2015년 11월 26일 목요일

Friedrich Nietzsche in seinen Werken 7

Friedrich Nietzsche in seinen Werken 7


Der Fromme spricht:
»Gott liebt uns, weil er uns erschuf!«
»Der Mensch schuf Gott!« sagt drauf ihr Feinen.
Und soll nicht lieben, was er schuf?
Soll's gar, weil er es schuf, verneinen?
Das hinkt, das trägt des Teufels Huf.
 
 
 
[13] Auch wenn man von denjenigen Denkern absieht, welche die
verschiedenen Phasen von Nietzsches Entwicklung direct bestimmt haben,
lassen sich viele seiner Gedanken schon bei früheren Philosophen
nachweisen. Auf diese für die wahre Bedeutung Nietzsches durchaus
unwesentliche Thatsache ist neuerdings mit dem grössten Lärm von Leuten
hingewiesen worden, denen lediglich der Zufall das eine oder andere
philosophische Buch in die Hände gespielt hat. In der vorliegenden
Schrift ist absichtlich auf die Stellung Nietzsches in der Geschichte
der Philosophie kein Bezug genommen, da dies eine eingehende
systematische Prüfung seiner einzelnen Theorien auf ihren objectiven
Werth zur Voraussetzung haben würde, was einer besonderen Arbeit
Vorbehalten bleiben muss.
 
[14] Manchmal, wenn er dies besonders empfand, war er geneigt, das
weibliche Genie als das eigentliche Genie zu nehmen. »Die Thiere denken
anders über die Weiber, als die Menschen; ihnen gilt das Weibchen als
das productive Wesen.-- -- -- -- --Die Schwangerschaft hat die Weiber
milder, abwartender, furchtsamer, unterwerfungslustiger gemacht;
und ebenso erzeugt die geistige Schwangerschaft den Charakter des
Contemplativen, welcher dem weiblichen Charakter verwandt ist:--es sind
die männlichen Mütter.--« (Die fröhliche Wissenschaft 72.)
 
 
 
 
II. ABSCHNITT
 
 
SEINE WANDLUNGEN.
 
 
MOTTO:
 
 
»Die Schlange, welche sich nicht
häuten kann, geht zu Grunde. Ebenso
die Geister, welche man verhindert,
ihre Meinungen zu wechseln; sie hören
auf, Geist zu sein.«
 
(Morgenröthe 573)
 
 
 
Die erste Wandlung, die Nietzsche in seinem Geistesleben durchkämpfte,
liegt weit zurück in der Dämmerung seiner Kindheit oder doch wenigstens
seiner Knabenjahre.
 
Es ist der Bruch mit dem christlichen Kirchenglauben. In seinen
Werken findet diese Trennung selten Erwähnung. Trotzdem kann sie als
der Ausgangspunkt seiner Wandlungen angesehen werden, weil schon
von ihr aus ein charakteristisches Licht auf die Eigenart seiner
Entwicklung fällt. Seine Aeusserungen über diesen Gegenstand, den ich
besonders eingehend mit ihm besprochen habe, betrafen hauptsächlich
die Gründe, welche den Glaubensbruch hervorrufen. Weitaus die meisten
religiös veranlagten Menschen werden erst durch intellectuelle
Gründe dahin gedrängt, sich in schmerzlichen Kämpfen von ihren
Glaubensvorstellungen loszusagen. Wo aber, in selteneren Fällen,
die erste Entfremdung vom Gemüthsleben selbst ausgeht, da ist der
Process ein kampfloser und schmerzloser; der Verstand zersetzt nur,
was schon vorher abgestorben,--eine Leiche war. In Nietzsches Fall
fand eine eigenthümliche Kreuzung dieser beiden Möglichkeiten statt:
weder waren es nur intellectuelle Gründe, die ihn ursprünglich von den
anerzogenen Vorstellungen frei machten, noch auch hatte der alte Glaube
aufgehört, den Bedürfnissen seines Gemüths zu entsprechen. Vielmehr
betonte Nietzsche immer wieder, dass das Christenthum des elterlichen
Pfarrhauses seinem inneren Wesen »glatt und weich« angelegen
habe--»gleich einer gesunden Haut«, und dass ihm die Erfüllung all
seiner Gebote so leicht geworden sei wie das Befolgen einer eignen
Neigung. Dieses gleichsam angeborene, unveräusserliche »Talent« zu
aller Religion hielt er für eine der Ursachen der Sympathie, die ihm
ernste Christen selbst dann noch entgegenbrachten, als er bereits durch
eine tiefe Geisteskluft von ihnen getrennt war.
 
Der dunkle Instinct, der ihn hier zum ersten Mal aus lieb und theuer
gewordnen Gedankenkreisen forttrieb, erwachte grade in diesem
Heimathsgefühl, in diesem warmen »Zu Hause«, von dem sich Nietzsches
Wesen darin umfangen fühlte. Um in machtvoller Entwicklung zu sich
selbst zu gelangen, bedurfte sein Geist der seelischen Kämpfe,
Schmerzen und Erschütterungen,--er bedurfte dessen, dass sein Gemüth
sich die Trennung von diesem ruhigen Friedenszustand _anthat_, weil
seine Schaffenskraft von der Emotion und Exaltation seines Innern
abhängig war: hier tritt uns die Erscheinung des _Schmerzheischenden_
in der »Decadenten-Natur« zum ersten Mal in Nietzsches Leben entgegen.
 
»Unter friedlichen Umständen fällt der kriegerische Mensch über sich
selbst her,« (Jenseits von Gut und Böse 76) und verbannt sich selbst in
eine Gedankenfremde, in der er von nun an zu einem ewigen Wandern ohne
Rast und Ruhe bestimmt ist. Aber in dieser Rastlosigkeit lebt von nun
an eine unersättliche Sehnsucht in Nietzsche, die nach dem verlorenen
Paradies zurückstrebt, während seine Geistesentwicklung ihn zwingt,
sich in grader Linie immer weiter davon zu entfernen.
 
Im Gespräch über die Wandlungen, die schon hinter ihm lagen, äusserte
Nietzsche einmal halb im Scherz: »Ja, so beginnt nun der Lauf und wird
fortgesetzt,--bis wohin? wenn Alles durchlaufen ist,--wohin läuft man
alsdann? Wenn alle Combinationsmöglichkeiten erschöpft wären,--was
folgte dann noch? wie? müsste man nicht wieder beim Glauben anlangen?
Vielleicht bei einem _katholischen_ Glauben?« Und der Hintergedanke,
der sich in dieser Aeusserung verbarg, trat in den ernst hinzugefügten
Worten aus seinem Versteck:
 
»_In jedem Fall könnte der Kreis wahrscheinlicher sein als der
Stillstand._«
 
Eine in sich selbst zurücklaufende, niemals stillstehende
Bewegung,--das ist in Wahrheit das Kennzeichen der ganzen Geistesart
Nietzsches. Die Combinationsmöglichkeiten sind keineswegs unendlich,
sind im Gegentheil sehr begrenzt, da der vorwärts treibende,
selbstverwundende Drang, der die Gedanken nicht zur Ruhe kommen lässt,
ganz und gar der innern Eigenart der Persönlichkeit entspringt: so
weit auch die Gedanken zu schweifen scheinen, so bleiben sie doch
stets an die gleichen Seelenvorgänge gebunden, die sie immer wieder
zurück unter die herrschenden Bedürfnisse zwingen. Wir werden sehen,
inwiefern Nietzsches Philosophie in der That einen Kreis beschreibt,
und wie zum Schlüsse der Mann in einigen seiner intimsten und
verschwiegensten Gedankenerlebnisse sich wieder dem _Knaben_ nähert,
so dass von dem Gang seiner Philosophie die Worte gelten: siehe einen
Fluss, der in vielen Windungen zurück zur Quelle fliesst!« (Also sprach
Zarathustra III 23.) Es ist kein Zufall, dass Nietzsche in seiner
letzten Schaffensperiode zu seiner mystischen Lehre von einer ewigen
Wiederkunft gelangte: das Bild des _Kreises,--eines ewigen Wechsels
in einer ewigen Wiederholung,_--steht wie ein wundersames Symbol und
Geheimzeichen über der Eingangspforte zu seinen Werken.
 
Als sein erstes »literarisches Kinderspiel« (Zur Genealogie der Moral,
Vorrede VI) nennt Nietzsche einen Aufsatz aus seiner Knabenzeit,
»über den Ursprung des Bösen«, worin er, »wie es billig ist«, Gott
»zum _Vater_ des Bösen« machte. Auch gesprächsweise erwähnte er
diesen Aufsatz als Beweis dafür, dass er sich schon zu einer Zeit
philosophischen Grübeleien hingegeben habe, wo er sich noch in dem
philologischen Schulzwang der Schulpforte befand.
 
Wenn wir Nietzsche aus seiner Kindheit in seine Lehrjahre und dann in
die lange Zeit seiner philologischen Thätigkeit folgen, dann erkennen
wir auch hier deutlich, wie seine Entwicklung von Anfang an auch rein
äusserlich unter dem Einfluss eines gewissen Selbstzwanges verläuft.
Schon die strenge philologische Schulung musste einen solchen Zwang für
den jungen Feuergeist enthalten, dessen reiche schöpferische Kräfte
dabei leer ausgingen. Ganz besonders aber galt dies von der Richtung
seines Lehrers Ritschl. Grade bei diesem wurde das Hauptaugenmerk,
sowohl nach Seite der Methode wie nach Seite der Probleme, auf formale
Beziehungen und äussere Zusammenhänge gerichtet, während die innere
Bedeutung der Schriftwerke zurückstand. Für Nietzsches ganze Eigenart
aber war es bezeichnend, dass er später seine Probleme ausschliesslich
der Welt des Innern entnahm und geneigt war, das Logische dem
Psychologischen unterzuordnen.
 
Und doch war es eben hier, in dieser strengen Zucht und auf diesem
steinigen Boden, dass sein Geist so früh reife Frucht trug und
Ausgezeichnetes leistete. Eine Reihe vortrefflicher philologischer
Untersuchungen[1] bezeichnet den Weg von seinen Studienjahren an bis
zu der Baseler Professur. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass eine
zu frühe Entfesselung des ganzen Geistesreichthums Nietzsches durch
das Studium der Philosophie oder der Künste ihn von vornherein zu
jener Zügellosigkeit verführt hätte, der sich einige seiner letzten
Werke nähern. So aber gab für seine »vielspältigen Triebe« die kühle
Strenge philologischer Wissenschaft eine Zeit lang das einigende und
zusammenhaltende Band ab, indem es für Manches, das in ihm schlummerte,
zur Fessel wurde.
 
In welchem Grade jedoch Nietzsches unberücksichtigte starke Talente
ihn quälten und störten, während er seinen Fachstudien nachging, das
empfand er darum nicht minder als ein tiefes Leiden. Namentlich war
es der Drang nach Musik, den er nicht abzuweisen vermochte, und oft
musste er Tönen lauschen, während er Gedanken lauschen wollte. Wie eine
tönende Klage begleiten jene ihn durch die Jahre hindurch, bis ihm sein
Kopfleiden jede Ausübung der Musik unmöglich machte.
 
Aber wie gross auch der Gegensatz war, den Nietzsches Philologenthum
zu seinem spätem Philosophenthum bildete, so fehlt es doch nicht an
zahlreichen vermittelnden Zügen, die von der einen Periode zu der
andern überleiten.
 
Grade die Richtung Ritschls, welche diesen Gegensatz zu verschärfen
scheint, kam in einer bestimmten Besonderheit Nietzsches Geistesart
sogar entgegen, indem sie seinen Hang zum Produciren noch verstärkte
und ausbildete. Es lag in ihr das Streben nach einer gewissen formell
künstlerischen Abrundung und virtuosen Behandlung wissenschaftlicher
Fragen, möglich gemacht durch strenge Begrenzung derselben und
Concentrirung auf einen gegebenen Punkt. Bei Nietzsche stand nun das
Bedürfniss, durch freiwillige und concentrirte Beschränkung einer
Aufgabe, dieselbe in rein künstlerischer Weise zum Abschluss zu
bringen, in engem Zusammenhang mit dem Grundtrieb seiner Natur, über
das Selbstgeschaltene immer wieder hinauszugehen, es als ein endgültig
Erledigtes, Vergangenes, von sich abzustossen. Für den Philologen ist
ein solcher Wechsel der Aufgaben und Probleme von selbst gegeben,--den
für Nietzsche charakteristischen Ausspruch: »Eine Sache, die sich
aufgeklärt hat, hört auf, uns etwas anzugehen,« (Jenseits von Gut und
Böse 80)--könnte ein Philologe gethan haben, denn für diesen wird
thatsächlich ein aufgeklärtes Dunkel zu einer völlig erledigten Sache,
die ihn nicht länger zu beschäftigen braucht. Aber es sind hiervon tief
verschiedene Gründe, die Nietzsches häufigen Gedankenwechsel bedingen,
und daher ist es in hohem Grade interessant zu sehen, wie sich hier
die Gegensätze des Philologenthums und Philosophenthums dennoch zu
berühren scheinen, und wie Nietzsche auch in dieser ihm fremdesten Verkleidung,--der nüchtern philologischen,-- in dieser äussersten geistigen Selbstunterordnung, sein Selbst durchsetzte.

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