2015년 11월 24일 화요일

Pitt und Fox 33

Pitt und Fox 33


Am selben Morgen starrte Fox mit ausdruckslosen Augen vom Bette aus
gegen die Decke und dachte immer: was habe ich gestern nur an den Alten
geschrieben, was war es nur -- irgend etwas Fürchterliches.
 
Am folgenden Tage läutete es, und dann stand Herr Sintrup vor ihm. Er
war zunächst so erregt, daß er kaum sprechen konnte; dann ging das
Donnerwetter los, Fox ließ es über sich ergehen, kleinlaut, wortlos,
ganz ohne sich zu verteidigen. Dann forderte Herr Sintrup Aufschluß über
seine Schulden; er verlangte die Rechnungen zu sehen. Mit unsicheren
Händen kramte Fox in seinen Laden und holte Papier auf Papier hervor,
drehte seine Gestalt zur Seite und hörte nur ab und zu Töne, die sein
Vater durch die Nase stieß, kurz und wütend, so wie ein Hund, der niest.
-- Dann stand Herr Sintrup auf, trat zu ihm hin und durchbohrte ihn mit
seinem Blick: Kannst du mir in die Augen sehen? Hat dir dein Vater ein
solches Lebensbeispiel gegeben? Wie ich so alt war wie du, habe ich
schon lange selbst verdient, und vorher, als ich noch Geld von zu Haus
bekam -- überlegt habe ich mir jeden Pfennig, den ich ausgab, dreimal
umgedreht habe ich ihn, kaum eine Flasche Bier habe ich mir geleistet,
und wenn ich mir einen Hering spendierte, verteilte ich ihn auf zwei
Abende! Und du, und du? Sieh deinen Bruder Pitt an! Er ist kein
leuchtendes Vorbild, er hat auch ziemlich lange Zeit bis zum Examen
gebraucht, aber in punkto Geld _ist_ er ein Vorbild! Nie hat er auch nur
einen Pfennig mehr gebraucht als er hatte! -- Das weißt du ja gar nicht,
sagte Fox etwas bissig, denn er ärgerte sich, seinen Bruder als Beispiel
vorgehalten zu bekommen, vielleicht hat er viel mehr Schulden als ich!
Im selben Augenblick aber erinnerte er sich daran, daß er ihn kürzlich
schriftlich um eine größere Summe angegangen habe, und daß dies Geld
sogleich auch eintraf; seine Worte erschienen ihm schlecht gegen Pitt.
Und deshalb fügte er hinzu: Ich glaube ja gar nicht, daß es so ist,
absolut nicht, aber wenn es nun so wäre, wenn er nun zehnmal soviel
Schulden hätte als ich? Was wolltest du denn dann erst sagen?! -- Die
Logik ist ja reizend! spottete Herr Sintrup. -- Ja, bitte, antworte mir
doch erst mal, ich setze also voraus, Pitt hätte soviel Schulden, daß
meine ganz klein dagegen erscheinen! -- Diese Worte kamen langsam,
pointiert heraus, in abstrahierend objektivem Tone, und doch mit einer
innerlichen stotternden Zerfahrenheit, während er seinen Vater mit
festem Blicke anzusehen strebte und sein Kopf ganz leise, unsicher hin
und her ging. -- Blödsinn! rief Herr Sintrup, zeig mir diese zehnfachen
Rechnungen und dann laß uns weiter darüber reden! Bis jetzt halte ich
mich an deine eigenen. Er schlug wütend mit der Hand auf all die
Papiere. Da waren Zigarrenkistchen für fünfzig Mark, für siebzig Mark,
das flog nur so! Und die Summe für Delikatessen, die Fox im Laufe der
Zeit -- meist ohne das Fräulein -- vertilgt hatte, war so hoch, daß Herr
Sintrup entrüstet rief, soviel brauche er für seinen Haushalt das ganze
Jahr nicht, und seine Frau aß doch auch gern Delikatessen! -- Was denkst
du nun, daß wird?? Glaubst du, ich zahle dir das alles? -- Nee -- sagte
Fox, so in die Enge getrieben, obgleich er eigentlich gar keinen Zweifel
daran erhoben hatte. Herr Sintrup wurde durch dies halb trocken
herausgesprochene Wort einen Moment aus dem pathetischen Dunst, in dem
er sich befand, herausgerissen, dann gab er seiner Stimme wieder
Nachdruck und fuhr fort: Das fällt mir auch gar nicht ein, und übel
wärest du dran, du Patron, wenn du nicht eine so schwache Mutter
hättest. Für diesmal bist du gerettet: Sie zahlt dir deine Schulden und
zieht das Geld von deinem Erbteil ab! Fox sah überrascht auf, denn dies
hatte er nicht erwartet. Im selben Augenblick aber fühlte er sich wieder
auf seiner alten Höhe und kam sich nun seinem Vater gegenüber gleichsam
wie ein Geschäftsmann vor, denn das Geld wurde ja von seinem eigenen
genommen, von dem, das ihm rechtlich später sowieso zugekommen wäre.
Beide standen sich nun wieder gleichwertig gegenüber. Na -- sagte er,
zog die Augenbrauen in die Höhe und ließ seinen Blick, ohne den Kopf zu
wenden, nachdrücklich zu seinem Vater hingehen: damit wäre die
Angelegenheit ja dann für alle Teile befriedigend geregelt; nun rede
aber auch bitte nichts mehr davon. Und er hoffte, dieser Blick würde
genügen, seinem Vater Eindruck zu machen. Überhaupt -- setzte er aber
noch hinzu, brächtest du mir gar nicht ein so großes Opfer, wenn du mir
die Schulden gezahlt hättest: In ein paar Jahren hätte ich dir alles
zurückgezahlt! -- Das ist ja reizend! höhnte Herr Sintrup, wohl dann,
wenn die Riesengehälter eintreffen? Vorläufig bist und bleibst du nichts
weiter als ein dummer Junge, der vom Gelde seiner Eltern lebt! Fox wurde
rot und sagte: Ich verbitte mir das, ich bin nachgerade alt genug mich
nicht mehr als Kind behandeln zu lassen, ich könnte selbst schon Kinder
haben! Graf Zitzewitz zum Beispiel -- -- Komm du mir nicht mehr mit dem
alten albernen Gewäsch! rief Herr Sintrup in so befehlendem Ton, daß Fox
unwillkürlich wieder sich ganz klein fühlte. Herr Sintrup ging aufgeregt
im Zimmer auf und ab, es folgte ein langes Schweigen, dann stellte er
sich vor Fox auf und durchbohrte ihn, den Mund zu einer Schlußrede
öffnend, mit den Augen. Fox wollte diesen Blick aushalten und versuchte
ebenfalls durchbohrend auszusehen, beider Augenpaare begegneten sich, es
war wie eine stumme Kraftprobe, wer von beiden es länger aushielt, dann
siegte Herr Sintrup.
 
Mein Entschluß steht fest! sagte er: Du bist durchs Examen gefallen,
nachdem du jahrelang gebummelt hast; ich gebe dir ein neues, letztes
Jahr zur Vorbereitung, und fällst du ein zweites Mal durch, dann ist es
aus zwischen dir und mir, dann erhältst du keinen Pfennig Geld mehr von
meiner Seite und magst meinetwegen Kellner werden, das ist mir dann
egal. Nun weißt du's. Deine Gläubiger werden jetzt befriedigt, sie
schicken ihre Rechnungen an mich, und ich warne sie dir ferner etwas zu
borgen, da ich für nichts in Zukunft aufkomme. Und somit adieu!
 
Fox begleitete ihn wortlos zum Vorplatz hinaus, und wie sich Herr
Sintrup draußen vor der Tür noch einmal umdrehte, da es seinem im Grunde
weichen Vaterherzen widerstrebte, seinen Sohn so ohne jedes wärmere Wort
zu verlassen, und er ihn halb strafend noch, halb ermuntern wollend
ansah, kam das Fräulein gerade die Treppe herauf. Herr Sintrup sah sie
nicht, sie aber ahnte sogleich, daß dies Fox' Vater sei, und ohne eine
Stufe weiter emporzusteigen drehte sie sofort wieder um und nahm sich
vor, zu gelegenerer Zeit wiederzukommen. --
 
Fox blieb in dumpfem Brüten zurück. Wieder kam er sich schlecht
behandelt vom Schicksal vor. Daß seine Schulden bezahlt wurden, war
selbstverständlich; daß sein Vater ganz brutal gesagt hatte, nun würde
nichts wieder bezahlt, das war herzlos, niederträchtig. Daß er jetzt
aber seine Lieferanten vor ihm geradezu warnen wollte, -- dafür fand er
überhaupt gar keine Bezeichnung, das war unqualifizierbar! Wenn sie auch
Vater und Sohn waren, so standen sie sich doch auch gesellschaftlich
gegenüber; Herr Sintrup konnte Gott danken, daß er Fox' Vater war! Unter
andern Umständen hätte er ihn gefordert, -- einfach gefordert!! --
 
Also nun hieß es arbeiten und sparen!
 
Vor allem kaufte er sich noch einmal die herrlichsten Dinge zusammen, zu
einer Art von Henkersmahlzeit; die vertilgte er, und wie er satt war,
glaubte er, es werde ihm nun leicht werden, in Zukunft auf all das
Schöne zu verzichten. Bei einer ausgezeichneten Zigarre schien es ihm
leicht, sich die ausgezeichneten Zigarren abzugewöhnen. Auch den teuren
Wein mußte er in Zukunft entbehren. Das schien noch leichter, denn es
befand sich noch ein kleiner Vorrat in dem Keller. Den trank er nun in
kurzer Zeit aus, um mit ihm aufzuräumen, um reine Bahn zu machen für die
Zukunft. Und dann war der Moment da, wo diese Zukunft wirklich beginnen
sollte: Mit dem Gefühl des Märtyrers kaufte er sich eine ganze Kiste der
billigsten Zigarren, entzündete sich eine und sah die glühende Spitze
voll unverhohlener Bitterkeit an: Das schmeckt ja abscheulich, --
einfach abscheulich! sagte er laut, mit kurzen, hochfliegenden
Endsilben, wie wenn ihn gerade jemand beleidigt hätte. Er ließ die Kiste
stehen. -- Eine einzige, gute Zigarre, eine wirkliche Importe, wird mich
auch nicht ärmer machen! Und diese Kiste hier bleibt auf dem
Schreibtisch, für den Hausgebrauch. -- Der ersten Importe folgte bald
eine zweite, eine dritte, nur mit dem Unterschied gegen früher, daß er
nicht mehr ganze Kisten kaufte, sondern Stück für Stück. Und wie der
Wein zu Ende war, kaufte er ihn flaschenweise. Die einzige, die wirklich
etwas von Ersparnissen empfand, war das Fräulein. Sie bekam keinen Wein
mehr, sondern nur noch Tee; und die Zuschüsse für die Toiletten hörten
gänzlich auf. Theaterbilletts sah sie auch nicht mehr. Fox setzte ihr
auseinander, sein Vater habe geschäftliches Unglück gehabt; er hoffe
aber, die Zeit der Einschränkung werde vorübergehend sein. Auf diese
Wandlung war sie nicht vorbereitet. Fox hatte sie zwar gelegentlich um
kleine Geldbeträge angegangen, die sie ihm auch bereitwillig gab, aber
das war doch nur geschehen, wenn es sich um Kleinigkeiten handelte und
er gerade nur lauter Hundertmarkscheine bei sich hatte. -- Jetzt merkte
sie nun, wie die Sache stand, und eines Abends sagte sie ihm in aller
Ruhe, sie möchte nun nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er machte ihr
Vorwürfe, sagte, die wahre Liebe überwände alles, aber sie sagte, nein,
das könne sie nicht überwinden, und zeigte sich gegen seine
Auseinandersetzungen sehr störrisch und verärgert. Und als er sagte: Na
also, auf Wiedersehen, nächsten Freitag! schwieg sie brummig. -- Am
nächsten Freitag blieb sie auch aus. Bon! dachte Fox, wenn sie nicht
mehr will, ist es ihre Sache. Die nächste wird von allem Anfang an etwas
knapper gehalten. -- Es kam nun ein anderes Fräulein, nicht ganz so
hübsch wie das erste, aber viel lebendiger; ja eigentlich viel zu
lebendig. Zu Anfang schwieg er und dachte: Es wird sich wohl legen; aber
es legte sich nicht. Fox liebte die Lebendigkeit nicht sehr. Das erste
Fräulein hatte doch auch viel mehr Gemüt gehabt! Er schrieb diesem
ersten einen sentimentalen Brief, während er sich unter der Hand nach
einem dritten Fräulein umsah und es dem Zufall überlassen wollte,
welches von den dreien nun in Zukunft bei ihm fußen würde. In der
nächsten Woche war die erste Freundin wirklich wieder da, und als sie
ihr Geld erhielt für die »Toiletten«, sagte sie, das Vergangene sollte
begraben und vergessen sein. Das andere Fräulein verließ den Schauplatz
so plötzlich, wie es ihn betreten hatte, unter Mitnahme mehrerer
wertvoller Gegenstände, aber ohne Zeichen einer Kränkung. Das erste,
eigentliche Fräulein fand von ihrer Nebenbuhlerin noch ein paar
Haarnadeln, sagte sich sofort, daß es natürlich sei, daß Fox inzwischen
einen Ersatz gesucht habe, und steckte sie in ihr eigenes Haar. --
 
Fox lebte nun fast wieder wie zuvor. Er mied die früheren Gläubiger und
fand neue, von Arbeit war nicht viel die Rede, beinah nur in Briefen,
die er nach Hause schrieb. Wieder begann sich das Unwetter über seinem
Kopfe zusammenzuziehen; aber auch diesmal wurde er gerettet; durch ein
an sich trauriges Ereignis: Frau Sintrup starb plötzlich, und hinterließ
die Verfügung, daß ihren Söhnen ein Teil des mütterlichen Vermögens, das
sie einmal zu erwarten hatten, schon jetzt ausgezahlt würde. Herr
Sintrup erzählte, seine Frau sei plötzlich am Schlaganfall gestorben.
Die näheren Einzelheiten waren traurig: Eines Nachmittags, nach einem
schweren Herrendiner, saß Frau Sintrup schlafend im Sofa. Nach kurzer
Zeit erwachte sie, fühlte sich sehr flau und erinnerte sich, daß noch
sehr viel Hummermayonnaise da sei. Die aß sie, ihr Appetit wurde
angeregt, und sie erinnerte sich weiter, daß noch eine kleine halbe
Marzipantorte da sei. Die aß sie auch, und jetzt wurde ihr fast nüchtern
zumute. Es fiel ihr nun ein, daß heute gerade frisches Schwarzbrot
gebacken wurde. Sie ließ sich einen kleinen Laib kommen, bestrich ihn
dick mit Butter, und verzehrte ihn ebenfalls, obgleich sie eigentlich
fühlte, daß sie nicht mehr konnte. Dann kam der erste Schlaganfall, dem
sehr bald ein zweiter folgte. Sie ahnte, daß es mit ihr zu Ende ging,
und traf jene letztwillige Verfügung, über die Herr Sintrup unglücklich
war, denn er sah nur Unheil für seine Söhne vor Augen.
 
Fox war aufrichtig betrübt, und als er später jenes Testament erfuhr,
erschüttert über soviel Güte. Große Tränen traten ihm ins Auge. Zwar
fuhr es ihm für einen Moment durch den Kopf, daß vielleicht gar nicht
soviel Güte dabei war -- er hätte das Geld ja später sowieso geerbt --
aber er verbannte diesen Gedanken sofort und dachte: Nein nein, dies ist
wirklich groß! Es war ihre letzte große Handlung, mit der sie aus dem
Leben schied! Und er feierte das Andenken seiner Mutter für sich allein,
ganz allein, in einer Weinrestauration. Er ließ sich ein kleines
Separatzimmer geben, bestellte eine Flasche Sekt und zwei Gläser, schloß
dann die Tür ab, füllte beide Gläser, sah sie lange gedankenvoll an und
sprach endlich: Auf dein Andenken, Mutter! Dann trank er sein Glas aus,
wußte nicht, was nun mit dem anderen werden sollte, und trank es
ebenfalls aus. Dann seufzte er tief und dachte: das ist nun alles, alles
dahin! Welch eine Fülle von Liebe habe ich genossen! Wenn mich jetzt
jemand hier sitzen sähe, ganz allein, den Sohn, der das Andenken seiner
Mutter feiert, die ihn verlassen hat! Die Tränen traten ihm darüber in die Augen.

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