2015년 11월 24일 화요일

Pitt und Fox 37

Pitt und Fox 37


Herr Feihse blieb in der größten Erregung zurück. Er wußte nicht, wie er
sich dies Benehmen deuten solle. Sie war doch äußerst interessant! --
 
Fräulein Nippe ging mit tragischer Miene zu Hause herum, und dachte:
Wenn ihr wüßtet, welches Schicksal in mir kreißt!
 
Schon früher hatte ihr vieles Fortbleiben von zu Hause Verdacht erregt.
Herr Könnecke, der ihr auf vergangene leidenschaftliche und heftige
Ausbrüche erwidert hatte: ich habe dich ja immer noch gern, aber Lotte
steht mir nun doch mal näher als du, daran ist nichts zu ändern -- Herr
Könnecke dachte in seinem guten schlechten Gewissen: Sie fühlt sich
nicht wohl bei uns, sie will sich nicht aufdrängen, sie zieht sich ganz
bewußt von uns zurück. Aber Frau Bornemann, die jetzt das neubezogene
Heim ihrer Enkelin und ihres »Herrn Schwiegersohnes« teilte, meinte
bedächtig: dahinter steckt was ganz Besonderes: Es sollte mich gar nicht
wundern, wenn die auf Freiersfüßen ginge!
 
Schon früher hatte sie ihr geraten, doch einmal die Heiratsofferten in
den Blättern durchzusehen, solche Ehen würden oft die glücklichsten, war
dann aber sehr entrüstet, als Fräulein Nippe bissig fragte: Sie haben
Ihren Mann wohl auch durch die Zeitung gekriegt? -- Frau Bornemann und
Fräulein Nippe waren sich durchaus nicht wohlgesinnt, ohne daß man recht
wußte, wo der Grund lag. Gelegentlich sagte eine von der andern: Sie
könnte sie nicht sehen.
 
Sollte sich Fräulein Nippe ihrem Vetter anvertrauen? Nein, sie mußte
sich bis ans Ende allein durchringen! Und welches war dieses Ende?!
Bisher hatte sie mit dem Gedanken an die Ehe mit Herrn Feihse nur
gespielt, so wie ein Kind mit einer Kugel spielt, ja, ganz genau so war
es! Sie malte sich dieses Bild weiter aus: Diese Kugel, anfangs leicht
und durchsichtig, war unter ihren Händen gewachsen, hatte an Gewicht
zugenommen, und während sie sie noch ahnungslos in die Luft warf, um sie
wieder aufzufangen, lief sie Gefahr, unter ihrem zentnerschweren Gewicht
zu Brei zermalmt zu werden! Oder diese Kugel war ein Feuerzeug, mit dem
sie spielte, und unversehens stand sie selbst in Flammen! Oder war es
vielleicht doch nur ein mildes, wärmendes, beglückendes Feuer, das diese
Kugel -- oder dieses Feuerzeug -- auf sie niederregnen ließ?! War es ein
befruchtender Tau oder war es ein reißender Gebirgsstrom, den es ausgoß,
ein Strom, der sie erfassen würde, mit sich fortnahm in gefahrvolle,
unbekannte Gegenden, der sie an Felsgestein mit dem Kopf anrennen lassen
würde, bis sie endlich als unkenntliche Leiche irgendwo ans Land
geschwemmt wurde? --
 
Fräulein Nippe hatte in den letzten Wochen mehrere Male auf eigene Faust
in den Zeitungen inseriert, da sie ja Herrn Feihse eigentlich doch nicht
heiraten wollte, aber irgendwo hatte es stets gehapert: Da war kein
Millionär, kein Graf mit rabenschwarzem Haar, kein Künstler, der sie
hätte anregen können, kein frisches junges Blut, dem sie auch _so_ ans
Herz gestürzt wäre; nichts, nichts von alledem fand sich in dem Netze
vor, das sie -- wie sie sich vor sich selbst ausdrückte -- mit jenen
Annoncen in die Welt geschleudert hatte. Ach Gott, das Leben war
kaltherzig und grausam, heimtückisch und ungerecht! -- Und Herr Feihse
wartete! Die letzten Nächte hatte sie in ihrem Bett geweint, indem sie
an ihr freudloses Leben dachte, daß es keinen Menschen gab, der ganz von
selber an ihr Herz flog, dem sie alles hätte sein können: Freundin,
Geliebte, Mutter. -- Herr Feihse hatte durchblicken lassen, daß, wenn
sie ihn nun nach ihrem wirklich intimen Seelenverkehr doch noch
ausschlüge, dieses der schwerste Schlag sei, den das Leben ihm versetzen
könne! Er wolle lieber auch noch das andere Bein brechen als das
erleben! Der arme Mann! das klang fast wie ein Selbstmordgedanke! Wie
war er aufgeblüht unter ihrer liebevollen Pflege! Mehrere Male war er
krank gewesen, zu Anfang, als sie ihn kennen lernte. Konnte sie nicht
sein rettender Engel werden? Und wenn er immer kränker wurde, konnte sie
sich nicht aufopfern, konnte sie ihn nicht pflegen, bis er tot war? --
Sie sah ihn sterbend in seinem Bette liegen, sie selbst stand ihm zu
Häupten und seine schon halb erlöste Seele hielt sie in ihrem
lichtweißen Kleide für einen wirklichen, echten Engel des Himmels! Und
dann würde er voll Liebe aus dem Jenseits auf sie herabsehen! Sie wollte
ja nicht, daß er stürbe, aber wenn er es doch tat, so stand im
Hintergrunde ein ganz hübsches kleines Vermögen! Das war nicht schlecht
von ihr gedacht, das war ganz selbstverständlich und natürlich. Und doch
weinte sie wieder, wenn sie an dies alles dachte, und wußte nicht was
sie tun sollte.
 
Eine Annonce stand noch aus; sie hatte sie an jenem Abend, als sie Herrn
Feihse zum letzten Male sah, noch rasch verfaßt und am nächsten Morgen
auf die Redaktion getragen. Von dem Erfolge dieses Schrittes wollte sie
ihr Schicksal abhängig machen. Und diese letzten Tage und Stunden waren
schwer für sie. Zwei Bilder schaukelten in ihrer Seele, das Bild Herrn
Feihses und das des idealen Mannes, den sie fast ganz deutlich vor sich
sah: Wenn es ihn wirklich gab, so mußte er jetzt endlich erscheinen. --
Aber er erschien nicht. Mit leeren Händen eilte sie von der Redaktion
wieder ins Geschäft oder in die Wohnung. -- So war der dritte Tag beinah
verstrichen. Ein letztes Mal war sie auf der Redaktion. Sie war bereits
geschlossen, sie rüttelte vergeblich an der Tür. Dann aber dachte sie:
Wenn diese Tür sich mir verschließt, so weiß ich nun eine andere, die
eine unsichtbare Hand mir weist, keine mit Farbe gemalte, wie diese
herzlose Hand hier, die nur auf Bureautüren deutet, sondern die Hand des
Schicksals selbst! -- Vorher aber wollte sie noch einmal ins Leben
untertauchen, ins wildeste Leben. Wie hatte sie gesagt: Wenn die
Mitternacht des dritten Tages anbricht ... Mit dem Schlage der
Mitternacht würde sie Herrn Feihses Nachtglocke anläuten, und vorher
wollte sie mit ihrem Vetter und mit Lotte in den Zirkus; die beiden
hatten schon mittags davon gesprochen, ohne daran zu denken, sie selber
aufzufordern. Da wollte sie Abschied nehmen von dem jubelnden reichen
Leben! --
 
Ich gehe heute abend mit euch! sagte sie, als mache sie den beiden ein
großes Geschenk damit. -- Aber Herr Könnecke schien nicht erfreut
darüber. -- Du darfst es uns doch nicht übelnehmen, sagte er, als sie
allein waren, daß ich endlich einmal auch ein Vergnügen mit Lotte allein
haben möchte. Überall bist du dabei, es ist ja fast gar nicht so als ob
wir verheiratet wären! -- Ich springe aus dem Fenster! schrie Fräulein
Nippe plötzlich, in der mit einem Male alle Bitterkeit, alle Wut gegen
das herzlose Schicksal überkochte -- und sie rannte durchs Zimmer und
schwang sich wirklich auf die Fensterbank. -- Komm da mal gleich wieder
runter! sagte Herr Könnecke erschrocken. -- Diesmal, rief sie, ist es
mißlungen, aber das nächstemal wirst du mich nicht hindern. Rühre mich
nicht an! fuhr sie heftig fort, wir haben keine körperliche
Gemeinschaft! -- Sie war wieder unten, und überhäufte ihn mit Vorwürfen.
Sie habe Lotte von der Gasse aufgelesen, und durch Lottes Schuld seien
ihm nun die Nägel zu Geierskrallen gewachsen, die er einschlage in sie
armes wehrloses Opfer. -- Das verbitte ich mir! sagte er in bestimmtem
Ton, du bist absolut nicht objektiv! -- Schon wieder dieses herzloseste
aller Worte, das die Gefühle auf eine Wage legt und gegeneinander
abwägt! Bei lebendigem Leib wird man seziert, aufgeschnitten, daß Herz
und Lunge und Eingeweide klopfen! -- Also du kannst ja mitgehen, wenn du
durchaus willst, sei doch nur endlich ruhig! -- Nein, nun will ich
nicht! rief sie heftig, das ist die rechte Art! Erst lechzt man nach
einem Trank, und kriegt ihn nicht, dann spuckt der andere hinein und
sagt: nun trink! -- ich danke bestens! -- Jetzt ging die Tür auf, die
alte Frau Bornemann zeigte sich auf der Schwelle, das Kindchen auf dem
Arm, sah kurzsichtig von einem zum andern und sagte mit enttäuschter
feiner Stimme: Es war mir vorhin so, als würde hier _gesungen_! Aber ich
muß mich wohl geirrt haben. Ich höre Lieder für mein Leben gern, aber
wie mein Mann-selig in die Grube fuhr, wurde auch's Klavier verkauft.
Gott, was waren das für schöne Zeiten! Aber wir wollen nicht klagen:
Lotte ist glücklich verheiratet mit'm Kind, ich bin bei ihr geblieben,
das Kind wächst und gedeiht zu seines Schöpfers Ehre, und ich zahl'r
meine Miete, wie sich's gebührt! Und ein Liedchen trällernd, wie es
schon zur Zeit ihrer Altvordern gesungen wurde, zog sie auf ihren
Filzpantoffeln mit dem Kinde wieder ab.
 
Es geht nicht, es geht nicht für die Dauer! dachte Herr Könnecke, und
ahnte nicht, wie nahe die Wendung in Fräulein Nippes Geschick war.
 
Fräulein Nippe verließ das Haus: Nun würde sie _sogleich_ zu Herrn
Feihse gehen! Herr Könnecke und Lotte aber gingen nun auch nicht in den
Zirkus, da ihnen die Stimmung verdorben war.
 
Sie läutete an Herrn Feihses Wohnung, sie hörte seinen rhythmischen,
erregten Gang, er öffnete, mit Tränen in den Augen stand sie vor ihm und
sah ihn an mit verheißungsvollem Blick. Er tastete in sein Zimmer
zurück, sie folgte ihm. -- Tapferer Mann! sagte sie, Sie haben sich Ihr
Glück erkämpft! Ich bin die Deine! Kannst du mir ein wenig gut sein? --
Herr Feihse keuchte so, daß er sich setzen mußte; er ergriff ihre Hände,
auch ihm rollten die Tränen über das Gesicht; dann wollte sie einen Satz
vom Lebensglück sagen, in dem das Wort »basiert« vorkommen sollte. Aber
sie brachte ihn nicht heraus; und überhaupt: Welcher Mensch denkt denn
in Augenblicken, wo man den Pulsschlag des Lebens fühlt, an
Fremdwörter?! Und dann sagte sie statt dessen mit vor Rührung halb
erstickter Stimme: Armer Mann! Du hast einmal in einem Moment der
Bitterkeit gesagt, wenn du stürbest, so würde kein Hahn danach krähen;
-- du sollst dich getäuscht haben! --
 
Herr Könnecke saß mit Lotte und Frau Bornemann beim Abendessen. Fräulein
Nippe kam nicht; sie erschien erst, als alle gerade zu Bett gehen
wollten. Herr Könnecke hielt es für angebracht, etwas darüber zu sagen,
daß sie zuviel die Hausordnung verletze; sie hätten sich alle um sie
geängstigt; sie möge doch ein wenig rücksichtsvoller sein!
 
Fräulein Nippe war gerade recht in der Stimmung sich Vorwürfe machen zu
lassen! -- Ihr kaltherziges Philisterpack! rief sie, was wißt ihr denn
überhaupt von dem, was in der Seele eures Nächsten vorgeht! _Ahnst_ du
denn, was mich die letzte Zeit bewegt hat? Hast du wohl soviel Interesse
gehabt, darüber auch nur nachzudenken? Ihr alle habt keinen Funken von
Interesse oder Intelligenz! Wollt ihr wissen, was es ist? Und dann legte
sie ihr ganzes Triumphgefühl, die ganze Wucht ihres Schlages in die
Worte: Verlobt habe ich mich! Ha, da können die Spießbürger die Mäuler
aufsperren! Aber plötzlich wurde sie weich und sagte: der Geist der
Liebe soll uns alle verbinden! umarmte einen nach dem andern und weinte wieder.

댓글 없음: