2015년 11월 24일 화요일

Pitt und Fox 43

Pitt und Fox 43



Stecken Sie Ihre Hoffnungen nur nicht zu hoch! sagte der Chefredakteur,
Herr Wolf, ein Herr mit dichtem, schwarzem Schnurrbart und
glattrasierten blauen feisten Wangen -- nachdem Pitt alle
Gesichtspunkte, die sich für ein literarisches Organ finden lassen,
erörtert hatte: Der literarische Teil ist bis jetzt nur eine Art von
Anhängsel, und muß es vorerst auch noch bleiben, so sehr ich Ihrer
Tatkraft ein größeres Arbeitsfeld wünschte. --
 
So war Pitt wirklich Redakteur geworden. Herr Wolf geleitete ihn am
ersten Morgen in das literarische Arbeitszimmer und stellte ihm den
Unterredakteur, Herrn Bertold vor, ohne jedoch dessen Namen zu nennen.
Dies war ein blonder junger Mann mit einem Getümmel von Haaren auf dem
Kopf. Wie eine Bildsäule stand der da, als Herr Wolf die Worte sprach:
Das ist der Herr, mit dem Sie, Herr Doktor, künftig an einem Tische
arbeiten werden; in den technischen Betrieb der Sache kann er Sie
vorzüglich einführen, denn das versteht er. Im übrigen werden Sie ihn ja
wohl selbst kennen lernen. -- Bei diesen letzten Worten errötete Herr
Bertold bis an die Haarwurzeln und sah Herrn Wolf halb herausfordernd,
halb untertänig an. Dann entfernte sich Herr Wolf, und Pitt blieb mit
Herrn Bertold allein; setzte sich ihm gegenüber und wartete, daß er in
den Betrieb eingeführt werde. Aber Herr Bertold blickte nicht von seinen
Papieren auf und Pitt harrte vergebens, daß nun etwas mit ihm selbst
geschehen solle. -- Was hat denn der? dachte er, als Herr Bertold
zwischendurch die Papierschere ergriff und dabei einen tief verletzten
Blick auf ihn warf. Und als er wieder so einen Blick bekam, sagte er:
Ich kann ganz wahrhaftig nichts dafür, daß ich hier sitze; bitte, wie
lange muß man vormittags hier bleiben? Weshalb antworten Sie mir nicht?!
-- Da legte Herr Bertold seine Schere weg: Habe ich Ihnen zu antworten?
Muß ich Ihnen Rede stehen? Hat man es der Mühe wert gehalten mich
gesellschaftlich mit Ihnen bekannt zu machen? O ich weiß ganz genau: das
sind wieder so raffiniert ausgedachte Demütigungen, bei jeder
Gelegenheit zeigt man mir es auf die roheste Weise, daß ich ein
Unterbeamter bin; natürlich hat man Sie bereits angesteckt; alle von da
drüben -- er deutete auf die nebenan liegende Räumlichkeit -- benehmen
sich auf die gleiche Weise -- das ist so Mode hier, das ist höchste
Gebildetheit! -- Er hatte seine Stimme sehr stark erhoben. -- Was ist
denn da los? fragte Herr Wolf, indem er seinen dunklen Kopf ins Zimmer
steckte. Herr Bertold sah ihn mit verwirrten Augen an und sagte
unsicher: o gar nichts, ich erzählte nur gerade etwas -- worauf Herr
Wolf die Tür mit einem bedeutenden Blick wieder schloß. -- Sogleich
gingen Herrn Bertolds Augen wieder groß und bitter auf Pitt Sintrup:
Demütigen muß man sich vor diesen Menschen -- und warum? Weil man sonst
auf die Straße fliegt und verhungern kann! -- Wenn Ihnen was an meinem
Namen liegt -- -- sagte Pitt und nannte ihn. Irgend etwas an diesem
Menschen war ihm sympathisch. Herr Bertold sah ihn unsicher an und fuhr
fort, in sanfterem Ton: Sie müssen es mir nicht übelnehmen wenn ich
mißtrauisch bin gegen alles, was da von nebenan hereinkommt. -- Ich habe
diesen Herrn erst gestern kennen gelernt, sagte Pitt. -- Durch wen sind
Sie denn hier in die Redaktion hereingekommen? fragte Herr Bertold etwas
zutraulicher. Wohl durch Fräulein Heine? Pitt nickte, worauf Herr
Bertold so blanke Augen machte als sei dies der beste Witz, den er noch
in seinem ganzen Leben gehört habe. -- Pitt hielt es für angemessen,
sich nicht nach der Ursache dieses Grinsens zu erkundigen. -- Er wurde
nun in den Betrieb der Sache, wie es Herr Wolf genannt hatte,
eingeführt, lernte alle Fächer und Schubladen kennen, in denen die
verschiedenen Arten der Manuskripte lagen, die Namen der ständigen
Mitarbeiter und ihre Funktion -- Herr Bertold nannte sie samt und
sonders Idioten -- die Einteilung der Zeitschrift selbst in ihren
Einzelheiten, den Termin des wöchentlichen Druckes, der Korrekturen und
der Auslieferung.
 
Zu Anfang ließ sich Pitt seine Tätigkeit etwas schwer werden;
das Manuskriptlesen machte ihm noch einigen Spaß, auch die
Aufmunterungsschreiben an faule unzuverlässige Mitarbeiter und die
Besuche der ständigen Kritiker -- es gab auch allwöchentliche Theater-
und Konzertbesprechungen -- und es schien, als wolle er so etwas wie
eine wirkliche künstlerische Tendenz durchführen; aber er erlahmte schon
in den Anfängen. Wenn die Kritiker auf seine prinzipiellen Ausstellungen
hin erwiderten: Sie machten das nun schon seit Jahren so und das
Publikum sei noch stets zufrieden damit gewesen, das Publikum verlange
so etwas geradezu -- so dachte er schließlich: Nun ja, -- und für das
Publikum wird ja auch das Ganze gemacht und nicht für mich. -- Mit Herrn
Bertold kam er außerordentlich gut aus. Manchmal schwebte es ihm auf der
Lippe zu sagen: Könnten Sie nicht dieses und jenes unternehmen statt
meiner -- aber es fiel ihm ein, daß Herr Bertold ja Unterredakteur war,
Herr Bertold erschien ihm dann wie die Verkörperung des ganzen
Unternehmens selbst -- das Pitt an die erste und nicht die zweite
literarische Stelle gesetzt hatte -- wie seine eigene Obrigkeit
gleichsam, die solches Ansinnen gerügt haben würde. Aber Herr Bertold
selbst kam ihm zu Hilfe. Zu Anfang dachte er -- so wie der Chefredakteur
-- Pitt sei von großen Plänen und starker Tatkraft beseelt, bis er dann
allmählich merkte, daß Pitt sich über alles und sich selbst im Grunde
nur lustig machte. Daß dies nicht einem Mangel an Fähigkeiten entsprang,
fühlte Herr Bertold auch, und so erschien ihm Pitt nur wie ein Wesen
anderer Art und vielleicht höherer Art als er sich selber. Mit halb
freundschaftlicher, halb devoter Stimme fragte er, ob er ihm nicht das
eine oder das andere abnehmen dürfe. Hocherfreut ging Pitt darauf ein.
 
Und alsbald schaltete und waltete Herr Bertold, immer unter dem Siegel
von Pitts Unterschrift. --
 
Es geht gut, es geht vorzüglich! sagte Herr Wolf, seit Ihrem Eintritt
ist ein ganz anderer Geist in die Sache gefahren! Nach Ihrer ersten
Unterredung damals hätte ich gar nicht geglaubt, daß Sie einen solchen
Sinn für das rein Aktuelle hätten! -- Ja ja, antwortete Pitt, darauf
kommt alles an! und er erschien sich in diesem Moment fast wie sein
Bruder Fox. --
 
Fräulein Heine gratulierte ihm zu seiner Genesung, wie sie es nannte;
ich bin der Engel, sagte sie, der Sie gerettet hat. Wissen Sie noch, wie
zerfahren Sie zu Anfang gewesen sind? Morgen hole ich Sie von der
Redaktion ab und gehe mit Ihnen in die Bildergalerie; ich bin mir über
die Stellung Kranachs in der deutschen Malerei nicht ganz klar und
möchte, daß Sie mir vor den Bildern sagen, was Ihre Ansicht ist. Später
gehen Sie dann zu uns zum Essen.
 
Dies ist eine recht üble Karikatur der Vergangenheit! dachte Pitt, indem
seine Gedanken zu Herta zurückgingen, ich muß dafür sorgen, daß es nicht
zu toll ausartet, obgleich es mich jetzt schon manchmal elend macht. --
 
Seit sie Pitt jene Redaktionsstelle verschafft hatte, glaubte Fräulein
Heine sich zu größeren Anforderungen berechtigt. Sie schlug einen
freieren, entschiedeneren Ton gegen ihn an, und Pitt kam in eine
schwankende Lage. Zunächst spielte er noch zwei Rollen ihr gegenüber:
Sah er sie allein, so sprach er in seiner alten Weise, sah er sie im
Hause ihrer Eltern, redeten beide mit freundlicher Hochachtung
zueinander. -- Es freut mich fast, sagte sie einmal zu ihm, daß Sie im
Grunde so zäh Ihren Standpunkt gegen mich behaupten -- obgleich es mich
auch kränken müßte; aber es zeigt mir, daß Sie eine wirklich vornehme
Seele besitzen: Andere an Ihrer Stelle würden sich zum Gegenteil bemühen
und mir den Hof machen, denn schließlich -- prüfen wir doch mal die
Sache vom allgemeinen menschlichen Standpunkt, ich meine so, wie
gewöhnliche Menschen sie ansehen würden: Ich habe Sie in diese Stellung
hineingesetzt und kann Sie ebenso leicht wieder daraus vertreiben. Sie
wissen es und riskieren es: Das zeigt mir Ihre stolze Seele. Glauben Sie
aber, daß Sie nichts dabei riskieren, so zeigt mir das wieder, daß Sie
_mich_ für eine vornehme Seele halten, die erhaben ist über die
Kleinheit der andern Menschen! -- Ich halte weder Sie noch mich für eine
große Seele, sagte Pitt gelangweilt, und im übrigen ist mir alles ganz
egal. -- Sie sah ihm skeptisch in die Augen, mit ihrem etwas nackten
Blick, dann hielt sie ihm die Hand zum Abschied hin. Er nahm sie auch,
da schob sie sie an seiner Brust hinauf, bis sie fast seinen Mund
berührte. -- Ich küsse niemals Damen die Hand! sagte Pitt. Sie schwankte
einen Augenblick, dann zog sie die seine durch die Luft zu sich nieder,
ein kleiner Knall wurde laut, und sie sagte: Küsset die Hand so euch
züchtigt; heißt es nicht so irgendwo in der Bibel? Und ich kriege Sie
_doch_ noch rum, passen Sie nur auf! --
 
Ich will sie nicht zu sehr reizen, dachte Pitt zuweilen, denn wenn sie
auch von ihrer großen Seele spricht -- es wäre schade, wenn ich diese
gute Stellung so schnell wieder verlassen müßte; sie ist doch eine Art
von vorläufigem Ruhepunkt. -- So erreichten ihre Worte die Absicht, in
der sie gesprochen waren.
 
Pitt wurde sehr oft in das Haus der Familie eingeladen und er sah
Fräulein Elsa schließlich mehr in dem Kreise der Ihren als allein, denn
sie vermied es jetzt fast ihn außerhalb ihres Hauses zu treffen. Um so
ausgiebiger widmete sie sich ihm im Beisein der andern. Pitt konnte
nicht anders als höflich auf ihre Interessen eingehen, die wieder mit
seinen eigenen verknüpft erschienen, sie sang vor, am Klavier, er mußte
loben, wenn ihn Frau Heine, eine etwas üppige Dame, ermunternd ansah, er
mußte auch Elsas Gedichte lesen und sich in deren Inhalt vertiefen, und
ihr Maltalent bewundern, denn Fräulein Heine malte Stilleben.
 
Sie erreichte was sie wollte: Zunächst konnte er, wenn er sie allein
sah, überhaupt keinen rechten Ton zu ihr finden, der alte frühere
erschien ihm selber stillos, wo er sie jetzt die meiste Zeit als Dame
sah und als Dame behandelte, und so kam es, daß er allmählich gar keinen
Unterschied mehr machte, ob er sie nun allein oder in ihrem Hause sah,
daß er ihr stets mit einer reservierten Freundlichkeit begegnete. Sie
ergriff sofort vollkommen Besitz von diesem neuen Zustand, und als er
einmal, wie aus Versehen, in seinen alten Ton zurückfiel, sah sie ihn
halb kühl, halb herzlich an und sagte: Ich dächte, diese Zeiten wären
nun vorbei!
 
Pitt wußte genau, daß bei allem diesem ein Plan vorlag und daß er selber
in eine schiefe Situation hineingeraten war, aber was sollte er machen?!
Er hatte einmal die Gastfreundschaft dieser Menschen angenommen und
lebte von seiner Stellung, die er durch Fräulein Heines Bemühungen
erhalten hatte, und dieses alles forderte, wenn auch keine Dankbarkeit,
so doch einen guten höflichen Ton und einige Rücksicht, um so mehr als
er merkte, daß Elsas etwas jüngerer Bruder Egon anderen Schlages war als
die übrigen, von einem viel größeren Takt, einer fast wortlosen
Zurückhaltung, und einem Feingefühl, das auch die leisesten ironischen
Schattierungen im Tone eines andern heraushörte; er zog sich meistens
zurück, sobald es die gesellschaftliche Höflichkeit zuließ, denn die
ganze Art der Konstellation dieses Verhältnisses war ihm unsympathisch
und peinlich. Er fühlte sehr wohl seiner Schwester Absicht und Pitts
wahre Empfindung ihr und dem ganzen Hause gegenüber.
 
Bis jetzt hatte Fräulein Heine ihre Liebe noch mit ziemlicher
Fröhlichkeit getragen, noch niemals sie als irgend etwas Schweres
empfunden; aber das wurde auf einmal anders.
 
Eines Abends war sie Pitt immer näher gerückt und hatte heiße, rote
Backen bekommen. Wie Pitt dann gegangen war und sie mit ihrer Mutter
allein blieb, sagte Frau Heine, die sie sehr beobachtet hatte, mit
pathetischer langsamer Stimme: Elsa, Elsa, wie steht es mit deinem
Herzen?! -- Da fühlte sich Fräulein Heine plötzlich wie von einem großen
Schicksal übermannt, von dem sie kurz zuvor selbst keine Ahnung gehabt
hatte, sie brach in Tränen aus und sank ihrer Mutter mit einer großen
Bewegung in die Arme. Es folgte ein Schweigen. -- Diese unselige
Redaktion! sagte Frau Heine endlich, erst lerntest du den Bertold
kennen, im literarischen Verein, dann ruhtest du nicht, bis er seine
Position bekam und schienst bis über die Ohren verliebt in diesen armen
Teufel! Du schafftest ihm neue Anzüge an, bezahltest seinen Arzt und
ließest ihm sogar goldene Plomben einsetzen, da seine eigenen dir zu
vulgär waren. Auf einmal lernst du diesen Sintrup kennen -- es mag ja
sein, daß er wirklich der richtige Mann war für die Position, die er
dann bekam -- das gehört nicht hierher -- und nun war alles mit einem
Male aus mit dem Bertold. Ich danke ja Gott, daß es aus war, ich ahnte
damals schon es müsse irgend etwas dahinterstecken, aber daß du nun
wirklich diesen Sintrup liebst, das -- ahnte ich zwar auch schon, aber
wirklich bestätigt sehe ich es erst heute abend. Schlag dir das aus dem
Kopf! Egon sagt, er macht sich über uns alle miteinander lustig! Und
über dich am allermeisten! -- Das tat er früher! sagte Elsa hastig und
heftig, aber jetzt tut er es nicht mehr, er hat selber eingesehen wie
ich es gut mit ihm meine, und er zeigt das in seinem ganzen Wesen! Du
hast ihn ja früher garnicht gekannt! Aber auch schon damals habe ich
deutlich gefühlt, daß ich ihm absolut nicht gleichgültig war. Er war
grob und impertinent zu mir, das ist man nicht zu Menschen, die einem
egal sind! Er war darin geradezu erfinderisch, und alles kam in einem so
herzlichen, kameradschaftlichen Ton heraus, ich regte ihn durch mein
etwas burschikoses Wesen, das ihm neu und anziehend war, direkt zu
Impertinenzen an! Ich empfand so deutlich, daß er sich wohl dabei fühlte
und gar nicht irritiert, auf mich persönlich war das alles ja auch gar
nicht gemünzt, es entsprang nur einem überschüssigen Teil an Geist und
Witz, den ich gerade in ihm auslöste, weil er in mir unbewußt eine ihm
verwandte Natur empfand! Er mag sich wohl im Anfang gewehrt haben, ich
glaube ja auch nicht, daß er jetzt schon direkt verliebt in mich wäre,
aber in der kurzen Zeit hat er einen Riesenschritt getan, und heute
abend: Ist er auch nur eine Spanne weit von mir fortgerückt, hat er nicht ganz still gehalten?!

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