2015년 11월 26일 목요일

Friedrich Nietzsche in seinen Werken 5

Friedrich Nietzsche in seinen Werken 5


Diese Lichtseele ist um so strahlender, je mächtiger und nächtiger,
also je tyrannischer und gefährlicher die Natur ist, welche sich
gleichsam in ihr verbrennen lässt,--alle ihre Neigungen als Brennstoff
in diese heilige Gluth wirft. Die Art, in welcher dies geschieht,
wechselt mit dem Erkenntnissstandpunkt des Erkennenden: Nietzsches
Auffassung dessen, was »Erkenntnisse ist, ist in seinen verschiedenen
Geistesperioden eine verschiedene, und dementsprechend verschiebt sich
auch jedesmal das, was er die »innere Rangordnung der Triebe« nennt,
innerhalb des wogenden Kampfes in dieser reichen Genie-Natur. Man
kann sagen, dass aus den wechselnden Bildern solcher Verschiebungen
sich die Geschichte seiner Entwicklung im Wesentlichen zusammensetzt,
bis in seiner letzten Schaffensperiode sein ganzes Innenleben sich
in philosophischen Theorien widerspiegelt: bis ihm Dunkelseele und
Lichtseele zu Repräsentanten des Menschlichen und Uebermenschlichen
werden.
 
Der geschilderte Seelenprocess selbst aber bleibt durch alle Wandlungen
hindurch in seinen Grundzügen der nämliche. »Hat man Charakter,
so hat man auch sein typisches Erlebniss, das immer wiederkommt,«
sagt Nietzsche (Jenseits von Gut und Böse 70). Nun, dieses ist sein
typisches Erlebniss, das immer wiederkommt, an dem er sich immer wieder
aufrichtete, über sich selbst erhob,--an dem er auch endlich sich in
sich selbst überschlug und zu Grunde ging.
 
Und daran _musste_ er wohl zu Grunde gehen. Denn in dem gleichen
Process, der ihm stets von neuem Heilung und Erhebung sicherte, lag
auch schon das pathologische Moment dieser Art von Geistesentwicklung
verborgen. Auf den ersten Blick fällt es nicht auf. Man sollte
vielmehr meinen, in einer Kraft, die sich selber so zu heilen weiss,
müsse mindestens ebensoviel Gesundheit stecken wie in dem ruhigen
Frieden einer harmonischen Kräfteentfaltung. Ja, sogar eine weit
grössere Gesundheit: denn sie ist im Stande, selbst an dem, was
Wunden schlägt und Fieber erzeugt, sich noch zu befestigen und zu
beweisen; sie ist im Stande, Krankheit und Kampf zu einem _Stimulans_
für Leben und Erkennen umzuwandeln, zu einem Sporn und Hellsehen für
ihre Zwecke,--sie _umfasst_ also schadlos Kampf und Krankheit. Auf
solche Weise wollte Nietzsche, namentlich zuletzt, namentlich als er
am krankhaftesten war, seine Leidensgeschichte aufgefasst wissen:
alseine _Genesungs_geschichte. Allerdings vermochte diese gewaltige
Natur es, sich mitten aus Schmerzen und Widerstreit heraus in ihrem
Erkenntnissideal selbst zu heilen und zusammenzufassen. Aber, nach
erlangter Genesung, _bedurfte_ sie wiederum ebenso nothwendig der
Leiden und Kämpfe, der Fieber und Wunden. Sie, die sich selbst Heilung
geschafft, ruft jene wieder, hervor; sie wendet sich gegen sich
selbst, schäumt gleichsam über, um sich in neue Krankheitszustände zu
ergiessen. Ueber jedem erreichten Erkenntnissziel, jedem erlangten
Genesungsglück stehen immer wieder die Worte: »Wer sein Ideal erreicht,
kommt eben damit über dasselbe hinaus«, denn: »sein Ueberglück ward
ihm zum Ungemach« (Fröhliche Wissenschaft, Scherz, List und Rache 47),
und er fühlt sich: »verwundet von seinem Glücke«[10] (Also sprach
Zarathustra II 2). »_Sich Schmerzen machen_. Rücksichtslosigkeit des
Denkens ist oft das Zeichen einer unfriedlichen inneren Gesinnung,
welche Betäubung begehrt.« Menschliches, Allzumenschliches I 581.
 
Die Gesundheit ist hier also nicht das Ueberlegene und Ueberragende,
welches das Pathologische, als ein Nebensächliches, zu einem Werkzeug
für sich umschafft, sondern beide bedingen sich, ja _enthalten_ sich
gegenseitig,--beide zusammen stellen thatsächlich eine eigenthümliche
_Selbstspaltung_ innerhalb ein und desselben Geisteslebens dar.
 
Eine solche innere Spaltung liegt nämlich dem ganzen geschilderten
Seelenprocess zu Grunde. Anscheinend zwar sollte in ihm die
Vielspältigkeit, die Subjects-Vielheit der unharmonisch veranlagten
Natur, in einer hohem Einheit, in einem richtunggebenden Ziel
aufgehoben werden. Nun vollzieht sich aber dieser Vorgang _innerhalb_
der vielspältigen Seele in der Weise, dass ein einziger Trieb sich
alle übrigen unterordnet; mit anderen Worten: die Vielspältigkeit
wird auf eine um so tiefer gehende _Zweispaltung_ reducirt. So wenig
wie die Gesundheit hier überragend das Krankhafte mit _umfasst_,
so wenig umfasst und überragt der herrschende Trieb wahrhaft das
gesammte Innere, indem er es in den Dienst der Erkenntniss stellt:
der Erkennende blickt wohl mit seinen Geistesaugen auf sich selbst
wie auf eine zweite Wesenheit, aber er bleibt doch in der eigenen
Wesenheit gefangen; er ist nur im Stande sie zu spalten, nicht über sie
hinauszugreifen. Die Macht der Erkenntniss also, weit davon entfernt,
eine einigende zu sein, ist vielmehr eine trennende,--aber die Tiefe
der Trennung erweckt den _Schein_, als läge das Ziel aller Regungen
_ausser ihnen_. In Folge dieser Selbsttäuschung drängen alle Kräfte
begeistert der Erkenntniss zu, als vermöchten sie damit sich selbst und
ihrem Zwiespalt zu entlaufen.
 
Man sollte allerdings glauben, es werde wenigstens eine Art von
Zusammenschluss des Gesammtlebens dadurch erreicht, dass auf der einen
Seite das Triebleben, unter dem darauf gerichteten Erkenntnissblick,
zu ungeheurer Bewusstheit gesteigert wird,--dass auf der anderen das
Denken durch die Welt der Stimmungen und Triebe eine ungemeine Belebung
erhält. Aber das Resultat ist ein gerade entgegengesetztes, indem
der Gedanke die Unmittelbarkeit aller inneren Regungen _zersetzt_,
die Erregungen des Inneren hinwiederum die beherrschte Strenge des
Gedankens beständig _lockern_. So durchdringt thatsächlich die Spaltung
des Ganzen alles Einzelne nur immer weiter und tiefer.
 
Was ist es nun, das trotzdem eine so hohe, geradezu erlösend wirkende
Befriedigung aus einer so durchsichtigen Selbsttäuschung quellen
lässt? Was ist es, das einen Schein dazu befähigt, das ganze Sein,
wenn auch unter steten Erkrankungen und Verwundungen, zu beseligen
und zu verklären? Mit dieser Frage stehen wir vor dem eigentlichen
Nietzsche-Problem; sie erst weist uns auf den geheimen Zusammenhang des
Gesunden und Pathologischen in ihm.
 
Indem nämlich die Vielheit unverbundener Einzeltriebe sich in zwei
einander gleichsam gegenüber stehende Wesenheiten zerspaltet, von denen
die Eine herrscht, die Andere dient,--wird es dem Menschen ermöglicht,
zu sich selber nicht nur wie zu einem _anderen_, sondern auch wie zu
einem _höhern_ Wesen zu empfinden. Indem er einen Theil seiner selbst
sich selber zum Opfer bringt, ist er einer _religiösen Exaltation_
nahe gekommen. In den Erschütterungen seines Geistes, in denen er das
heroische Ideal eigener Preisgebung und Hingebung zu verwirklichen
wähnt, bringt er _an sich selbst einen religiösen Affect_ zum Ausbruch.
 
Von allen grossen Geistesanlagen Nietzsches gibt es keine, die tiefer
und unerbittlicher mit seinem geistigen Gesammtorganismus verbunden
gewesen wäre, als sein religiöses Genie. Zu einer anderen Zeit,
in einer andern Culturperiode würde dasselbe diesem Predigerssohn
sicherlich nicht gestattet haben, zum Denker zu werden. Unter den
Einflüssen unserer Zeit erhielt jedoch sein religiöser Geist die
Richtung aufs Erkennen und vermochte dasjenige, wonach es ihn
instinctiv am drängendsten verlangte, wie nach dem natürlichen Ausdruck
seiner Gesundheit, nur in krankhafter Weise zu befriedigen,--das
heisst, er vermochte es nur vermittelst einer Rückbeziehung auf sich
selbst anstatt auf eine ihn mit umfassende, ausser ihm liegende
Lebensmacht. So erreichte er das gerade Gegentheil des Angestrebten:
nicht eine höhere Einheit seines Wesens, sondern dessen innerste
Zweitheilung, nicht den Zusammenschluss aller Regungen und Triebe zu
einem einheitlichen Individuum, sondern ihre Spaltung zum »_Dividuum_«.
Es war immerhin eine Gesundheit erreicht,--doch mit den Mitteln
der Krankheit; eine wirkliche Anbetung, doch mit den Mitteln der
Täuschung; eine wirkliche Selbstbehauptung und Selbsterhebung, doch
mit den Mitteln der Selbstverwundung. Deshalb liegen in dem gewaltigen
religiösen Affect, aus dem ganz allein bei Nietzsche alle Erkenntniss
hervorgeht, unlöslich in einen Knoten verschlungen: eigne _Aufopferung_
und _eigne Apotheose_, Grausamkeit der eignen _Vernichtung_ und
Wollust der eignen _Vergötterung_, leidvolles Siechen und siegende
Genesung, glühender Rausch und kühle Bewusstheit. Man fühlt hier die
enge Verknüpfung der Gegensätze, die einander unaufhörlich bedingen:
man fühlt das Ueberschäumen und freiwillige Hinabstürzen der aufs
Höchste erregten und gespannten Kräfte ins Chaotische, Dunkle,
Schauerliche, und dann wieder aus diesem heraus ein Drängen ins Lichte,
Zarteste,--das Drängen eines Willens, der sich«-- --von der Noth der
Fülle und Ueberfülle, vom Leiden der in ihm gedrängten Gegensätze
löst«,[11]--ein Chaos, das den Gott gebären möchte,--gebären _muss_.
 
»Im Menschen ist _Geschöpf_ und _Schöpfer_ vereint: im Menschen
ist Stoff, Bruchstück, Ueberfluss, Lehm, Koth, Unsinn, Chaos;
aber im Menschen ist auch Schöpfer, Bildner, Hammer-Härte,
Zuschauer-Göttlichkeit und siebenter Tag...«. (Jenseits von Gut
und Böse 225.) Und hier zeigt sich, dass unablässiges Leiden und
unablässige Selbstvergöttlichung sich gegenseitig bedingen, indem
ein jedes seinen eignen Gegensatz immer wieder neu erzeugt,-- wie es
Nietzsche in der Geschichte des Königs Viçvamitra ausgedrückt findet,
»der aus tausendjährigen Selbstmarterungen ein solches Machtgefühl und
Zutrauen zu sich gewann, dass er es unternahm, einen _neuen Himmel_ zu
bauen:-- -- --Jeder, der irgendwann einmal einen »neuen Himmel« gebaut
hat, fand die Macht dazu erst in der eignen Hölle...« (Genealogie der
Moral III 10.) Eine andere Stelle, wo er dieser Sage gedenkt, steht
in der Morgenröthe (113) und folgt unmittelbar auf die Schilderung
jener machtdurstigen Leidenden, die als das würdigste Object ihrer
Vergewaltigungslust sich selbst auserlesen haben: »Der Triumph des
Asketen über sich selber, sein dabei nach Innen gewendetes Auge,
welches den Menschen zu einem Leidenden und zu einem Zuschauenden
zerspaltet sieht und fürderhin in die Aussenwelt nur hineinblickt, um
aus ihr gleichsam Holz zum eigenen Scheiterhaufen zu sammeln, diese
letzte Tragödie des Triebes nach Auszeichnung, bei der es nur noch Eine
Person gibt, welche in sich selber _verkohlt_-- --« Dieser Abschnitt,
der die Beschreibung aller bisherigen Askese und ihrer Motive enthält,
schliesst mit der Bemerkung: -- --ja, ist denn wirklich der Kreislauf
im Streben nach Auszeichnung mit dem Asketen am letzten Ende angelangt
und in sich abgerollt? Könnte dieser Kreis nicht noch einmal von Anfang
an durchlaufen werden, mit der festgehaltenen Grundstimmung des Asketen
und zugleich des mitleidenden Gottes?«
 
In »Menschliches, Allzumenschliches« (I 137) sagt er darüber: Es gibt
einen _Trotz gegen sich selbst_, zu dessen sublimirtesten Aeusserungen
manche Formen der Askese gehören. Gewisse Menschen haben nämlich ein
so hohes Bedürfniss, ihre Gewalt und Herrschsucht auszuüben, dass
sie-- -- --endlich darauf verfallen, _gewisse Theile ihres eigenen
Wesens_-- -- --zu tyrannisiren.-- -- --Dieses Zerbrechen seiner selbst,
dieser Spott über die eigene Natur, dieses spernere se sperni,
aus dem die Religionen so viel gemacht haben, ist eigentlich _ein
sehr hoher Grad der Eitelkeit_.-- -- --Der Mensch hat eine wahre
Wollust darin, sich durch übertriebene Ansprüche zu vergewaltigen
und _dieses tyrannisch fordernde Etwas in seiner Seele nachher zu
vergöttern_.«--und 138: »-- --Eigentlich liegt ihm also nur an der
Entladung seiner Emotion; da fasst er wohl, um seine Spannung zu
erleichtern, die Speere der Feinde zusammen und begräbt sie in seine
Brust,«--und 142: »-- --er geisselt seine Selbstvergötterung mit
Selbstverachtung und Grausamkeit, er freut sich an dem wilden Aufruhre
seiner Begierden,-- -- --er versteht es, seinem Affect, zum Beispiel
dem der äussersten Herrschsucht, einen Fallstrick zu legen, so dass er
in den der äussersten Erniedrigung übergeht und seine aufgehetzte Seele
durch diesen Contrast aus allen Fugen gerissen wird;-- -- --es ist im
Grunde eine seltene Art von Wollust, welche er begehrt, aber vielleicht
jene Wollust, in der alle anderen in einen Knoten zusammengeschlungen
sind. Novalis, eine der Autoritäten in Fragen der Heiligkeit durch
Erfahrung und Instinct, spricht das ganze Geheimniss einmal mit naiver
Freude aus: »Es ist wunderbar genug, dass nicht längst die Association
von Wollust, Religion und Grausamkeit die Menschen aufmerksam auf ihre
innige Verwandtschaft und gemeinschaftliche Tendenz gemacht hat.

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