2015년 11월 26일 목요일

Friedrich Nietzsche in seinen Werken 4

Friedrich Nietzsche in seinen Werken 4



Was macht heroisch? zugleich seinem höchsten Leide und seiner höchsten
Hoffnung entgegengehen« sagt er (Fröhliche Wissenschaft 268). Und ich
füge dem noch drei Aphorismen bei, die er mir einmal niederschrieb,
und die mir seine Auffassung mit besonderer Schärfe zu verdeutlichen
scheinen:
 
»Der Gegensatz des heroischen Ideals ist das Ideal der harmonischen
Allentwicklung,--ein schöner Gegensatz und ein sehr wünschenswerther!
Aber nur ein Ideal für grundgute Menschen. (Zum Beispiel: Goethe).[9]
 
Weiter: »Heroismus--das ist die Gesinnung eines Menschen, der ein Ziel
erstrebt, gegen welches gerechnet er gar nicht mehr in Betracht kommt.
Heroismus ist der gute Wille zum absoluten Selbst-Untergang.«
 
Und als drittes: »Menschen, die nach Grösse streben, sind gewöhnlich
böse Menschen; es ist ihre _einzige Art, sich zu ertragen_.« Das Wort
»böse« will hier ebenso wie oben das Wort »gut« weder im Sinn des
landläufigen Urtheils noch überhaupt im Sinne eines Urtheils genommen
werden, sondern blos als Bezeichnung eines Thatbestandes: und als eine
solche bezeichnet es für Nietzsche stets den »innern Krieg« in einer
Menschenseele,--dasselbe, was er später »Anarchie in den Instincten«
nennt. In seiner letzten Schaffensperiode hat sich ihm, auf dem Wege
einer bestimmten Gedankenentwicklung, das Bild dieses Seelenzustandes
bis zum Culturbilde der Menschheit ausgedehnt; die Losungsworte heissen
da: Innenkrieg = Décadence, und Sieg = Selbstuntergang der Menschheit
zur Erschaffung einer Uebermenschheit. Ursprünglich aber handelt es
sich für ihn um sein eigenes Seelenbild.
 
Er unterscheidet nämlich die harmonische oder einheitliche und die
heroische oder vielspältige Naturanlage als die beiden Typen des
_handelnden_ und des _erkennenden_ Menschen, mit anderen Worten: den
Typus seines Wesens-Gegensatzes und seinen eigenen.
 
Zum handelnden Menschen wird ihm der Ungetheilte und Unzersetzte,
der Instinct-Mensch, die Herrennatur. Wenn dieser seiner natürlichen
Entwicklung folgt, muss sein Wesen sich immer selbstsicherer und fester
zuspitzen und seine gedrängte Kraft in gesunden Thaten sich entladen.
Die Hemmnisse, welche die Aussenwelt ihm möglicherweise entgegenstellt,
enthalten zugleich eine Anregung und Förderung dafür: denn nichts ist
ihm naturgemässer, als der tapfere Kampf nach aussen hin, in nichts
erweist sich seine ungebrochene Gesundheit so sehr als in seiner
Kriegstüchtigkeit. Mag sein Intellect klein oder gross sein: in jedem
Fall steht er im Dienst dieser frischen Wesenskraft und dessen, was
ihr wohl thut und noth thut,-- er hat sich ihr in seinen Zielen nicht
entgegengesetzt, er hat sie nicht zersetzt, er folgt nicht eignen Wegen.
 
Ganz anders der erkennende Mensch. Anstatt nach einem festen
Zusammenschluss seiner Triebe zu suchen, der sie schützt und erhält,
lässt er sie so weit als irgend möglich auseinanderlaufen; je breiter
das Gebiet, das sie zu umfassen lernen, desto besser, je mehr der
Dinge, bis zu denen sie ihre Fühlhörner ausstrecken, und die sie
betasten, sehen, hören, riechen, desto tüchtiger sind sie ihm für seine
Zwecke,--für die Zwecke des Erkennens. Denn ihm ist nunmehr »das Leben
ein Mittel der Erkenntniss« (Fröhliche Wissenschaft 324) und erruft
seinen Genossen zu (Fröhliche Wissenschaft 319): »Wir selber wollen
unsere Experimente und Versuchstiere sein!« So gibt er sich selbst
freiwillig als Einheit auf,--je polyphoner sein Subject, desto lieber
ist es ihm:
 
 
»Scharf und milde, grob und fein,
Vertraut und seltsam, schmutzig und rein,
Der Narren und Weisen Stelldichein:
Dies Alles bin ich, will ich sein,
Taube zugleich, Schlange und Schwein!«
 
(Fröhliche Wissenschaft, Scherz, List und Rache 11.)
 
 
Denn wir Erkennenden, sagt er, müssen dankbar sein »gegen Gott,
Teufel, Schaf und Wurm in uns,-- -- -- --mit Vorder- und Hinterseelen,
denen Keiner leicht in die letzten Absichten sieht, mit Vorder-
und Hintergründen, welche kein Fuss zu Ende laufen dürfte, wir die
geborenen, geschworenen, eifersüchtigen Freunde der _Einsamkeit_-- --«.
(Jenseits von Gut und Böse 44.) Der Erkennende hat die Seele, welche
»die längste Leiter hat und am tiefsten hinunter kann,-- -- --die
_umfänglichste_ Seele, welche am weitesten in sich laufen und irren und
schweifen kann;-- -- --die sich selber fliehende, die sich selber im
weitesten Kreise einholt; die weiseste Seele, welcher die Narrheit am
süssesten zuredet: -- -- --die sich selber bebendste, in der alle Dinge
ihr Strömen und Wiederströmen und Ebbe und Fluth haben-- -- --.« (Also
sprach Zarathustra III 82.)
 
Mit solcher Seele wird man zum »Tausendfuss und Tausend-Fühlhorn«
(Jenseits von Gut und Böse 205), immer im Begriff, sich selbst zu
entlaufen, um sich bis in fremdes Wesen hinein zu erstrecken: »Wenn
man erst sich selber gefunden hat, muss man verstehen, sich von Zeit
zu Zeit zu _verlieren_--und dann wieder zu finden: vorausgesetzt, dass
man ein Denker ist. Diesem ist es nämlich nachtheilig, immer an Eine
Person gebunden zu sein.« (Der Wanderer und sein Schatten 306.) Das
Gleiche besagen die Verse (Fröhliche Wissenschaft, Scherz, List und
Rache 33):
 
 
»Verhasst ist mir's schon, selber mich zu führen!
Ich liebe es, gleich Wald- und Meeresthieren,
Mich für ein gutes Weilchen zu verlieren,
In holder Irrniss grüblerisch zu hocken.
Von ferne her mich endlich heimzulocken,
Mich selber zu mir selber--zu verführen.«
 
 
Das Versehen ist überschrieben »Der Einsame«, d. h. der von den
Anforderungen und Kämpfen der Aussenwelt möglichst Abgeschiedene;
denn kriegstüchtig nach aussen hin wird ein solches Innenleben in dem
Masse immer weniger, je vollkommener es benommen und bewegt ist von
den Kriegen, Siegen, Niederlagen und Eroberungen innerhalb seiner
eignen Triebe. In der Einsamkeit seiner geistigen Selbstversenkung und
Selbsterweiterung sucht es vielmehr eine Hülle, die es schonend behüte
vor den lauten und verwundenden Lebensereignissen draussen,--steht
es doch schon ohnedies in Kampf und Wunden; gilt doch von diesem
Erkennenden die Schilderung:--das ist ein Mensch, der beständig
ausserordentliche Dinge erlebt, sieht, hört, argwöhnt, hofft, träumt;
der von _seinen eigenen Gedanken wie von Aussen her_,-- --als von
_seiner Art Ereignissen und Blitzschlägen_ getroffen wird.« (Jenseits
von Gut und Böse 292.)
 
Denn die kriegerische Stellung der Triebe zu einander in seinem Innern
ist damit nicht aufgehoben, sondern eher gesteigert: »Wer aber die
Grundtriebe des Menschen darauf hin ansieht, wie weit sie gerade
hier als inspirirende Genien (oder Dämonen und Kobolde--) ihr Spiel
getrieben haben mögen, wird finden,-- -- -- -- --dass jeder Einzelne
von ihnen gerade sich gar zu gerne als letzten Zweck des Daseins und
als berechtigten _Herrn_ aller übrigen Triebe darstellen möchte.
Denn jeder Trieb ist herrschsüchtig und _als solcher_ versucht er zu
philosophiren« (Jenseits von Gut und Böse 6).
 
Daher grade legt die Erkenntniss des Erkennenden ein »entscheidendes
Zeugniss dafür ab, _wer er ist_,--das heisst, in welcher Rangordnung
die innersten Triebe seiner Natur zu einander gestellt sind«
(ebendaselbst).
 
Trotzdem aber wird durch das Erkennen in diesem Innen-Krieg eine
Verwandlung vollzogen, die demselben eine neue Bedeutung gibt,--eine
rettende und erlösende Bedeutung: in der Erkenntniss ist ein allen
Trieben gemeinsames Ziel gegeben, eine Richtung, der ein jeder von
ihnen insofern zustrebt, als sie alle das Nämliche erobern wollen.
Die Zersplitterung des Beliebens, die Tyrannei der Willkür ist damit
gebrochen. Die Triebe halten an ihrer »Subjects-Vielheit« fest, aber
sie unterstellen dieselbe einer höheren Macht, die ihnen als Dienern
und Werkzeugen befiehlt; sie bleiben wild und kriegerisch, aber sie
werden in ihrem Kriegs-Ziel unvermerkt zu Helden, die zu kämpfen
und zu bluten berufen sind;--das heroische Ideal ist inmitten ihrer
Selbstsucht aufgerichtet und zeigt den für sie einzig möglichen Weg
zur Grösse. So ist die Gefahr der Anarchie beseitigt zu Gunsten eines
sichern »Gesellschaftsbaues der Triebe und Affecte«.
 
Ich erinnere mich eines mündlichen Ausspruches von Nietzsche, der sehr
bezeichnend diese Freude des Erkennenden an der umfassenden Breite und
Tiefe seiner Natur ausdrückt,--die Lust, die daraus entspringt, dass
er sein Leben nunmehr als ein »Experiment des Erkennenden« (Fröhliche
Wissenschaft 324) auffassen darf: »Einer alten, wetterfesten Burg
gleiche ich, die viele versteckte Keller und Unterkeller hat; in
meine eignen verborgensten Dunkelgänge bin ich noch nicht ganz
hinabgekrochen, in meine unterirdischen Kammern bin ich noch nicht
gekommen. Sollte mit ihnen nicht alles unterbaut sein? sollte ich nicht
aus meiner Tiefe zu allen Oberflächen der Erde hinaufklettern können?
sollten wir nicht auf jedem Dunkelgang zu uns selber wiederkehren?«
 
Dasselbe Gefühl gibt auch in der »Fröhlichen Wissenschaft« (249)
der Aphorismus wieder, der die Ueberschrift trägt: »Der Seufzer des
Erkennenden«: »Oh über meine Habsucht! In dieser Seele wohnt keine
Selbstlosigkeit,-- vielmehr ein Alles begehrendes Selbst, welches
durch viele Individuen wie durch _seine_ Augen sehen und wie mit
_seinen_ Händen greifen möchte,--ein auch die ganze Vergangenheit noch
zurückholendes Selbst, welches nichts verlieren will, was ihm überhaupt
gehören könnte! Oh über diese Flamme-meiner Habsucht! Oh dass ich in
hundert Wesen wiedergeboren würde!«
 
Auf diese Weise wird das Umfassende und Verschlungene der
unharmonischen, der »stillosen« Natur zu einem gewaltigen Vorzug:
»Wollten und wagten wir eine Architektur nach _unserer_ Seelen-Art,--
-- -- -- so müsste das Labyrinth unser Vorbild sein!« (Morgenröthe
169.)--aber kein Labyrinth, in welchem die Seele sich selbst verliert,
sondern aus dessen Wirrnis sie zur Erkenntniss hindurchdringt. »Man
muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären
zu können«,-- dieses Wort Zarathustras (I 15) gilt von ihr, die
zum Sternendasein, zum Licht geboren ist als zu ihrem eigensten
Wesensgenius, ihrer eigensten Verklärung. Nietzsche hat dies unter dem
Namen: »Eine lichte Art von Schatten« geschildert (Der Wanderer und sein Schatten 258): »Dicht neben den ganz nächtigen Menschen befindet sich fast regelmässig, wie an sie angebunden, eine Lichtseele. Sie ist gleichsam der negative Schatten, den jene werfen.

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