2015년 11월 24일 화요일

Pitt und Fox 35

Pitt und Fox 35


Sie wartete.
 
Da kam des Wegs daher, langsam, und ein wenig behindert, wie es schien,
ein ziemlich alter Mann. Er ging nicht gerade an einem Krückstock, aber
sie mußte doch an einen Krückstock denken. Der Herr blieb stehen,
stemmte, leicht vorgebeugt, den Stock mit ausgestrecktem Arm zu Boden,
und sah sie an, mit blauen, etwas trüben Augen, und, wie es schien,
gedrückt von jahrelangem Kummer. --
 
Du großer Gott! dachte Fräulein Nippe, sollte er _das_ etwa sein? -- Sie
nahm sich vor zu tun, als sitze sie hier nur ganz zufällig, falls er
sich etwa näherte. Aber mitten in ihrem Gefühl der Enttäuschung war ihr
so, als könne noch ein dritter kommen, der noch viel schrecklicher wäre,
und als müsse sie sich vorerst an diesen zweiten halten, der vielleicht
überhaupt gar nicht der richtige war; dann konnte es ja garnichts
schaden! -- Sie lächelte schwach und sah zu Boden. --
 
Hm! sagte der alte Mann langgedehnt und ziemlich laut, halb unschlüssig,
halb nachdenklich. -- Was sollte sie nur tun?! -- Hm! antwortete sie
endlich, ohne aufzusehen. Dann fühlte sie, wie der Herr sich auf das
andere Ende der Bank setzte. -- Sie rückte unwillkürlich, so weit es
ging, bis zu ihrem eigenen Bankende und wagte nicht zur Seite zu
blicken. Endlich tat sie es aber doch, da sie fühlte, daß sein Blick
noch immer auf ihr ruhte.
 
Der Herr schien zu einem Entschluß zu kommen. Er trommelte nervös mit
den Fingern leise auf der Bank, dann sagte er mit verhaltener Stimme:
Gestatten Sie mir eine Frage: Sind Sie's, oder sind Sie's nicht? -- Sie
wollte erst antworten: Mein Herr, Ihre Frage ist mir unverständlich!
aber sie brachte kein Wort über die Lippen. -- Es ist dies ein
eigentümliches Zusammentreffen! sagte sie endlich. -- Der Herr seufzte
tief, sah lange zu Boden, und öffnete schließlich den Mund wieder: Hat
es einen Zweck, daß wir zusammen reden? -- Sie suchte nach einer
Antwort. Dasselbe könnte ich Sie ja auch fragen! sagte sie nach einer
Weile.
 
Beide sahen sich unschlüssig an, und endlich begann er wieder: Na, dann
will ich also den Anfang machen. Ich kann Ihnen kaum mehr sagen, als Sie
in meiner Annonce schon gelesen haben. Meinen Namen und den Stand meines
Vermögens wissen Sie; Sie wissen, daß ich Angestellter bei einer
größeren Firma bin, daß mich das Leben nach allen Richtungen enttäuscht
hat und daß ich mich nach einem ruhigen Heim und nach einer
gleichgesinnten Seele sehne. Sollten Sie sich nun einen _Scherz_ mit mir
erlaubt haben, so kränkt mich das weiter nicht, ich habe das schon
mehrere Male erfahren und bin die harten Püffe gewöhnt im Leben. Einer
mehr oder weniger schadet nicht. Und Ihre Neugierde dürfte auch wohl
nicht sehr befriedigt sein, denn ich bin ein schlichter, einfacher Mann!
-- Er blickte beim Sprechen durchdringend auf sie, indem er fortwährend
an einem Mantelknopfe drehte. -- Also bitte, sagte er nach einer Pause,
nun ist es an Ihnen! Dann lehnte er sich zur Bank zurück, sah zu den
Bäumen auf, und sie merkte, daß er schnell atmete. --
 
Ja ich weiß nicht -- -- begann sie zögernd. Der Herr wartete, aber es
kam nichts weiter.
 
Ich will niemand zur Last fallen! sagte er mit resignierter Stimme und
wollte sich erheben. -- Nein, bleiben Sie! ich muß mir die Sache doch
erst überlegen! -- Er sank wieder zurück, und Fräulein Nippe fing nun
an. Sie sagte, auch ihr habe das Leben schlimm mitgespielt, auch sie
sehne sich nach einem stillen Hafen, auf dessen glatten Spiegel die
Sonne scheine. Jeder Mensch trage sein Ideal von Glück in sich: Dem
einen sei es Reichtum, Perlen und Brillanten, des andern Brust schwelle
der Ehrgeiz und öffne ihm uferlose Bahnen, wieder ein anderer jage
schillernden Hirngespinsten nach und gerate darüber nur allzuleicht in
den Sumpf, während das Flämmchen kaltherzig, ohne lebendiges Feuer
weiterhüpfe; noch ein anderer -- aber da unterbrach sie der Herr und
sagte: Das geht uns hier nichts an. Bitte, reden Sie von sich! Antworten
Sie auf die Frage: Weisen Sie den Gedanken an eine Ehe mit mir ohne
weiteres zurück? -- O nein, sagte sie unschlüssig, durchaus nicht, --
das heißt -- -- -- -- _Was_ heißt?? fragte er gewichtig. Sie wußte
selbst nicht, was sie eigentlich weiter sagen solle, aber nun vollendete
sie: das heißt, ich kann mich doch nicht eins, zwei, drei entscheiden!
-- Aber habe ich denn das gesagt? Habe ich denn das verlangt?? Sind Sie
auch eine von den Menschen, die immer etwas anders hören als man sagt???
Lassen Sie uns jetzt nüchtern, ich möchte sagen: geschäftlich reden. Das
übrige kommt später. Also: Sie weisen den Gedanken nicht von vornherein
zurück. Gut. Von mir wissen Sie so ungefähr, was für den Anfang nötig
ist. Ich muß aber auch eine Art von Grundlage haben was Sie selbst
betrifft. Ich muß Klarheit haben über Ihre Persönlichkeit. Womit haben
Sie sich bis jetzt beschäftigt? -- Fräulein Nippe erzählte dieses, er
nickte mehrere Male aufmerksam vor sich hin; er schien sich alles im
Geiste zu notieren und mit eigenen Dingen in Zusammenhang zu bringen. --
Dann sah er sie wieder an, sein Blick bekam etwas Unsicheres,
Verlegenes, er wollte gern eine neue Frage anbringen, und suchte nach
der Form. -- Sie bemerkte das und errötete, indem sie dachte, er wolle
fragen, ob sie noch rein sei. -- Jetzt seien Sie nicht böse! sagte er
mit einem Anlauf: wie steht es denn -- nun also -- _hier_ mit? Er schlug
sich auf seine Brust. -- Dort saß das Herz. -- Ich habe noch nie
wahrhaft geliebt! antwortete Fräulein Nippe. Es fiel ihr Herr Könnecke
ein, aber sie dachte: dem geschieht's ganz recht! -- Er schien den
Zusammenhang mit seiner Frage nicht gleich zu begreifen, dann sagte er:
Ach so, ich verstehe jetzt; nein, sehen Sie, _das_ meinte ich! und er
ließ sein Portemonnaie ein wenig sehen. -- Aber ich denke, rief Fräulein
Nippe lebhaft, das Geld haben _Sie_? und sie wollte sogleich wieder
ihren Zettelausschnitt aus der Tasche holen. Er verhinderte sie aber und
versicherte, er wisse ganz genau, was er annonciert habe; er habe da
seinen Vermögensstand genannt, aber hinzugesetzt, daß Vermögen auf der
andern Seite zwar nicht unbedingt erforderlich, aber doch erwünscht sei.
Und über diesen Punkt habe sie in ihrer Antwort Stillschweigen bewahrt.
-- Er redete in ruhigem, sachlichem Ton, und -- als befinde er sich
einem Geschäftsmann gegenüber, gegen den er die Interessen seiner Firma
zu vertreten hätte, fragte er halb zutraulich überredend, halb so als
wisse er schon alles: Viel scheint da bei Ihnen wohl nicht los zu sein?
-- Fräulein Nippe schwieg. -- Nur Mut! Wenn gar nichts da ist, haben wir
beide schlimmsten Falls einen unnötigen Spaziergang gemacht, denn _ganz_
allein kann ich es nicht bestreiten, beim besten Willen nicht, auch für
Sie nicht, so gern ich's möchte. Also, wieviel sind's denn? -- Fräulein
Nippe schwieg noch immer. Diese Art des Kennenlernens war so nüchtern,
so poesielos! Und überhaupt: Was saß sie eigentlich hier?! Sie dachte ja
gar nicht daran, diesen Mann zu heiraten, der nichts von alledem besaß,
was ihr an Idealen vorschwebte. -- Da trommelte er wieder mit seinen
Fingern. -- Das kann Ihnen doch ganz egal sein! sagte sie halb gereizt.
-- Wie? fragte er, hörte mit Trommeln auf und sah sie von der Seite mit
halb offenem Munde an. Schwerhörig schien er auch noch zu sein. -- Sie
wollte ihre Worte wiederholen, aber da kam abermals jenes sonderbare,
halb klare Gefühl wie in dem Moment, wo sie ihn kennen lernte, und sie
sagte, halb ärgerlich: Ach Gott, das genügt Ihnen ja doch nicht, wenn
Sie so fürchterliche hohe Ansprüche machen. -- Bewegt sich die Summe in
den Hunderten? -- O nein, das nun doch nicht, antwortete sie rasch, und
nannte eine Zahl, die nach all dem Vorausgeschickten in ganz
ansehnlicher Bescheidenheit dastand. -- Sichere Papiere? --
Bombensicher! Erste Hypotheken und Staatspapiere! -- Er schien zu
rechnen, seine Lippen bewegten sich halblaut. -- Immerhin, es geht, es
wird gehen, murmelte er schließlich; ich bin kein Mann, der große
Ansprüche macht. -- Ich auch nicht, sagte Fräulein Nippe. -- Nun also,
-- ich möchte Sie noch allerlei fragen, zum Beispiel nach Ihrem
Seelenleben -- aber das geht nicht alles auf einmal. Wir können uns die
Sache ja erst einmal beiderseitig überlegen. Wenn es nichts ist -- ist
es nichts. Sind wir bis jetzt ohne einander ausgekommen, werden wir auch
in Zukunft ohne einander auskommen können, -- das heißt, wenn das
Geschick es will! Denn ich glaube an ein Geschick! Ich glaube an das
Wort: Ohne des Herrn Wille fällt kein Sperling vom Dach; und wie wir uns
auch entschließen werden: das Geschick erfüllt sich auf jeden Fall! Er
sah sie voll und überzeugt an, und fragte: Habe ich nicht recht? Was?
Ist das nicht die wahre Philosophie? -- Jawohl! antwortete sie,
innerlich gereizt, aber mit großem, bedeutungsvollem Blick, als folge
sie ihm verstehend in schwindelnde Geistestiefen. -- Wenn Sie Lust
haben, so besuchen Sie mich in diesen Tagen einmal zum Kaffee, dann
sehen Sie mein Heim, -- ich werde Ihnen später diesen Besuch erwidern,
und wenn wir uns erst einmal näher -- ich meine: seelisch -- kennen
gelernt haben, dann wollen wir wieder über die Sache reden! Denn so
jugendlich feurig eine Ehe schließen, ohne Prüfung, ohne Überlegung, das
tue ich nicht! Das sind Geckenstreiche! Und vor solchen Geckenstreichen
bewahren mich meine grauen Haare! Dazu bin ich zu alt! -- Allerdings!!
rief da Fräulein Nippe, bei der plötzlich aller Groll gegen das
Schicksal durchbrach, Sie haben recht, -- da haben Sie -- weiß Gott! --
recht! Und aus ihrer Kehle flog ein so bitterer Lachton, daß er sie
erstaunt ansah. Sein Gesicht rötete sich, empfindlich verletzt suchte er
nach Worten: Wenigstens, so sagte er endlich, mache ich mich nicht
jünger als ich bin! -- Habe _ich_ das getan? fragte sie scharf. -- Statt
einer Antwort deutete er erregt mit seinem Stock auf ihre Haare. Sie
griff nach ihrer Frisur: Glauben Sie etwa, daß das nicht echt ist?!
Bitte ziehen Sie, bitte zerren Sie so fest Sie wollen! Sie neigte die
Stirn zu ihm. -- Entschuldigen Sie, entschuldigen Sie! stotterte er,
aber ich konnte unmöglich denken -- -- Also da sind Sie geschlagen! Nun
bitte, was wissen Sie noch? Fragen Sie, fragen Sie, ich stehe für alles
meinen Mann! -- Fräulein Nippe blickte ihn mit geschlossenem Munde an,
denn sie hatte teils falsche Zähne. -- Er aber war ganz eingeschüchtert
durch ihre Heftigkeit. War nun alles aus zwischen ihnen? Immer und immer
wieder ließ er sich hinreißen zu einer zu großen Offenherzigkeit, zu
rücksichtslosem Bekennen des von ihm als wahr Erkannten. Das hatte ihm
schon vielen Kummer, viele Enttäuschungen im Leben bereitet, und nun
hatte er sich gar noch geirrt! -- Er wollte ablenken, beschwichtigen,
aber Fräulein Nippe lachte höhnisch und sagte: Alles echt, Sie finden an
mir nichts auszusetzen! Aber Sie? Sehen Sie sich doch mal in den
Spiegel! Sie schreiben da in Ihrer Annonce: Herr von mittleren Jahren!
Ich dachte mir: Ein bißchen graumeliert, -- Gott, schadet nichts, um so
vertrauenswürdiger! Aber als Sie vorhin den Hut abnahmen, bemerkte ich,
daß da von Farbe überhaupt wenig die Rede sein kann! -- Sie war selbst
ganz erstaunt über diese geistreiche Wendung, die sie auch ganz gewiß
nirgendwo einmal gelesen hatte. -- Er wiederholte ihre letzten Worte
langsam und fragend, da er den Sinn nicht gleich begriff. Dann sagte er:
Ich sehe, wir passen nicht zueinander. Eines muß ich Ihnen nun aber doch
schlank heraussagen: Überaus jugendlich sehen Sie auch nicht gerade aus!
-- Ich habe mich aber doch nicht jünger gemacht als ich bin! rief sie
gereizt. -- Bitte! Bitte! Bitte! Sein Stock deutete wieder auf ihr
Haupt. -- Aber ich habe Ihnen doch schon einmal gesagt -- fuhr sie auf
-- Ta ta ta ta ta ta! rief er dazwischen, ich rede ja gar nicht von
Ihrem Haar, ich rede ja von Ihrem _Hut_! So 'nen Hut setzt eine
Prinzessin auf, aber keine Dame in Ihrem Alter! Und wenn Sie meine Frau
würden: Das Dings da käme herunter, und 'ne Kapotte drauf, wie sich's
gehört! -- Fräulein Nippe wollte emporschnellen, blieb aber sitzen.
Beide redeten nichts, jeder starrte erregt ins Leere. -- Es verfloß eine
lange Pause. Dann regte sich in beiden der Wunsch, wieder einzulenken,
einen neuen geistigen Gedankenaustausch einzuleiten. Jeder suchte nach
Worten, aber was um Gottes willen sollten sie nur reden! -- Ja, sagte er
endlich, sich erhebend, ich möchte nicht, daß unser Zusammensein mit
einem Mißklang abschließt! -- Aber wir sehen uns doch wieder?! fragte
sie schnell und unwillkürlich. -- Das hängt nur von Ihnen ab! Meinen
Namen und meine Adresse wissen Sie; falls Sie -- ich sage das für alle
Fälle -- über meine Verhältnisse, meine Lebensführung etc. etc. noch
eine besondere Garantie zu haben wünschen, verweise ich Sie direkt an
meinen Chef -- er nannte eine Firma, die Fräulein Nippe schon einmal
gehört hatte -- da werden Sie jederzeit prompteste Auskunft erhalten. --
Sie machte eine diskrete Bewegung mit dem Kopfe. Dann entgegnete sie:
Wie ich mich auch entschließen werde: Ich schreibe Ihnen auf alle Fälle
eine Postkarte! Es fiel ihr noch ein, daß es wohl schicklich und
angemessen sei, wenn _sie_ dieser Unterredung ein Ende mache, sie
streckte ihm deshalb die Hand entgegen und sagte: Also -- vielleicht --
auf baldiges Wiedersehen! Oder wie sagt Gretchen? -- Hä?! fragte er.
Dann antwortete er: Jawohl, vielleicht auf Wiedersehen, Fräulein Nippe.
-- Adieu, Herr Feihse! -- Wieder lüftete er seinen Hut, und es wollte
sie bedünken, als ob sie diesmal doch etwas mehr Haare sähe als das
erstemal. Und wieder dachte sie, indem sie ihm nachsah: Es ist ja nur
ein Stock, aber es sieht trotzdem aus wie ein Krückstock! Dann seufzte
sie tief und hing ihren Gedanken nach. -- Sie hatte auf jemand gewartet,
dem ihr Herz entgegen fliegen sollte, und was war gekommen? Ein alter
Kerl! -- Sie lachte laut und höhnisch, sah sich aber im selben
Augenblick erschrocken um, ob sie jemand gehört haben könne, dann lachte
sie noch einmal, wieder höhnisch, aber etwas leiser. Dieser Schafskopf!
Ob der sich wirklich einbildete, sie wolle ihn heiraten? Hatte er nicht
bemerkt, daß sie nur zum Spaß auf alles einging? -- Das habe ich doch
alles nur aus Spaß gesagt! so redete sie laut zu sich selbst, und
lauschte respektvoll und unsicher ihren eigenen Worten. Ob der wohl
jetzt jeden Morgen zum Briefkasten ging, mit Herzklopfen und zitternden
Händen? -- Ich werde ihm schon schreiben! Ich werde ihn schon bestrafen,
wegen der Haare und wegen meiner Zähne, -- -- oder vielmehr Hut. Ich
werde ihn erst noch sicherer machen, und dann die Maske lüften! Jawohl:
die Maske lüften! Erkundigen will ich mich auch nach ihm, und wenn er
mich angeschwindelt hat -- -- -- Fräulein Nippe baute in Gedanken einen
Satz zusammen: Der Unwahrheit Ihrer Aussagen auf den Grund gekommen, werden Sie es begreiflich finden 

댓글 없음: