2015년 11월 24일 화요일

Pitt und Fox 39

Pitt und Fox 39



Vor dem Hotel stand der Portier, der die Gäste des Abendzuges erwartete,
denn vielleicht konnten welche eintreffen. Er unterhielt sich mit einem
der vier Rechtsanwälte. Fox grüßte schweigend und ging schnell hinauf,
bemerkte aber, wie die beiden ihm angelegentlich nachsahen. -- Sein
Zimmer lag nach vorn heraus. In diesem Nest, wo um elf Uhr alles
totenstill war, konnte man jedes Wort auf der Straße viele Meter weit
hören. Fox ließ das Zimmer dunkel und öffnete vorsichtig das Fenster ein
wenig. Was? hörte er den Herrn dort unten fragen, Komiker ist er? --
Jawohl, ich kann es Ihnen auf das bestimmteste versichern; heute früh
ist er angekommen, heute nachmittag hat er sich den Bart abnehmen
lassen, und dem Zimmermädchen hat er es ja selbst erzählt! -- Also doch!
Ich habe ihn doch gleich auf den ersten Blick erkannt! Herr Apotheker,
Herr Apotheker! Ich gratuliere Ihnen zum Klavierlehrer von Ihrem
Gretchen! Ein ganzer Rudel Bierheimkehrender kam die Straße daher. Pst!
sagte der Portier und lugte vorsichtig am Hause hinauf, da er aber kein
Licht sah und das Fenster geschlossen schien, beruhigte er sich. Aber
was soll dieses alles? fragte einer, nachdem auch Foxens Besuch bei den
Rechtsanwälten durchgesprochen war; ist der Mensch verrückt?! -- Was
dieses soll? fragte einer von den vieren: Mir ist die Sache vollkommen
plausibel: Mystifiziert hat er uns alle miteinander, er wollte sich
sofort am ersten Tage in unserm Städtchen populär machen, und ich muß
sagen, er hat seine Rolle meisterhaft durchgeführt! Ein Komiker darf
sich manches erlauben, was andere nicht dürfen, ich sage Ihnen: wie er
heute morgen mein Geldstück ansah, das ich ihm gab: Gebrüllt hab ich vor
Lachen! Und heute abend als nervenkranker Künstler -- ein bißchen zu
dick ist er ja, aber dafür kann er nicht! Und er hat doch wirklich famos
gespielt! Klavier meine ich. Ein Prachtexemplar! Wenn der zum ersten
Male auftritt, nehme ich mir den besten Platz, das ist mal sicher; das
ist ein Original! --
 
So redete man da unten, bis der Hotelwagen leer zurückkam und die
Untenstehenden veranlaßte, zurückzutreten, was dann wieder den Anstoß zu
Trennung und Weitergehen gab. Fern verlor sich das Gelächter.
 
Schweigend entzündete Fox sein Licht, schweigend, unbeweglich blickte er
in den Spiegel, und schweigend erwiderte das Spiegelbild den Blick.
Schweigend entkleidete er sich und stieg ins Bett, zog die Decke hoch
und starrte auf den weißen Horizont des Leinens vor seiner Nase.
 
Was ist nun zu tun? dachte er, und suchte an dem Bart zu drehen, der
nicht mehr da war. Sein ganzes Wesen drängte nach etwas hin, sich vor
sich selbst in Respekt zu setzen. Er spuckte kräftig über das ganze Bett
hinweg bis an die gegenüberliegende Wand. Damit war die erste Frage aber
nicht erledigt. Abfahren! dachte er endlich; abfahren mit dem frühesten
Zuge. Aber wohin?
 
Plötzlich erfaßte ihn eine große Wut gegen seinen Vater, mit einem Satz
sprang er aus dem Bette und marschierte im Zimmer auf und ab. -- Alles
habe ich mir gefallen lassen, alles, aber dieses geht zu weit!! Ich
werde prozessieren! Mein Vater ist verpflichtet, mich standesgemäß zu
erhalten! -- Aber während er so redete, fühlte er selbst das Lächerliche
seiner Rede. Auf einmal blieb er mit einem Ruck mitten im Zimmer stehen:
Wenn er nun morgen früh zum Direktor ging, wenn er nun wirklich
Schauspieler wurde? Dann war ja alles in Ordnung, dann triumphierte er
ja über diese ganze spießbürgerliche Gesellschaft! Der Direktor brauchte
ja einen Schauspieler, sonst konnte er nicht die -- gewissen Stücke
spielen! Fox sagte nicht: Possen und Komödien, da er das Wort »Komiker«
vorläufig noch ignorierte, weil er sonst gleichsam sich selbst hätte
fordern müssen. -- Überhaupt: wer sagt denn, wenn ich ihm eine von den
Rollen vorspreche, die ich bei Sander gelernt habe, daß er mich nicht
als Helden anstellt? Vielleicht hat er auch keinen Helden, das kann doch
niemand wissen! Und mal ein bißchen Theater spielen -- tat das nicht
auch Wilhelm Meister?! Dem Rechtsanwalt würde er ins Gesicht lachen, und
eines Abends würde er wieder ins Lokal treten und sagen: Meine Herren,
dieses letzte war auch wieder eine Mystifikation, denn eigentlich bin
ich auch kein Schauspieler, aber mein Vater ist so weitsichtig, daß er
seinen Sohn vom Studium nicht direkt in den Beruf hineinschiebt, sondern
ihm Freiheit läßt, auch andere Fähigkeiten und Talente in sich
auszubilden und die Welt wirklich kennen zu lernen, ein
Edukationsprinzip, wie es Goethe in seinen Erziehungsromanen
vorschwebte! So würde er von seinem Vater reden, der das weiß Gott nicht
verdient hatte. Und die Bekanntschaft mit dem Kriegsminister, würde er
fortfahren, war keine Mystifikation, denn der alte Herr hat schon öfter
Billette von mir empfangen, also kenne ich ihn -- ach nee, da irre ich
mich, ich kenne ihn ja gar nicht wirklich -- aber sagen kann ich es,
denn dem Wortlaute nach ist es wahr! -- Und dann würde Fox zu seinem
Vater zurückgehen und erklären: ich habe dir nun gezeigt, daß ich mich
selber zu erhalten weiß: ich erwarte, daß du mir wieder Vertrauen
schenkst, und mir die Mittel bewilligst zur Beendigung meines
eigentlichen Studiums. Und dann wollte er auch arbeiten, ehrlich und
ernsthaft arbeiten!! --
 
Als er am nächsten Morgen am Portier vorbeischritt, legte er um seinen
Mund markante Falten und fragte mit sonorer Stimme: Haben Sie schon
gehört, wie ich gestern abend die Herren Bürger angeführt habe? --
Glänzend, einfach glänzend! grinste der Portier.
 
Fox hatte sein Selbstbewußtsein voll zurückgewonnen. Dann stand er vor
Direktor Steinert, einem anscheinend noch jungen, glattrasierten Mann
mit schwarzen Augen und einem Hornzwicker. Außer ihm war noch eine alte
Dame im Zimmer mit kompaktem rein kastanienbraunem Haar und einem
Scheitel wie ein Lineal. -- Die Mitteilung des Portiers bestätigte sich,
Herr Steinert war in Not, telegraphische Verhandlungen schwebten
allerdings mit Agenten, aber die Saison hatte schon begonnen, die
halbwegs besseren Kräfte waren versorgt, und einen reinen Anfänger zu
nehmen scheute sich die Direktion. Fox erklärte nun, er sei vollständig
zum Schauspieler ausgebildet, durch Herrn von Sander, bei dessen
Namennennung Herr Steinert eine kleine Verbeugung machte, da er ihn aus
Annoncen der Theaterzeitungen sehr wohl kannte. Dann setzte Fox hinzu,
daß er selbst einer hoch -- höchst angesehenen Familie entstamme und
mehr Bildung für den Beruf mitbringe als die meisten Schauspieler. Und
dann sagte er: Nun passen Sie mal auf. Er begann die Rolle
vorzusprechen, die er als allererste bei Herrn von Sander studiert und
endlos repetiert hatte, und die deshalb noch am besten im Gedächtnis
saß. Alle Bewegungen waren ihm noch gegenwärtig, durch die
Gesangstunden, die er betrieben hatte, war sein Organ ebenmäßiger
geworden, und Herr Steinert unterbrach ihn mitten in einem längeren Satz
mit der Bemerkung, er habe schon genug gehört, Talent sei unverkennbar
da, die äußere Erscheinung sogar glänzend, aber -- wir brauchen einen
Komiker und keinen Helden!! -- Ja, Komiker bin ich nun nicht, sagte Fox
in seinem trockensten Tone, und sah Herrn Steinert mit jenem großen,
halb verweisenden Blick an, über den das Stubenmädchen so gelacht hatte.
-- Aber das schadet ja gar nichts! ließ sich die alte Dame jetzt durch
die Reihe ihrer sehr weißen Zähne vernehmen, mit langsamer, etwas
schwerer Zunge und in einem gedehnten, singenden Tonfall, der durch
mehrere Oktaven zu spielen schien -- das schadet ja gar nichts! Wenn
er's nicht ist, kann er's noch werden. Wie Sie da vorhin ins Zimmer
traten -- so wandte sie sich an Fox -- wie Sie nur Ihren Hut auf die
Kommode stellten -- es war gar nichts weiter als diese einzige Bewegung
-- ich sage Ihnen: Ich mußte lachen; glauben Sie mir, ich habe einen
Blick für Menschen! Seit dreißig Jahren bin ich am Theater! Wenn Sie nur
auf die Bühne treten, so lacht das Publikum! Ich will Sie damit nicht
beleidigen! fuhr sie fort, da Fox ein verletztes Gesicht machte, im
Gegenteil: Wirkliche Komiker sind heutzutage selten! Bleiben Sie nur bei
uns! Herr Steinert warf ein, daß Fox ja gar nicht die nötigen Rollen
beherrsche. -- Dann lernt er sie eben jetzt noch! sagte sie mit ihrer
eigensinnig klagenden Stimme, Schauspieler lernen schnell, und bei uns
heißt es ganz besonders fest und energisch zu arbeiten, das ist hier
jeder gewohnt. Sie müssen wissen: Mein Mann und ich sind für das Ideale!
Fox sah überrascht erst auf sie dann auf Herrn Steinert: war das die
Frau von dem? -- Und dann, Hermann: Er soll doch die Rollen nicht von
heute auf morgen lernen, sondern erst auf übermorgen oder nächste Woche.
Wir eröffnen das Theater doch mit einem klassischen Stück, wo wir ihn
nicht nötig haben -- und die eigentliche Posse ist doch erst am Sonntag.
Bis dahin hat er viel Zeit zum Lernen, und die Proben sind doch auch
noch da! -- Herr Steinert war nach wie vor skeptisch. -- Aber das
Publikum hier macht doch keine Großstadtansprüche! Und kurz und gut --
ihre Stimme wurde ungeduldig und etwas stoßend -- mir gefällt dieser
junge Mann! Er wird wachsen mit seinen Aufgaben! Schließlich habe ich
doch auch ein Wort mitzusprechen, und wie gesagt -- ihre Stimme wurde
wieder singend: Ich empfehle dir diesen jungen Mann dringend, ohne dich
damit jedoch -- und nun klang ihre Stimme geradezu ölig-zärtlich --
irgendwie beeinflussen zu wollen. Herr Steinert warf ihr aus seinen
wimperlosen, scharf umränderten Augen durch den Zwicker einen
böse-versteckten Seitenblick zu, den sie aber nicht bemerkte, und
meinte: Gut, Ida, versuchen wir es. Sind Sie einverstanden? wandte er
sich an Fox.
 
In Fox bekämpften sich Regierungsassessor und Komiker. Daß er alle
Rollen leicht lernen und tadellos spielen würde, war außer Frage. Doch
vor den Leuten auftreten, damit sie über ihn lachten?! Aber schließlich:
Auch Molière und Shakespeare waren Schauspieler gewesen, und beide
hatten eine Fülle komischer Rollen selbst geschaffen! Und er selber
hatte vor ihnen noch den Vorteil voraus, daß er seinen Namen nicht
hergeben würde: Er wollte seinen uralten Familiennamen mit einem
Pseudonym decken. --
 
Wie ist es denn mit dem Honorar? fragte er. -- Herr Steinert wechselte
mit seiner Frau einen Blick und nannte dann eine Summe, die kärglich
gering erschien, und kaum das Dasein zur Not fristen konnte. Fox
schwankte wieder; aber plötzlich faßte ihn ein Gefühl, all diesen
niedrigen Erbärmlichkeiten ein Ende zu machen, durch eine halb
verächtlich gegebene Zustimmung. -- Hermann, wir könnten ihm doch fünf
Mark mehr bewilligen! -- Herr Steinert sah sie unbeweglich durch seinen
Zwicker an. -- Also es sind Ihnen fünf Mark mehr bewilligt! sagte er
darauf zu Fox; Gesellschaftsanzüge, Salonrock, Frack usw. haben Sie doch
wohl? -- Fox unterdrückte ein kräftiges Wort und sagte:
Selbstverständlich. Herr Steinert holte zwei Kontrakte, unterzeichnete
den einen, gab ihm beide, mit der Bemerkung, zu Hause genau den Wortlaut
durchzulesen und ihm am Nachmittag den zweiten, mit seiner Unterschrift
versehen, zuzustellen. -- Aber das kann er doch gleich hier durchlesen!
Wozu denn diese Umständlichkeit! -- Aber Fox nahm ihn mit und studierte
ihn im Hotel. -- Sechshundert Mark Geldstrafe für den Fall eines
Kontraktbruches. Also so plötzlich weg kann ich da nicht, sonst bekomme
ich die Polizei auf die Hacken! --
 
Horst Siegmaringen nannte er sich; das klang gut und ließ einen
unterdrückten Adelstitel vermuten.
 
Fox war nun engagiert. Er zog in ein kleines möbliertes Zimmer. Dort
lernte, übte und probte er für sich Charleys Tante. -- Blödsinniges
Stück! Es fehlt ihm jeder echte Humor! -- Am nächsten Morgen war die
erste Probe.
 
Das ist ja eine Scheune?! sagte Fox, als er das »Theater« erblickte, --
eine Scheune, ohne Tür?! Wo ist denn die Tür?! -- Dies Theater war
eigentlich ein Hotel mit größerem Saal, öde und verwahrlost, mit grauer
abgebröckelter Zementfassade.
 
Die alte Dame war schon lange auf der Bühne; sie leitete das Ganze, sie
war Regisseur, von ihr schien alles abzuhängen. Fox sprach seine Rolle
im Tone eines Leutnants. Herr Steinert war verzweifelt: Das geht nicht,
Sie müssen frauenhafter, damenmäßiger sprechen! Aber Frau Ida meinte:
Laß ihn doch, Hermann! das gibt ja gerade einen schönen Effekt! Das
wirkt fabelhaft! Wie er jetzt dasteht, dies Trockene, Geschäftsmäßige,
-- das macht ihm so leicht keiner nach. Denke dir doch noch die Perücke
und die Frauenkleider, das wird ja zum Schreien! -- Fox kam recht deprimiert nach Hause. Ekelhaft war ihm dies Ganze, und seine Kollegen und Kolleginnen -- außerhalb des Theaters würde er mit keinem einzigen von ihnen sprechen, das war ausgemacht!

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