2015년 11월 24일 화요일

Pitt und Fox 42

Pitt und Fox 42



Zehntes Kapitel.
 
 
Nachdem Herta sich von Pitt getrennt hatte, folgte eine Zeit der
Zerrissenheit für ihn. Er sehnte sich nach ihr zurück, er rief ihren
Namen, -- und dann wieder war es, als ob er sie eigentlich überhaupt
nicht vermißte. Er bildete sich ein, mit Herta alles verloren zu haben,
und doch wußte er im Grunde, daß seine Liebe keine Leidenschaft gewesen
war. Was er empfinden konnte, hatte er empfunden, und wenn er früher
seine Liebesunfähigkeit damit getröstet hatte, daß ihm nur noch nicht
der Mensch begegnet sei, durch den sein dürrer Boden befruchtet werde,
so wußte er nun, daß er diesen Menschen niemals finden würde, daß seine
eigene, innere Kälte ihn im letzten Grunde stets von allen Menschen
entfernt hielt und immer einsam stehen lassen würde. Aber wie kam es
dann, daß sein Gefühl ihn stets wieder zu den Menschen trieb, daß er
seine Einsamkeit als etwas so Entsetzliches empfand? Sollte er abermals
den Versuch machen, den Nebel zu durchbrechen, der um sein Wesen lag, so
fest und ewig wie um Weltenkörper? Er schloß sich ganz in sich ab und
dachte: Besser eine allgemeine graue Öde als eine Öde in die ab und zu
Licht hineinscheint, das dann wieder verschwindet. --
 
Er wandte sich ganz der Arbeit zu. Aber diese Arbeit schien ihm leer und
lästig, da er überhaupt nicht das mindeste Interesse hatte für die
Schicksale fremder Menschen, für ihre Klagen und ihren Schrei nach dem
Recht. Das alles kam ihm komisch und nichtig vor. Soll dieses ewig so
weiter gehen? dachte er manchmal, und überlegte, ob er nicht alles
aufgeben und davon gehen sollte. Aber was blieb ihm dann? Wovon sollte
er leben? Er hielt es noch einige Zeit aus, und gerade, als er wieder
einmal auf seinem Sofa saß und darüber nachdachte, daß irgendein Wechsel
eintreten müsse, traf ihn die Nachricht von dem Testamente seiner
Mutter. Sofort war sein Entschluß gefaßt: Er brach seine beruflichen
Beziehungen ab und wollte sich in die Welt begeben. Er erwartete nichts
von ihr als Zerstreuung, aber die war ihm auch genug. Er reiste, trieb
sich mehrere Jahre in verschiedenen Ländern herum, nahm an flüchtigen
Erlebnissen mit was sich ihm bot, und kehrte endlich ebenso beschwert
und unbeschwert in seine Stadt zurück, wie er von ihr ausgegangen war.
Daß er gerade hierhin zurückging, und nirgend wo anders, war für ihn so
selbstverständlich, daß er gar nicht über den Grund nachdachte. Diese
Stadt war ihm, trotzdem er nicht viel Glückliches in ihr erlebt hatte,
wie seine Heimat, nach der es ihn schließlich, je mehr die Zeit
vergangen war, immer dringender zurückgezogen hatte. Am Tage nach seiner
Ankunft ging er zum Haus der van Loo, sah es lange an und dachte: Es
steht noch immer da. -- Von seinem Geld hatte er soviel zurückbehalten,
daß er noch bequem einige Monate leben konnte, auch, nachdem jene erste
unvorhergesehene und große Summe für seinen Bruder Fox davon abgezogen
war; was werden sollte, wenn dieses Geld aufgezehrt war, wußte er nicht,
aber als letzte Lösung begann seit einiger Zeit der Gedanke im
Hintergrund zu stehen: Das Leben ist mir so wenig wert, daß es nicht
allzuschwer sein wird es zu verlassen. Dieses war ein letzter Ausweg,
und er beruhigte ihn halb, obgleich er ahnte, daß er ihn doch niemals
gehen werde, da ihm zu jeder Gewaltsamkeit die Energie fehlte.
 
Er tat nun gar nichts, las viel in philosophischen Werken, auf dem Sofa,
ganz so wie in früheren Zeiten, und suchte Zerstreuung in literarischen
und dramatischen Vereinen. --
 
Großer Gott, dachte er eines Tages, indem er von seinem Fenster aus
einer Dame nachsah, die ihn gerade verlassen hatte, sollte die sich etwa
den Gestalten der Vergangenheit anreihen wollen? Bisher habe ich doch
wenigstens keinen schlechten Geschmack gehabt! --
 
Diese junge Dame war Fräulein Heine, Tochter eines sehr reichen
Bankiers, die er auf einem jener Vereine kennen gelernt hatte. Sie war
nicht eben groß, hatte schwarzes Haar und trug fast stets ein rotes
Kleid aus sehr feinem, teurem Stoff. In den Kaufmanns- und
Bankierskreisen, die mit dem Hause ihres Vaters in freundschaftlicher
Beziehung standen, galt sie für exklusiv und hochmütig; auch sei sie
schöngeistig veranlagt und werde ihrem Hause gewiß einmal die Schande
antun, irgend einen hergelaufenen Literaten zu heiraten. --
 
Fräulein Heine nun warf ihr Auge auf Pitt Sintrup, der einen so ganz
besonderen germanischen Typus hatte, und eine so wundervolle feine
Ironie, die beinah wieder wie Ernst klang, so fein war sie! Sie merkte,
daß an diesem Menschen irgend etwas war, das sie noch bei keinem andern
Manne kennen gelernt hatte, und beschloß ihn zu studieren.
 
Sie war äußerst belesen und wußte ihn in Gespräche über die
verschiedensten literarischen Probleme zu verstricken, und er, halb
gutwillig, halb zerstreut, konnte doch nicht anders als ihren Verstand
anerkennen, so wie der sich auf Dinge richtete, die nicht sie selbst
betrafen. Sie fragte ihn auch sehr viel nach seinem Leben, nicht
allgemein, sondern indem sie ihre Sätze so detaillierte und formulierte,
daß er einfach mit ja und nein zu antworten brauchte. Dadurch erfuhr sie
eine ganze Menge, denn Pitt sah durchaus keinen Grund mit seinen ja und
nein zurückzuhalten, manchmal freute er sich sogar gespannt auf
irgendeine neue Frage, die er herannahen fühlte, und dachte: Wie wird
sie das jetzt wohl hervorbringen?! Sie kam immer öfter zu ihm, und wenn
sie ihn anfangs zerstreut und belustigt hatte, wurde sie ihm auf die
Dauer nur noch lästig. Sie erzählte ihm auch, daß sie ihn liebe; sie
habe nichts zu verbergen, so sagte sie, was für ihr eigenes Ich von so
großer Wichtigkeit wäre, und was -- allgemein gesprochen -- im Leben
eines jeden Individuums einen so großen Faktor bedeute. Hierzu lachte er
nur, und meinte, daß er sie nicht wieder liebe, worauf sie entgegnete,
das sei auch nicht verwunderlich, bei dem einen käme die Liebe rascher
-- das seien die eigentlich Dionysischen, bei den andern langsamer; für
diese letzten hatte sie keine nähere Bezeichnung. -- Er begann grob
gegen sie zu werden; das machte ihr gar nichts: Ich liebe diese
Grobheit, sagte sie, es tut einem wohl, einmal wieder eine natürliche
Sprache zu hören, wenn man täglich die größten Schmeicheleien gesagt
bekommt, das stumpft allmählich ab. -- Wie viele Jahre bekommen Sie die
schon zu hören? fragte Pitt. -- Wenn ihr seine Grobheit zu arg wurde,
schlug sie ihn burschikos auf die Schulter.
 
Sein Leben, wie es jetzt war, erschien ihr wahnsinnig; so wie es lag,
gab es absolut keine Zukunft für ihn. Sie drang in ihn, er solle seine
juristische Karriere wieder aufgreifen, bei seinen eminenten Fähigkeiten
werde er bald viel Geld verdienen. Bei näherem Nachdenken aber sah sie
selbst ein, daß er sich für einen solchen Beruf nicht eigne. Sie
zerbrach sich oft den Kopf, ob sie selbst nicht eine Stellung für ihn
wisse oder schaffen könne, die für ihn passend sei, und eines Tages
erschien sie angeregt in seinem Zimmer. -- Setzen Sie sich nicht, sagte
Pitt, die Stühle sind frisch gestrichen! -- Nach einem flüchtig
konstatierenden Blick antwortete sie: Sie Grobian! und ließ sich nieder.
Darauf machte sie ihm ihren Vorschlag: Es handelte sich um die Übernahme
einer Redaktionsstelle.
 
Ihr Vater war Inhaber und Begründer einer Handelszeitschrift, die ein
literarisches Feuilleton als Anhang hatte. Der jetzige Redakteur für
diesen Teil hatte seine Stelle plötzlich aufgegeben, man brauchte
Ersatz. Herr Heine verstand von Literatur und Kunst nicht das mindeste,
seine Tochter hatte in diesen Dingen großen Einfluß auf ihn, sie hatte
ihn auf Pitt Sintrup hingewiesen, das sei der Mann der Zukunft! Herr
Heine wollte reelle Belege dafür sehen, und sie gab ihm einfach
Besprechungen und Aufsätze, die Fox einst gemacht hatte und die sie
einmal mit nach Hause nahm, um auch diesen Bruder geistig kennen zu
lernen. Er las diese Artikel, die neben manchem ihm Unverständlichen
auch sehr vieles enthielten, was er selbst oft gedacht hatte, wenn er
aus dem Theater kam, und sagte: Ein solcher Mensch sei ihm ganz recht;
etwas Unverständliches müsse heutzutage bei jeder schöngeistigen Sache
mit unterlaufen, er selbst pfeife darauf, aber das sei modern, das
ziehe. -- Von diesen untergeschobenen Artikeln sagte sie Pitt nichts, da
er ihr dann vielleicht alles zerstört haben würde. -- Pitt machte ein
verächtliches Gesicht und sagte, er wolle nicht. Sie ließ sich aber
nicht abschrecken. Ein Mensch wie Sie, sagte sie, braucht eine
Tätigkeit, die er als Nebenbeschäftigung, als Spiel ansieht, die ihm
Geld abwirft, damit er leben kann. Ich garantiere Ihnen, Sie haben dort
nicht viel zu tun!
 
Pitt horchte auf. -- Nein, fuhr sie fort, schüttelte den Kopf und stieß
mit dem Schirm auf den Boden, das garantiere ich Ihnen! Sie haben nichts
weiter zu tun als täglich ein paar Manuskripte zu überfliegen. Sie sehen
ja doch gleich nach den ersten Sätzen, ob eine Sache gut ist oder nicht.
Dann akzeptieren Sie oder refüsieren Sie, je nachdem. Für alles Gröbere,
Untergeordnete ist ein Nebenredakteur da, der unter Ihnen steht. Also --
sagen Sie zu? Gehen Sie gleich mit mir zu meinem Vater! -- Da er nicht
antwortete, stand sie auf, holte seinen Hut, stieg auf einen Stuhl und
drückte Pitt von oben mit einem Schlage seine Kopfbedeckung auf die
Haare. Er tat sie ebenso schnell wieder herunter und warf sie auf den
Tisch. Fräulein Heine stellte sich dicht vor ihn hin, sah mit lächelndem
Blick zu ihm auf, ihr Kinn berührte fast seine Brust. Na?! fragte sie
aufmunternd, kann der Herr sich nicht entscheiden?
 
Ich will mit dieser ganzen Sache nichts zu tun haben! sagte Pitt aus
einem plötzlichen Gefühl heraus, suchen Sie sich lieber einen Menschen
aus Ihrer Clique! -- Sie lachte trocken und meinte dann mit ihrer
resonanzlosen, etwas staubigen Stimme: Morgen komme ich wieder, ich
hoffe, bis dahin sind Sie klüger geworden. --
 
Pitt hatte ein starkes Gefühl gegen diese Sache. Wäre sie ihm noch von
jemand anders angeboten -- aber gerade von Fräulein Heine -- --! Doch
schließlich verpflichtete ihn das ja zu gar nichts. Das Gehalt, was sie
ihm nannte, war so hoch, daß er mit seinen geringen Ansprüchen sehr
bequem leben konnte, und er war, wenn er annahm, wieder einmal für ein
paar Jahre gerettet. Im Grunde war es ihm egal, ob er Redakteur wurde
oder nicht; also konnte er es ja werden, da er dadurch Geld verdiente,
auf eine bequeme Art und Weise.
 
Am nächsten Nachmittag fuhr er aus seinem Schlafe, da es sehr stark
gegen die Zimmertür klopfte. --
 
Sie schon wieder! sagte er, als er Fräulein Heine erblickte -- er hatte
die ganze Sache in diesem Augenblick fast völlig vergessen. -- Jawohl,
ich schon wieder! sagte sie und machte breite Lippen, als wollten sich
die ganz besonders durchsetzen. Nun, haben Sie sich jetzt entschlossen?
Wachen Sie doch vor allem erst einmal völlig auf! -- Pitt riß die
Augenlider auseinander, dann wußte er plötzlich genau um alles Bescheid
und gab nun zögernd seine Zusage. Während er sprach, betrachtete sie ihn
mit zurückgeworfenem Kopf und humoristisch überlegenen Augen, als wolle
sie sagen: Du Kind, begreifst du nun, daß ich es gut mit dir meine?!
 
Am Spätnachmittag machte er ihrem Vater einen Besuch. Klein, grau, gut
gepflegt, sehr gemessen in seinen Bewegungen stand der vor ihm, bei der
folgenden Unterhaltung zündete er sich eine Zigarre an und stieß lange
Rauchwolken aus, wie eine gutgeleitete Fabrik, die einmal auch noch nach
Feierabend in Betrieb ist. -- Fräulein Elsa trat herein, sie begrüßte
Pitt mit freundlich-herzlichen Worten, -- er machte ihr eine etwas
unsichere Verbeugung -- und nötigte ihn wieder auf seinen Platz. -- Sie
hatte etwas Angst, ihr Vater könne sich im Laufe des Gespräches auf jene
Foxschen Artikel beziehen, aber das tat Herr Heine nicht, es wäre ihm
dies ebenso zwecklos erschienen, als wenn er über eigene vergangene
Unternehmungen irgendein überflüssiges Wort verloren hätte: Er wußte von
Herrn Dr. Sintrup Bescheid, das genügte. Während er über die
Einzelheiten der Zeitschrift redete, warf Fräulein Heine diese und jene
erläuternde Bemerkung ein, die Pitt mit einer leisen Verbeugung
erwiderte; aber seine Gedanken irrten ab, und als Herr Heine für einen
Augenblick ans Telephon gerufen wurde, fuhr Fräulein Elsa protegierend
auf ihn los: Sie trauen sich viel zu wenig zu! Entwickeln Sie ein
Programm! Lassen Sie ein paar Schlagwörter los! -- und rüttelte ihn am
Arme. -- Was fällt Ihnen denn ein? sagte Pitt, lassen Sie mal sofort
Ihre Hand von meinem Arm! Herr Heine kam zurück, die beiden waren
plötzlich wieder ganz gesellschaftlich, aber während die Unterhaltung
von neuem aufgenommen wurde, stand Fräulein Elsa, in Erwartung der
Wirkung ihrer Worte, wie eine kleine Kanone da, deren Lauf auf Pitt
gerichtet war. -- Ich möchte jetzt gern mein Programm entwickeln! sagte
Pitt, aber Herr Heine meinte, mit diesen Einzelheiten möge er sich
lieber an den Chefredakteur wenden, dem er überhaupt in der ganzen Frage
die letzte Entscheidung anvertraut habe. Pitt hatte sich in aller
Schnelligkeit eine Rede mit allerlei Gesichtspunkten ausgedacht, die
sparte er nun auf. Ihm erschien die ganze Sache mit einem Male lustig und unterhaltend.

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