sterne
Um uns braust die Ewigkeit.«
 
 
Aber er irrte sich in Bezug auf die völlige Neuheit und Jenseitigkeit
des Landes,--es war der umgekehrte Irrthum des Columbus, der, das
Alte suchend, das Neue fand. Denn Nietzsche war in der That, ohne
es zu bemerken, nach einer Weltumseglung von der entgegengesetzten
Seite an die Küste eben desjenigen Landes zurückgelangt, von welchem
er ursprünglich ausgegangen, und welches er für immer im Rücken
gelassen zu haben glaubte, als er sich von der Metaphysik abwandte.
Wir werden es an allen Werken seiner letzten Geistesperiode erkennen,
in wiefern sie wieder aus jenem alten Boden hervorgewachsen sind,
wenn auch in ihrem Wachsthum und ihrer Eigenart beeinflusst durch
die Erfahrungen der letzten Jahre. Unstreitig hatte ein Hauptwerth
der positivistischen Denkrichtung für Nietzsche darin gelegen, dass
sie ihm wenigstens innerhalb gewisser Grenzen wirklich Spielraum für
alle diese Stimmungs-Uebergänge und Gefühlsschwankungen zu bieten
vermochte und ihn dadurch eine Zeit lang festhielt. Sie schlug ihn
nicht in Fesseln, wie es die Metaphysik nothwendig gethan hatte,
sondern wies ihm nur eine Wegerichtung; sie bürdete ihm nicht ein
Erkenntnisssystem auf, sondern gab ihm im wesentlichen nur eine neue
Erkenntnissmethode an die Hand. Darum war auch seine Emancipation von
ihr keine so gewaltsame und plötzliche wie seine Wagnerwandlung, sie
war, anstatt eines Fesselsprengens, ein allmähliches Sich-Verfliegen
und Sich-Verlaufen,--»all mein Wandern und Bergsteigen: eine Noth
war's nur und ein Behelf des Unbeholfenen:--_fliegen_ allein will
mein ganzer Wille!« (Also sprach Zarathustra III 19.) »Ich habe gehen
gelernt: seitdem lasse ich mich laufen!« (I 54.) Aber wohl vollzog sie
sich ebenso unaufhaltsam und unwiderruflich, wie die vorhergehende
Wandlung. Denn über die rein empiristische Betrachtungsweise seiner
Probleme, über die principielle Beschränkung auf das Erfahrungsgebiet,
musste Nietzsche irgend wann einmal wieder hinaus; einer Philosophie
der »letzten und höchsten Dinge« in irgend einer Form konnte er, der
ganzen Art seines Geistes nach, nicht dauernd entsagen. Es konnte
sich im Grunde nur darum handeln, auf welchem stillen. Seitenweg er
sich wieder dorthin zurückschleichen würde,--wo die Götter und die
Uebermenschen hausen.
 
Nietzsche schreibt einmal an Rée:
 
»Ach, liebster, guter Freund, mit dem schmerzlichsten Bedauern lese
ich-- -- --die Nachricht Ihres Krankseins. Was soll aus uns werden,
wenn wir in unseren besten Jahren so elend dahinwelken?-- -- --_Will
uns das Schicksal ein schönes Greisenalter aufsparen, weil unsere
Denkweise diesem am natürlichsten, wie eine gesunde Haut, anliegt?_
Aber müssten wir da nicht zu lange warten? Die Gefahr wäre, dass wir
die Geduld verlören--.«
 
Er verlor sie völlig. »Schon krümmt und bricht sich mir die Haut!«
sang er gleich darauf in einem schlechten Versehen der »Fröhlichen
Wissenschaft«, und unter der »Greisenhaut« des »affectlosen
Erkennenden« regte sich machtvoll jener Verjüngungsdrang, aus welchem
heraus Nietzsche noch in seinem Untergange eine Apotheose des Lebens,
des ewigen Lebens, schrieb.
 
Das Schicksal brauchte ihm kein Greisenalter auf-zusparen--.
 
Aber als die Basis der neuen Lehre, die er verkünden wollte, als
das einzige zuverlässige Fundament, auf dem sie errichtet werden
könnte, dachte sich Nietzsche damals doch noch eine wissenschaftliche
Begründung. Gerade in dieser Zeit des Ueberganges sehen wir ihn
daher von dem lebhaftesten Verlangen ergriffen, sich grossen
zusammenhängenden Forschungen widmen zu dürfen, denen er seit langen
Jahren hatte entsagen müssen. Mit nimmermüdem Interesse und Antheil
verfolgte er die Studien, welche Rée seit 1878 unternommen hatte, um
durch sie die Grundgedanken seines ersten moralphilosophischen Buches
zu erweitern und zu erhärten. Als dieser 1881 Nietzsche mittheilte,
dass er sein neues Werk noch vor Ablauf des Jahres zu vollenden hoffe,
empfing er die beglückte Antwort: »Dieses selbe Jahr soll nun auch das
Werk ans Licht bringen, an dem ich im Bilde des Zusammenhanges und
der goldenen Kette meine arme, stückweise Philosophie vergessen darf!
Welches herrliche Jahr 1881!«
 
Die in Frage stehende Schrift: »Die Entstehung des Gewissens« (Berlin
1885) wurde jedoch erst vier Jahre später völlig beendigt, nachdem
Nietzsche inzwischen längst den letzten Rest seiner »Freigeisterei« von
sich abgestreift und die abgelegte Haut auch schon mit der gewöhnlichen
Energie verbrannt hatte. Aber durch den regen Antheil, den er so
lange an Rées Studien zu jenem Buche genommen, hat es eine bestimmte
Bedeutung für sein Gedankenleben gewonnen. Doch stützt er sich jetzt
nicht in demselben Sinne auf »Die Entstehung des Gewissens«, wie er
sich einst in »Menschliches, Allzumenschliches« auf den »Ursprung der
moralischen Empfindungen« gestützt hatte. Darauf beruht überhaupt
ein Unterschied zwischen der letzten Geistesperiode Nietzsches und
der vorhergehenden positivistischen, dass er sich nicht mehr darauf
beschränkt, einzelne gegebene Theorien in ihrer inneren Bedeutsamkeit
zum Ausdruck zu bringen, sondern dass er sich der kühnsten Entwickelung
eines eigenen Systems hingiebt, dass er aus dem Aphoristischen,
Vereinzelten hinausstrebt. Hatte die »freigeisterische« Richtung ihn
dazu angetrieben, ihre Erkenntnisse in tiefstem Erleben und Empfinden
zu verinnerlichen, so drängte nun die leidenschaftliche Gewalt dieses
inneren Erlebens ihrerseits nach Entlastung in bestimmten Gedanken und
Theorien; sie drängte danach, sich in neue geschlossene Weltbilder
umzusetzen.
 
Im Sommer 1882 wurde Nietzsche dadurch zu dem Entschlüsse geführt,
sich während einer Reihe von Jahren demjenigen Studium zu widmen,
das ihm für den systematischen Ausbau seiner »Zukunftsphilosophie«
unentbehrlich zu sein schien, dem Studium der Naturwissenschaften. Er
wollte zu diesem Zwecke sein Leben im Süden aufgeben, um in Paris,
Wien oder München Vorlesungen zu hören. Zehn Jahre lang sollte jede
schriftstellerische Thätigkeit eingestellt werden, bis das Neue in ihm
nicht nur völlig ausgereift, sondern auch auf wissenschaftlichem Wege
als richtig erwiesen wäre.
 
Etwas später als Nietzsche fühlte auch Rée das Bedürfniss, sich mit
den Naturwissenschaften auseinanderzusetzen, die ihnen Beiden bisher
fremd geblieben waren. Er jedoch wünschte sie nicht als Material zum
Ausbau eigener philosophischer Hypothesen heranzuziehen, sondern
hatte, nach Vollendung seines Buches, das Verlangen, neue Gedanken frei
auf sich wirken zu lassen und völlig aus seinem engeren Specialgebiete
herauszutreten. So wandte er sich denn der Medicin zu, studirte noch
einmal, und machte sein Staatsexamen als praktischer Arzt, mit der
Absicht, sich längere Zeit der Psychiatrie zu widmen und auf diesem
Umwege zu den Geisteswissenschaften zurückzukehren, Niemals standen
sich die Freunde geistig ferner als damals, wo sie scheinbar noch
einmal Dasselbe zu erstreben schienen: sie waren an den einander
entgegengesetzten Polen ihres Wesens und Geistes angelangt.[12] Das
spricht sich bezeichnend auch darin aus, dass die geplanten zehn
Jahre des Schweigens für Nietzsche gerade diejenigen seiner grössten
Productivität wurden, während Rée bis jetzt den Punkt noch nicht
erreicht hat, auf dem sein altes Schaffen und sein neues Wissen in Eins
verschmelzen und ihn zu neuer erhöhter Selbstthätigkeit anregen müssen.
 
Nietzsche war durch sein Kopfleiden an der Ausführung seiner
Entschlüsse gehindert worden; schon der anbrechende Winter 1882 fand
ihn wieder in seiner Einsiedlerklause zu Genua. Doch auch bei besserer
Gesundheit wäre das Vorhaben nicht ausführbar gewesen. Denn Nietzsche
befand sich nicht mehr in jenem abwartenden Zustande, in welchem
der Geist noch Fremdes aufnehmen, sich störenden Einsichten willig
unterordnen kann; er war schon viel zu stark productiv erregt, um
noch von irgend etwas berührt zu werden, das ihn in seinem Drange zu
schaffen hätte aufhalten können. Während er zur Entfesselung seiner
Schaffenskraft einer ersten Befruchtung von aussen her bedurfte, sei
es selbst unter Schmerzen und Selbstüberwindung, während er sich einer
solchen fremden Erkenntniss gegenüber hingebend verhielt, in der
Inbrunst der Verschmelzung mit ihr sein Selbst preisgab, erscheint
er--einmal befruchtet--um so unzugänglicher und unbeeinflussbarer. Er
ist ganz benommen vom eigenen Zustand und von Dem, was Leben in ihm
gewinnen will. Richtet sich aber seine Aufmerksamkeit nach aussen, so
geschieht es nur noch, um für das Leben, das aus ihm geboren werden
soll, um jeden Preis Raum zu schaffen, keineswegs aber, um seine
Existenzbedingungen noch einmal zu prüfen und in Frage zu stellen.
 
Der ihm durch seinen körperlichen Zustand zum zweiten Mal aufgezwungene
Verzicht auf umfassende wissenschaftliche Studien führte dieses Mal
zu dem entgegengesetzten Resultat wie zur Zeit seines Wagnerbruches
und seiner positivistischen Periode. Damals war er die Veranlassung,
dass Nietzsche, anstatt neue Theorien zu begründen, die von Anderen
aufgenommenen innerlich auszuschöpfen und in ihren Seelenwirkungen
festzustellen suchte. Jetzt hingegen wird er dadurch verleitet, die
ihm fehlende theoretische Grundlage gewissermassen hinzuzudichten.
Hierin liegt geradezu ein Grundzug der letzten Philosophie Nietzsches:

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